Hollywoods Pakt mit Hitler

Von Kerstin Zilm · 22.09.2013
Über das Buch "Collaboration – Hollywoods Pact with Hitler" von Ben Urwand ist schon vor der Veröffentlichung hitzig debattiert worden. Der Historiker Urwand beleuchtet die Kooperation zwischen den damaligen Akteuren Hollywoods und dem Nazi-Regime. Seine These: Den Film-Bossen war ihr monetärer Profit wichtiger als die Moral.
Deutschland ist ein wichtiger Markt für Hollywoodfilme - seit die ersten Streifen in schwarz-weiß zu Live-Klavierbegleitung in Filmtheater kamen. Als das Nazi-Regime in Deutschland die Führung übernahm, war US-Studiobossen Profit wichtiger als Moral - und das obwohl fast alle Juden waren. Hollywood beugte sich dabei nicht widerstrebend den Forderungen, sondern kam dem Regime zum Teil übereifrig entgegen. Das schreibt jedenfalls Ben Urwand, Historiker und Junior-Fellow der Harvard Universität ins einem gerade erschienen Buch "The Collaboration: Hollywoods Pact With Hitler".

Das Wort "Collaboration" - Zusammenarbeit ist die Provokation, der Begriff, der einen Historikerstreit über das gerade durch die Harvard University Press veröffentlichte Buch auslöste. Autor Ben Urwand - ein in Australien geborener Nachfahre ungarischer Juden - bleibt dabei und erklärt in einem Radiointerview, worin die Zusammenarbeit zwischen US-Filmindustrie und Nazi-Regime in den 1930-er-Jahren bestand.

Ben Urwand: "Die Studiobosse in Los Angeles haben regelmäßig den nazideutschen Konsul zu Voraufführungen ihrer Filme auf ihr Gelände eingeladen. Die Schnitte, die er forderte mussten sie ausführen, wenn die Filme in Deutschland gezeigt werden sollten."

Konsul Georg Gyssling hatte die besondere Aufgabe, Hollywood im Auge zu behalten und zu beeinflussen. Er - so Urwand - sorgte unter anderem dafür, dass Juden nicht auf der Leinwand und Namen jüdischer Filmemacher nicht im Abspann erschienen, dass US-Studios deutschlandfreundliches Wochenschau-Material lieferten und dass Carl Laemmle für den internationalen Vertrieb seines Oscar-Gewinners "Im Westen nichts Neues" Szenen mit verängstigen deutschen Soldaten herausschnitt.

"Er schlug Schnitte aller Szenen vor, die das Ansehen der Deutschen schädigten, alles was Deutschland in ungünstigem Licht zeigte musste raus. Er verbot die Produktion eines Films über die Judenverfolgung. Anti-Nazi-Filme wurden erst produziert, als kein Geschäft mit Deutschland mehr zu machen war."

Schon bevor Urwands Buch erschien, begann der Historikerstreit um seinen Titel: Verleumdung! Lüge! Sensationsgier!, lauten die Vorwürfe. Thomas Doherty, der ebenfalls ein Buch über Hitler und Hollywood veröffentlichte, schreibt von übler Nachrede:

"Mit dem Begriff Zusammenarbeit beschreibt man das Vichy-Regime. Einen Hollywoodmogul Kollaborateur zu nennen unterstellt, er habe bewusst, absichtlich und aus Feigheit oder Gier nach Anweisung der Nazis gehandelt."

Steven Ross, Historiker an der University of Southern California in Los Angeles kritisiert, Urwand übertreibe die Bedeutung Gysslings und vernachlässige Hollywoods selbst auferlegten Produktionscode:

Steven Ross: "Der Leiter der Organisation, die ihn durchsetzte, Joseph Breen, war zweifellos ein Antisemit. Er stoppte mehrere Anti-Nazi-Filme, die Juden machen wollten mit Hinweis auf den Code. Darin stand: 'Keine Nation und kein Staatsoberhaupt dürfen auf der Leinwand schlecht gemacht werden.' Breens Einfluss war größer als der des deutschen Konsuls."

Selbst wenn man von Zusammenarbeit zwischen Hollywood und Hitler sprechen wolle, dürfe man den Kontext nicht vergessen:

"Hollywoodstudios wollen in erster Linie Geld machen, nicht das weltweite Gewissen wecken. Sie haben mit Hitler kollaboriert - aber deutlich weniger als andere Unternehmen wie IBM, General Motors, Ford, DuPont. Die haben weit mehr zur deutschen Kriegsmaschinerie beigesteuert."

Laut Urman waren 1936 nur noch MGM, 20th Century Fox und Paramount im Geschäft mit Deutschland. 1939 erschien der erste offen gegen das Hitler Regime gerichtete US-Film: "Confessions of a Nazi-Spy." Die Zusammenarbeit zwischen Hollywood und Hitler war vorbei.

"Zusammenarbeit" mag ein effekthascherisches Wort sein. Doch selbst Kritiker geben zu: Urwand erlaubt mit bisher unveröffentlichten Dokumenten einen neuen detaillierten Einblick in die 1930er-Jahre der Hollywood-Filmgeschichte. Er provoziert auch zum Nachdenken über Geschäfte und Kollaborationen der Gegenwart. Studios lassen derzeit Drehbücher umschreiben, Rollen neu besetzen und Filmszenen streichen, um den zweitgrößten Filmmarkt der Welt zu erobern: China. So geschehen unter anderem in Iron Man III, Karate Kid und Django Unchained.


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