Hollywood goes Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt gilt ja nicht gerade als das schönste Bundesland in Deutschland. Das mag an seiner guten Infrastruktur liegen. Man fährt eben auf dem Weg nach Berlin oder München schnell über die A2 und die A9 und lässt die Orte in Sachsen-Anhalt einfach links liegen.
Dabei sollte man öfter mal verweilen, denn Sachsen-Anhalt hat viel mehr zu bieten als man denkt. Immerhin vier Weltkulturerbestätten. Die Altmark im Norden ist spröde-schön, das Burgenland im Süden lieblich. Filmemacher aus Hollywood haben dieses landschaftliche Potenzial von Sachsen-Anhalt längst erkannt. Es gibt dort aber nicht nur wunderschöne Burgen und Kirchen oder eindrucksvolle Industriebrachen, sondern in Sachsen-Anhalt steht auch eines der modernsten Kinotonstudios der Welt. Immer mehr Produzenten lassen darum ihre Filme in dem Studio in der Stadt Halle mischen. So auch der Film "The Last Station", der im September in den deutschen Kinos anläuft. Er handelt von den letzten Tagen im Leben des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi. Die meisten Schauplätze wurden übrigens nicht in Russland, sondern in Sachsen-Anhalt gedreht.
"Keep the voice down, keep the voice down”"
Wieder und wieder tönt der Satz von der riesigen Leinwand. US-Regisseur Michael Hoffman schüttelt den Kopf. Noch ist er mit dem Klang nicht zufrieden. Der Satz klingt zu präsent. Er soll subtiler wirken, weiter weg. Mit dem Mischpult vor ihm sollte das kein Problem sein. Es ist eines der modernsten in Europa, verfügt über 240 Tonkanäle und trägt das Gütesiegel "Dolby Premier Studio". Ein Prädikat, das auf der ganzen Welt nur wenige Kinotonstudios haben. Die Anlage steht aber nicht in Hollywood oder London. Sie ist Herzstück des Mitteldeutschen Multimediazentrums in Halle an der Saale. Das Technologie- und Gründerzentrum wurde vor zwei Jahren eröffnet. Inzwischen haben sich über 30 Firmen aus der Kreativwirtschaft hier niedergelassen. Und auch Hollywood klopft immer öfter an die Tür.
Das 200 Quadratmeter große Kinotonstudio liegt im Keller, ist schallisoliert und komplett schwarz verkleidet. Auf der Leinwand sieht man übergroß Hollywood-Legende Christopher Plummer. Er verkörpert Leo Tolstoi, der krank und schwach in einem schmalen Bett liegt. Der Kinofilm "The Last Station" handelt von den letzten Tagen im Leben des russischen Schriftstellers und kommt im Januar in die deutschen Kinos. Auch Oscarpreisträgerin Helen Mirren spielt mit. Für ihre Rolle als britische Königin Elizabeth II. erhielt sie vor drei Jahren die begehrte Hollywood-Auszeichnung.
Zwei Wochen hat US-Regisseur Michael Hoffman Zeit, um seinem neuesten Kinostreifen den letzten Schliff zu geben. Die Endmischung ist für uns elementar, sagt Hoffmann. Der 52-jährige US-Regisseur sitzt zum ersten Mal in dem Kinotonstudio in Halle - und ist sichtlich zufrieden mit dem, was er sieht. Modernes, sagt er, habe derzeit selbst Hollywood nicht zu bieten.
""Sachsen-Anhalt scheint wirklich sehr daran interessiert zu sein, Filmproduktionen in die Region zu locken. Und mit interessiert meine ich, dass das Land auch gewillt ist, Gelder für die Realisierung bereit zu stellen. Davon haben wir wirklich sehr profitieren können bei Last Station."
Für den Film "The Last Station" mit dem deutschen Titel "Ein russischer Sommer" steuerte die Mitteldeutsche Medienförderung 800.000 Euro bei. Zusätzlich hinterlegte das Land Sachsen-Anhalt eine Landesbürgschaft. Doch das ist nicht das Einzige, was dem US-Regisseur gefällt. Hoffman war auch von den Filmkulissen beeindruckt.
"Einem Regisseur macht es immer besonderen Spaß, wenn man an einen Ort geht, wo zuvor noch nie gedreht wurde. Du entdeckst dabei Dinge und kannst sie der Welt zeigen, die die Welt zuvor noch nicht gesehen hat."
Ein großer Teil der Drehs fand in der Dübener Heide in der Nähe von Lutherstadt Wittenberg statt. Vor allem der Bahnhof in Pretzsch hat es ihm angetan. Leo Tolstoi erkrankte während einer Bahnreise an einer Lungenentzündung und starb schließlich in einem russischen Bahnwärterhäuschen. Der Bahnhof von Pretzsch in der Nähe von Wittenberg ähnelt sehr dem Original in Russland, sagt Produzent Jens Meurer von der Produktionsfirma egoli/Tossell. Die Bahnstrecke ist zwar jeden Tag im Betrieb, für die Dreharbeiten aber wurde sie mehrere Tage lang stillgelegt. Einfach so. Solch ein Service ist nicht alltäglich, sagt Meurer.
"Das ist total aufregend für Filmemacher, das so was überhaupt geht. Und da fuhren dann unsere Dampfloks rum und da fühlten sich alle richtig wohl und sagen wir mal so mitten in Berlin geht das nicht."
Auch Hauptdarstellerin Helen Mirren, die in dem Streifen Tolstois Ehefrau spielt, war begeistert. Der Lokalpresse erzählte sie "I love it here" – "Ich liebe es hier" – und nannte Sachsen-Anhalt dann auch noch sexy. Was bei den anwesenden Journalisten zuerst zu leichten Irritationen führte und dann schließlich zu schlagkräftigen Titelzeilen. Selbst Ministerpräsident Wolfgang Böhmer zeigte sich erfreut. Das Ganze beruhte allerdings auf einem Missverständnis. Sachsen heißt im Englischen übersetzt Saxony. Hellen Mirren, erinnert sich Produzent Ingo Meurer, verstand da wohl immer nur sexy, Sexy-Anhalt eben.
Meurer: "Ich würde mal sagen, das war natürlich ein bisschen ein britischer Gag. Das war Frau Mirren durchaus bewusst, sie steht dazu. Sie lebte etliche Zeit in Bad Schmiedeberg, keiner ahnte, dass sie eine Oscar-Preisträgerin ist, sie fand die Moorpackungen gut und war da wie auf Kur, wenn sie nicht drehen musste und war ein totaler Fan. Dass ist jetzt nicht ganz Hollywood, aber Frau Mirren war glücklich dort."
Komplimente, die nicht nur Ministerpräsident Wolfgang Böhmer gerne hört, sondern auch Staatskanzleichef Rainer Robra. Der CDU-Politiker ist für die Medienpolitik des Landes zuständig. In dieser Branche hat sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan. Allein im Raum Halle gibt es inzwischen 12.000 Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft. Dazu gehören Verlage, Medien- und Designberufe und natürlich die Film- und Fernsehbranche. Dort sind mehr Menschen beschäftigt als beispielsweise in der Chemiebranche in Bitterfeld-Wolfen, betont Robra. Die Medienpolitik des Landes zahlt sich aus. Zweieinhalb Millionen Euro zahlt Sachsen-Anhalt jährlich in die Mitteldeutsche Filmförderung, an der auch Sachsen und Thüringen beteiligt sind.
Robra: "Wir achten da sehr auf die regionalen Effekte, das heißt wir legen Wert darauf, dass in allen beteiligten Bundesländern tatsächlich auch Produktionen verwirklicht werden. Im Ergebnis haben wir da die Grundvoraussetzung geschaffen, dass sich die Filmwirtschaft für den mitteldeutschen Raum interessiert. Bei uns haben zweifellos im vergangenen Jahr die spektakuläreren Drehs stattgefunden."
Filme wie "The Last Station" mit Hellen Mirren oder "Black death - Schwarzer Tod" mit Jean Bean oder "Die Päpstin" mit Johanna Wokalek, bei dem Sönke Wortmann Regie führte. Der Historienfilm, der Ende Oktober in die deutschen Kinos kommt, entstand zu großen Teilen auf der Burg Querfurt. Auch Til Schweiger ließ sich von der Burgschönheit beeindrucken. Die Komödie "Anderthalb Ritter" spielt fast ausschließlich auf der Burg. Sie ist über 1.000 Jahre alt und gehört zu den ältesten und größten Burgen im mitteldeutschen Raum. Die wunderschöne geschlossene Anlage versetzt so manchen Besucher kurzerhand ins Mittelalter, schwärmt Produzent Jens Meurer.
"Ich drehe gerne in Sachsen-Anhalt, wenn man auf dem Land ist, hat man das Gefühl, dass man tolle Landschaften vorfindet, also vom Harz bis an der Elbe. Es gibt auch guten Wein, wir kommen mit den Leuten gut klar. Wir finden auch Technik und Dienstleister vor, das vor allen Dingen in Halle, und wenn das dann noch unterstützt wird von Finanzierungsmöglichkeiten, dann ist das ein sehr guter Grund, sich dort anzusiedeln."
Jens Meurer produzierte auch den Kinofilm "Hilde", der in diesem Frühjahr für viel Aufsehen sorgte. Heike Makatsch verkörpert darin die Schauspielerin und Chansonsängerin Hildegard Knef. Auch "Hilde" wurde zu großen Teilen in Sachsen-Anhalt gedreht. In Magdeburg entdeckten die Szenebildner eine abgewrackte Brauerei. Ein Ort, wie geschaffen, um das Trümmerland Deutschland Ende der 40er-Jahre abzubilden. Die Drehgenehmigungen würden oft unkompliziert erteilt, lobt Meurer. Überhaupt seien die Menschen in Sachsen-Anhalt ausgesprochen flexibel. Staatskanzleichef Rainer Robra fühlt sich bestätigt. Das Medienkonzept des Landes gehe auf, sagt er. Selbst die Bürgermeister würden gezielt auf den Umgang mit den Filmemachern vorbereitet.
"Wir haben zum Beispiel Repräsentanten der vielen Gemeinden im Dorf und der Verwaltungsebenen speziell geschult, wie sie mit dem fahrenden Volk der Filmschaffenden umgehen sollen, und auch das erzeugt ein Echo der Produzenten und der Regisseure, die sagen, sie fühlen sich kaum irgendwo so freundlich aufgenommen, wie das in Sachsen-Anhalt ist, wenn sie in irgendeinem Dorf in der Altmark drehen."
So etwas spricht sich in der Szene schnell herum. Immer mehr Produzenten entdecken darum Sachsen-Anhalt als neues Filmland. Allerdings gibt es - wie bei jedem Geschäft - auch einen finanziellen Aspekt. In Sachsen-Anhalt bemüht man sich, anderen Bundesländern immer einen Schritt voraus zu sein. Das neue Förderinstrument Impuls existiert seit einem halben Jahr und ist bislang einzigartig in der Bundesrepublik. Denn mit Impuls können erstmals auch sogenannte immaterielle Wirtschaftsgüter wie der Kauf von Rechten oder Drehbüchern finanziert werden – und zwar mit einer Darlehenssumme von bis zu drei Millionen Euro. Ergänzend zur Mitteldeutschen Filmförderung will Sachsen-Anhalt auch eigene Darlehen anbieten, mit denen Projekte gefördert werden können. Staatskanzleichef Rainer Robra:
"Der Reiz an diesem Instrument liegt schlicht darin, dass die Möglichkeit besteht, an Liquidität zu kommen. Da ist ein Darlehen immerhin ein Baustein, der die Unternehmen in die Lage versetzt, zu ihren Hausbanken zu gehen und zu sagen, diesen Finanzierungsbaustein habe ich schon und nun Hausbank springe subsidiär und an zweiter Stelle kannst auch du mal ein Darlehen gewähren."
Dass das Programm gerade in Krisenzeiten im wahrsten Sinne des Wortes neue Impulse setzt, ist wohl eher dem Zufall zu verdanken. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wird es auch für Filmschaffende immer schwieriger, an Gelder heran zu kommen. Zwanzig Anträge liegen der Staatskanzlei inzwischen vor. Unterstützt werden aber nur Medienschaffende, die ihr Unternehmen in Sachsen-Anhalt haben, betont Rainer Robra. Solche, die beispielsweise ihren Sitz im Mitteldeutschen Medienzentrum in Halle haben - so, wie die Firma Nowtilus, schwärmt Rainer Robra.
Nowtilus – der Name steht für now, also jetzt und als Metapher für das Nautilus-U-Boot von Kapitän Nemo. Doch statt durch Ozeane zu fahren, surft Nowtilus durchs Internet. Die Idee für eine Online-Videothek hatten die drei Gründer von der Produktionsfirma Schmidtz Katze vor drei Jahren auf den Filmfestspielen in Cannes. "Als dort das Thema in den Fokus rückte, erkannten wir unsere Chance", sagt Leander Carell. Die Bereiche Kino oder DVD sind längst aufgeteilt und gesättigt. Im Internet Filme oder TV-Serien auf den Laptop herunterzuladen, diese Distributions-Variante haben die großen Konzerne bislang eher stiefmütterlich behandelt. Anderthalb Jahre lang tüftelten Softwareentwickler an dem komplizierten Programm Nowtilus. Schließlich fehlte den Gründern nur noch eine große Plattform, damit möglichst viele Internetnutzer ihr Angebot auch abfragen.
Carell: "Wir bringen Film mit Plattformen zusammen und liefern quasi die Technologie dafür, kümmern uns redaktionell um das ganze Thema und werden es damit schaffen, dass überhaupt erst einmal eine Nachfrage besteht. Und jetzt, zwei Jahre später, sind wir so Schritt für Schritt auf dem richtigen Wege, dass sich größere Player und Unternehmen dafür interessieren."
Größere Unternehmen ist ein bisschen untertrieben, denn inzwischen haben die drei Jungunternehmer einen Vertrag mit dem Weltunternehmen Microsoft unterschrieben. Mit der Nowtilus-Software startete Microsoft vor sechs Monaten seine erste kostenlose Online-Videothek in Deutschland. Bei MSN Movies sind derzeit 120 Spielfilme abrufbar, die Nowtilus zur Verfügung stellt. Leander Carell:
"Unsere Alleinstellung ist, dass wir sowohl die Inhalte mitbringen, die ganzen Filme. Und das quasi rechtlich schon alles abgeklärt haben, dass das gesichert ist. Und das wir die Technologie anbieten. Und das ist quasi eine Chance für uns, in diesen Markt reinzukommen, auch wenn wir nur ein recht kleines Unternehmen sind und nicht eine Konzernstruktur im Hintergrund haben."
Nach dem Deal mit Microsoft fragten auch andere Unternehmen bei Nowtilus an. Inzwischen bestücken die drei jungen Unternehmer auch das Internetportal My Video, eine Tochterfirma von Pro Sieben. Das Angebot ist zwar kostenlos, allerdings muss sich der Internetnutzer darauf einstellen, dass die Handlung alle zehn Minuten von einem kurzen Werbespot unterbrochen wird. Die Zielgruppe, sagt Carell, sei auch darum auch noch eher männlich und unter 30. Für einen kleinen Obolus kann man sich die Filme allerdings auch werbefrei anschauen. Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin wurden jetzt die ersten Fernsehgeräte vorgestellt, die einen Internetanschluss und einen Browser integriert haben. Wenn die den Markt erobert haben, ist sich Leander Carell sicher, interessiert sich auch der normale Fernsehnutzer für das Spielfilmangebot aus dem Internet.
"Das ist heute im Web und der nächste Schritt ist quasi, so was auf internetfähige Fernseher zu bringen. Dass ich halt ein Video-On-demand-Angebot nicht mehr nur am Laptop, am PC nutzen kann, sondern genauso von meiner Couch."
Inzwischen verfügt Nowtilus über ein Gesamtangebot von 3.000 Spielfilmen. Darunter sind Hollywood-Filme, Dokumentationen, TV-Serien. Im Businessplan steht, dass man Marktführer in Europa werden will. Hochgesteckte Ziele, die überhaupt nur denkbar sind, weil das Land Sachsen-Anhalt bei der Finanzierung und auch bei der Entstehung des Businessplans mitgeholfen hat.
Carell: "Also die Politik setzt sich hier mit an den Tisch. Wir haben hier durch die ganze Struktur, die mittlerweile hier geschaffen wurde mit dem MMZ, mit den wirklich nahen Wegen zur Politik, zur Stadt, zum Land, den super Standortvorteil."
Die Stadt Halle in Sachsen-Anhalt war bislang vor allem bekannt für Händel und die süß-klebrigen Halloren-Kugeln. Manch einer unterstellt ihr noch immer zu Unrecht, graue Diva des Ostens zu sein. In den vergangenen Jahren aber hat sich die Stadt zu einem Magneten für Filmschaffende entwickelt. Die Branche schätzt zum einen die kurzen Wege und die günstigen Produktionskosten. Eine der ersten Firmen, die sich im Multimediazentrum in Halle niedergelassen haben, ist die Metrix Media GmbH. Das Hallenser Unternehmen deckt das gesamte Spektrum der sogenannten Postproduktion ab. Dazu gehören der Schnitt, das Vertonen und das Mischen eines Films. TV-Serien wie Soko Leipzig oder Familie Dr. Kleist werden in den Hallenser Studios nachbearbeitet. Doch nicht nur hochmoderne Mischpulte sorgen hier für den guten Ton.
Peter Klinkenberg ist von Beruf Geräuschemacher. Seinen Arbeitsraum nennt der 54-jährige liebevoll Rumpelkammer, was nicht übertrieben scheint. Der etwa vier Mal vier Meter große Raum ist speziell für Geräuschsynchronaufnahmen ausgelegt. Unterschiedliche Beläge liegen auf dem Boden. Die Holzregale stoßen bis an die Decke. Überall liegen Gebrauchsgegenstände herum. Ein kaputtes Kinderfahrrad zum Beispiel, ein kaputter Lederball, durchgelaufene Lederschuhe.
Klinkenberg: "Durch bestimmte Schritttechniken kann man da schon mit einem Schuh relativ viele Geräusche machen. Also genauso den Charakter Treppe einfach hoch oder Treppe runter."
Ende der 30er-Jahre fingen Produzenten in Hollywood an, Filme nachzuvertonen, denn die authentischen Geräusche klangen nicht markant genug. In Deutschland arbeiten heute etwa 25 Geräuschemacher, schätzt Klinkenberg. Der Beruf ist allerdings kein aussterbendes Gewerbe. Im Gegenteil: Die meisten Filme und TV-Serien werden auf einer sogenannten internationalen Tonspur produziert. Geräusche und Musik werden getrennt von den Stimmen aufgenommen, so kann man problemlos den Film in unterschiedlichen Sprachen synchronisieren. Ein Geräusch, das Peter Klinkenberg nicht im Portfolio hat, gibt es nicht.
"Wir können Schiffe versenken, wir können Autounfälle bauen, auch hier mit einem bisschen Aufwand. Die Gustloff hatten wir hier gemacht. Und da hatten wir dann sehen Sie schon hier habe ich ein großes Blech, wenn der Tonmeister das je nachdem einfärbt, dann klingt das auch tiefer. Und das da, ne schöne Gabel …"
Serien sind da wesentlich leichter zu vertonen. 80 Prozent aller zu imitierenden Geräusche sind Schritte. Klinkenbergs schwarze Lederschuhe sehen reichlich abgewetzt aus. Ein silberfarbenes Klebeband hält den linken Schuh zusammen. Man lerne in dem Beruf jeden Tag dazu, sagt Klinkenberg. An einem gelungenen Sprung ins Wasser hat der Geräuschemacher jahrelang getüftelt.
"Und nachher war das beste Ergebnis eine große Mülltüte … (Atmo Zusammenknautschen …) so ich habe sie jetzt ein bisschen gefüllt und jetzt springen wir rein …"
Zurück ins Kinotonstudio. Katerina Hagen, Geschäftsführerin vom Mitteldeutschen Medienzentrum, ist mehr als erfreut, wenn bekannte Regisseure wie Michael Hoffman ihren Film in Halle an der Saale mischen. Mundpropaganda sei wichtig in diesem Geschäft, zumal Halle keinen schlechten, sondern vielmehr noch gar keinen Ruf in der Welt habe. Zu Unrecht findet die Geschäftsführerin.
"Also Halle ist nicht München, Halle ist auch nicht Berlin und wird es auch nie werden. Also wir sind nicht größenwahnsinnig hier. Aber die Firmen, die wir vor Ort haben, die können in der gleichen Liga mitspielen wie Firmen in München oder Potsdam."
Ein Kinotonstudio von dieser Qualität aber gibt es nur einmal in Deutschland. Und das steht in Halle an der Saale.
"Keep the voice down, keep the voice down”"
Wieder und wieder tönt der Satz von der riesigen Leinwand. US-Regisseur Michael Hoffman schüttelt den Kopf. Noch ist er mit dem Klang nicht zufrieden. Der Satz klingt zu präsent. Er soll subtiler wirken, weiter weg. Mit dem Mischpult vor ihm sollte das kein Problem sein. Es ist eines der modernsten in Europa, verfügt über 240 Tonkanäle und trägt das Gütesiegel "Dolby Premier Studio". Ein Prädikat, das auf der ganzen Welt nur wenige Kinotonstudios haben. Die Anlage steht aber nicht in Hollywood oder London. Sie ist Herzstück des Mitteldeutschen Multimediazentrums in Halle an der Saale. Das Technologie- und Gründerzentrum wurde vor zwei Jahren eröffnet. Inzwischen haben sich über 30 Firmen aus der Kreativwirtschaft hier niedergelassen. Und auch Hollywood klopft immer öfter an die Tür.
Das 200 Quadratmeter große Kinotonstudio liegt im Keller, ist schallisoliert und komplett schwarz verkleidet. Auf der Leinwand sieht man übergroß Hollywood-Legende Christopher Plummer. Er verkörpert Leo Tolstoi, der krank und schwach in einem schmalen Bett liegt. Der Kinofilm "The Last Station" handelt von den letzten Tagen im Leben des russischen Schriftstellers und kommt im Januar in die deutschen Kinos. Auch Oscarpreisträgerin Helen Mirren spielt mit. Für ihre Rolle als britische Königin Elizabeth II. erhielt sie vor drei Jahren die begehrte Hollywood-Auszeichnung.
Zwei Wochen hat US-Regisseur Michael Hoffman Zeit, um seinem neuesten Kinostreifen den letzten Schliff zu geben. Die Endmischung ist für uns elementar, sagt Hoffmann. Der 52-jährige US-Regisseur sitzt zum ersten Mal in dem Kinotonstudio in Halle - und ist sichtlich zufrieden mit dem, was er sieht. Modernes, sagt er, habe derzeit selbst Hollywood nicht zu bieten.
""Sachsen-Anhalt scheint wirklich sehr daran interessiert zu sein, Filmproduktionen in die Region zu locken. Und mit interessiert meine ich, dass das Land auch gewillt ist, Gelder für die Realisierung bereit zu stellen. Davon haben wir wirklich sehr profitieren können bei Last Station."
Für den Film "The Last Station" mit dem deutschen Titel "Ein russischer Sommer" steuerte die Mitteldeutsche Medienförderung 800.000 Euro bei. Zusätzlich hinterlegte das Land Sachsen-Anhalt eine Landesbürgschaft. Doch das ist nicht das Einzige, was dem US-Regisseur gefällt. Hoffman war auch von den Filmkulissen beeindruckt.
"Einem Regisseur macht es immer besonderen Spaß, wenn man an einen Ort geht, wo zuvor noch nie gedreht wurde. Du entdeckst dabei Dinge und kannst sie der Welt zeigen, die die Welt zuvor noch nicht gesehen hat."
Ein großer Teil der Drehs fand in der Dübener Heide in der Nähe von Lutherstadt Wittenberg statt. Vor allem der Bahnhof in Pretzsch hat es ihm angetan. Leo Tolstoi erkrankte während einer Bahnreise an einer Lungenentzündung und starb schließlich in einem russischen Bahnwärterhäuschen. Der Bahnhof von Pretzsch in der Nähe von Wittenberg ähnelt sehr dem Original in Russland, sagt Produzent Jens Meurer von der Produktionsfirma egoli/Tossell. Die Bahnstrecke ist zwar jeden Tag im Betrieb, für die Dreharbeiten aber wurde sie mehrere Tage lang stillgelegt. Einfach so. Solch ein Service ist nicht alltäglich, sagt Meurer.
"Das ist total aufregend für Filmemacher, das so was überhaupt geht. Und da fuhren dann unsere Dampfloks rum und da fühlten sich alle richtig wohl und sagen wir mal so mitten in Berlin geht das nicht."
Auch Hauptdarstellerin Helen Mirren, die in dem Streifen Tolstois Ehefrau spielt, war begeistert. Der Lokalpresse erzählte sie "I love it here" – "Ich liebe es hier" – und nannte Sachsen-Anhalt dann auch noch sexy. Was bei den anwesenden Journalisten zuerst zu leichten Irritationen führte und dann schließlich zu schlagkräftigen Titelzeilen. Selbst Ministerpräsident Wolfgang Böhmer zeigte sich erfreut. Das Ganze beruhte allerdings auf einem Missverständnis. Sachsen heißt im Englischen übersetzt Saxony. Hellen Mirren, erinnert sich Produzent Ingo Meurer, verstand da wohl immer nur sexy, Sexy-Anhalt eben.
Meurer: "Ich würde mal sagen, das war natürlich ein bisschen ein britischer Gag. Das war Frau Mirren durchaus bewusst, sie steht dazu. Sie lebte etliche Zeit in Bad Schmiedeberg, keiner ahnte, dass sie eine Oscar-Preisträgerin ist, sie fand die Moorpackungen gut und war da wie auf Kur, wenn sie nicht drehen musste und war ein totaler Fan. Dass ist jetzt nicht ganz Hollywood, aber Frau Mirren war glücklich dort."
Komplimente, die nicht nur Ministerpräsident Wolfgang Böhmer gerne hört, sondern auch Staatskanzleichef Rainer Robra. Der CDU-Politiker ist für die Medienpolitik des Landes zuständig. In dieser Branche hat sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan. Allein im Raum Halle gibt es inzwischen 12.000 Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft. Dazu gehören Verlage, Medien- und Designberufe und natürlich die Film- und Fernsehbranche. Dort sind mehr Menschen beschäftigt als beispielsweise in der Chemiebranche in Bitterfeld-Wolfen, betont Robra. Die Medienpolitik des Landes zahlt sich aus. Zweieinhalb Millionen Euro zahlt Sachsen-Anhalt jährlich in die Mitteldeutsche Filmförderung, an der auch Sachsen und Thüringen beteiligt sind.
Robra: "Wir achten da sehr auf die regionalen Effekte, das heißt wir legen Wert darauf, dass in allen beteiligten Bundesländern tatsächlich auch Produktionen verwirklicht werden. Im Ergebnis haben wir da die Grundvoraussetzung geschaffen, dass sich die Filmwirtschaft für den mitteldeutschen Raum interessiert. Bei uns haben zweifellos im vergangenen Jahr die spektakuläreren Drehs stattgefunden."
Filme wie "The Last Station" mit Hellen Mirren oder "Black death - Schwarzer Tod" mit Jean Bean oder "Die Päpstin" mit Johanna Wokalek, bei dem Sönke Wortmann Regie führte. Der Historienfilm, der Ende Oktober in die deutschen Kinos kommt, entstand zu großen Teilen auf der Burg Querfurt. Auch Til Schweiger ließ sich von der Burgschönheit beeindrucken. Die Komödie "Anderthalb Ritter" spielt fast ausschließlich auf der Burg. Sie ist über 1.000 Jahre alt und gehört zu den ältesten und größten Burgen im mitteldeutschen Raum. Die wunderschöne geschlossene Anlage versetzt so manchen Besucher kurzerhand ins Mittelalter, schwärmt Produzent Jens Meurer.
"Ich drehe gerne in Sachsen-Anhalt, wenn man auf dem Land ist, hat man das Gefühl, dass man tolle Landschaften vorfindet, also vom Harz bis an der Elbe. Es gibt auch guten Wein, wir kommen mit den Leuten gut klar. Wir finden auch Technik und Dienstleister vor, das vor allen Dingen in Halle, und wenn das dann noch unterstützt wird von Finanzierungsmöglichkeiten, dann ist das ein sehr guter Grund, sich dort anzusiedeln."
Jens Meurer produzierte auch den Kinofilm "Hilde", der in diesem Frühjahr für viel Aufsehen sorgte. Heike Makatsch verkörpert darin die Schauspielerin und Chansonsängerin Hildegard Knef. Auch "Hilde" wurde zu großen Teilen in Sachsen-Anhalt gedreht. In Magdeburg entdeckten die Szenebildner eine abgewrackte Brauerei. Ein Ort, wie geschaffen, um das Trümmerland Deutschland Ende der 40er-Jahre abzubilden. Die Drehgenehmigungen würden oft unkompliziert erteilt, lobt Meurer. Überhaupt seien die Menschen in Sachsen-Anhalt ausgesprochen flexibel. Staatskanzleichef Rainer Robra fühlt sich bestätigt. Das Medienkonzept des Landes gehe auf, sagt er. Selbst die Bürgermeister würden gezielt auf den Umgang mit den Filmemachern vorbereitet.
"Wir haben zum Beispiel Repräsentanten der vielen Gemeinden im Dorf und der Verwaltungsebenen speziell geschult, wie sie mit dem fahrenden Volk der Filmschaffenden umgehen sollen, und auch das erzeugt ein Echo der Produzenten und der Regisseure, die sagen, sie fühlen sich kaum irgendwo so freundlich aufgenommen, wie das in Sachsen-Anhalt ist, wenn sie in irgendeinem Dorf in der Altmark drehen."
So etwas spricht sich in der Szene schnell herum. Immer mehr Produzenten entdecken darum Sachsen-Anhalt als neues Filmland. Allerdings gibt es - wie bei jedem Geschäft - auch einen finanziellen Aspekt. In Sachsen-Anhalt bemüht man sich, anderen Bundesländern immer einen Schritt voraus zu sein. Das neue Förderinstrument Impuls existiert seit einem halben Jahr und ist bislang einzigartig in der Bundesrepublik. Denn mit Impuls können erstmals auch sogenannte immaterielle Wirtschaftsgüter wie der Kauf von Rechten oder Drehbüchern finanziert werden – und zwar mit einer Darlehenssumme von bis zu drei Millionen Euro. Ergänzend zur Mitteldeutschen Filmförderung will Sachsen-Anhalt auch eigene Darlehen anbieten, mit denen Projekte gefördert werden können. Staatskanzleichef Rainer Robra:
"Der Reiz an diesem Instrument liegt schlicht darin, dass die Möglichkeit besteht, an Liquidität zu kommen. Da ist ein Darlehen immerhin ein Baustein, der die Unternehmen in die Lage versetzt, zu ihren Hausbanken zu gehen und zu sagen, diesen Finanzierungsbaustein habe ich schon und nun Hausbank springe subsidiär und an zweiter Stelle kannst auch du mal ein Darlehen gewähren."
Dass das Programm gerade in Krisenzeiten im wahrsten Sinne des Wortes neue Impulse setzt, ist wohl eher dem Zufall zu verdanken. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wird es auch für Filmschaffende immer schwieriger, an Gelder heran zu kommen. Zwanzig Anträge liegen der Staatskanzlei inzwischen vor. Unterstützt werden aber nur Medienschaffende, die ihr Unternehmen in Sachsen-Anhalt haben, betont Rainer Robra. Solche, die beispielsweise ihren Sitz im Mitteldeutschen Medienzentrum in Halle haben - so, wie die Firma Nowtilus, schwärmt Rainer Robra.
Nowtilus – der Name steht für now, also jetzt und als Metapher für das Nautilus-U-Boot von Kapitän Nemo. Doch statt durch Ozeane zu fahren, surft Nowtilus durchs Internet. Die Idee für eine Online-Videothek hatten die drei Gründer von der Produktionsfirma Schmidtz Katze vor drei Jahren auf den Filmfestspielen in Cannes. "Als dort das Thema in den Fokus rückte, erkannten wir unsere Chance", sagt Leander Carell. Die Bereiche Kino oder DVD sind längst aufgeteilt und gesättigt. Im Internet Filme oder TV-Serien auf den Laptop herunterzuladen, diese Distributions-Variante haben die großen Konzerne bislang eher stiefmütterlich behandelt. Anderthalb Jahre lang tüftelten Softwareentwickler an dem komplizierten Programm Nowtilus. Schließlich fehlte den Gründern nur noch eine große Plattform, damit möglichst viele Internetnutzer ihr Angebot auch abfragen.
Carell: "Wir bringen Film mit Plattformen zusammen und liefern quasi die Technologie dafür, kümmern uns redaktionell um das ganze Thema und werden es damit schaffen, dass überhaupt erst einmal eine Nachfrage besteht. Und jetzt, zwei Jahre später, sind wir so Schritt für Schritt auf dem richtigen Wege, dass sich größere Player und Unternehmen dafür interessieren."
Größere Unternehmen ist ein bisschen untertrieben, denn inzwischen haben die drei Jungunternehmer einen Vertrag mit dem Weltunternehmen Microsoft unterschrieben. Mit der Nowtilus-Software startete Microsoft vor sechs Monaten seine erste kostenlose Online-Videothek in Deutschland. Bei MSN Movies sind derzeit 120 Spielfilme abrufbar, die Nowtilus zur Verfügung stellt. Leander Carell:
"Unsere Alleinstellung ist, dass wir sowohl die Inhalte mitbringen, die ganzen Filme. Und das quasi rechtlich schon alles abgeklärt haben, dass das gesichert ist. Und das wir die Technologie anbieten. Und das ist quasi eine Chance für uns, in diesen Markt reinzukommen, auch wenn wir nur ein recht kleines Unternehmen sind und nicht eine Konzernstruktur im Hintergrund haben."
Nach dem Deal mit Microsoft fragten auch andere Unternehmen bei Nowtilus an. Inzwischen bestücken die drei jungen Unternehmer auch das Internetportal My Video, eine Tochterfirma von Pro Sieben. Das Angebot ist zwar kostenlos, allerdings muss sich der Internetnutzer darauf einstellen, dass die Handlung alle zehn Minuten von einem kurzen Werbespot unterbrochen wird. Die Zielgruppe, sagt Carell, sei auch darum auch noch eher männlich und unter 30. Für einen kleinen Obolus kann man sich die Filme allerdings auch werbefrei anschauen. Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin wurden jetzt die ersten Fernsehgeräte vorgestellt, die einen Internetanschluss und einen Browser integriert haben. Wenn die den Markt erobert haben, ist sich Leander Carell sicher, interessiert sich auch der normale Fernsehnutzer für das Spielfilmangebot aus dem Internet.
"Das ist heute im Web und der nächste Schritt ist quasi, so was auf internetfähige Fernseher zu bringen. Dass ich halt ein Video-On-demand-Angebot nicht mehr nur am Laptop, am PC nutzen kann, sondern genauso von meiner Couch."
Inzwischen verfügt Nowtilus über ein Gesamtangebot von 3.000 Spielfilmen. Darunter sind Hollywood-Filme, Dokumentationen, TV-Serien. Im Businessplan steht, dass man Marktführer in Europa werden will. Hochgesteckte Ziele, die überhaupt nur denkbar sind, weil das Land Sachsen-Anhalt bei der Finanzierung und auch bei der Entstehung des Businessplans mitgeholfen hat.
Carell: "Also die Politik setzt sich hier mit an den Tisch. Wir haben hier durch die ganze Struktur, die mittlerweile hier geschaffen wurde mit dem MMZ, mit den wirklich nahen Wegen zur Politik, zur Stadt, zum Land, den super Standortvorteil."
Die Stadt Halle in Sachsen-Anhalt war bislang vor allem bekannt für Händel und die süß-klebrigen Halloren-Kugeln. Manch einer unterstellt ihr noch immer zu Unrecht, graue Diva des Ostens zu sein. In den vergangenen Jahren aber hat sich die Stadt zu einem Magneten für Filmschaffende entwickelt. Die Branche schätzt zum einen die kurzen Wege und die günstigen Produktionskosten. Eine der ersten Firmen, die sich im Multimediazentrum in Halle niedergelassen haben, ist die Metrix Media GmbH. Das Hallenser Unternehmen deckt das gesamte Spektrum der sogenannten Postproduktion ab. Dazu gehören der Schnitt, das Vertonen und das Mischen eines Films. TV-Serien wie Soko Leipzig oder Familie Dr. Kleist werden in den Hallenser Studios nachbearbeitet. Doch nicht nur hochmoderne Mischpulte sorgen hier für den guten Ton.
Peter Klinkenberg ist von Beruf Geräuschemacher. Seinen Arbeitsraum nennt der 54-jährige liebevoll Rumpelkammer, was nicht übertrieben scheint. Der etwa vier Mal vier Meter große Raum ist speziell für Geräuschsynchronaufnahmen ausgelegt. Unterschiedliche Beläge liegen auf dem Boden. Die Holzregale stoßen bis an die Decke. Überall liegen Gebrauchsgegenstände herum. Ein kaputtes Kinderfahrrad zum Beispiel, ein kaputter Lederball, durchgelaufene Lederschuhe.
Klinkenberg: "Durch bestimmte Schritttechniken kann man da schon mit einem Schuh relativ viele Geräusche machen. Also genauso den Charakter Treppe einfach hoch oder Treppe runter."
Ende der 30er-Jahre fingen Produzenten in Hollywood an, Filme nachzuvertonen, denn die authentischen Geräusche klangen nicht markant genug. In Deutschland arbeiten heute etwa 25 Geräuschemacher, schätzt Klinkenberg. Der Beruf ist allerdings kein aussterbendes Gewerbe. Im Gegenteil: Die meisten Filme und TV-Serien werden auf einer sogenannten internationalen Tonspur produziert. Geräusche und Musik werden getrennt von den Stimmen aufgenommen, so kann man problemlos den Film in unterschiedlichen Sprachen synchronisieren. Ein Geräusch, das Peter Klinkenberg nicht im Portfolio hat, gibt es nicht.
"Wir können Schiffe versenken, wir können Autounfälle bauen, auch hier mit einem bisschen Aufwand. Die Gustloff hatten wir hier gemacht. Und da hatten wir dann sehen Sie schon hier habe ich ein großes Blech, wenn der Tonmeister das je nachdem einfärbt, dann klingt das auch tiefer. Und das da, ne schöne Gabel …"
Serien sind da wesentlich leichter zu vertonen. 80 Prozent aller zu imitierenden Geräusche sind Schritte. Klinkenbergs schwarze Lederschuhe sehen reichlich abgewetzt aus. Ein silberfarbenes Klebeband hält den linken Schuh zusammen. Man lerne in dem Beruf jeden Tag dazu, sagt Klinkenberg. An einem gelungenen Sprung ins Wasser hat der Geräuschemacher jahrelang getüftelt.
"Und nachher war das beste Ergebnis eine große Mülltüte … (Atmo Zusammenknautschen …) so ich habe sie jetzt ein bisschen gefüllt und jetzt springen wir rein …"
Zurück ins Kinotonstudio. Katerina Hagen, Geschäftsführerin vom Mitteldeutschen Medienzentrum, ist mehr als erfreut, wenn bekannte Regisseure wie Michael Hoffman ihren Film in Halle an der Saale mischen. Mundpropaganda sei wichtig in diesem Geschäft, zumal Halle keinen schlechten, sondern vielmehr noch gar keinen Ruf in der Welt habe. Zu Unrecht findet die Geschäftsführerin.
"Also Halle ist nicht München, Halle ist auch nicht Berlin und wird es auch nie werden. Also wir sind nicht größenwahnsinnig hier. Aber die Firmen, die wir vor Ort haben, die können in der gleichen Liga mitspielen wie Firmen in München oder Potsdam."
Ein Kinotonstudio von dieser Qualität aber gibt es nur einmal in Deutschland. Und das steht in Halle an der Saale.