Holger Geisler

"Ein Jeside ist eigentlich mit sich und der Welt zufrieden"

Der Sprecher des Zentralrates der Jesiden in Deutschland, Holger Geisler.
Der Sprecher des Zentralrates der Jesiden in Deutschland, Holger Geisler. © Deutschlandradio - Andreas Buron
Holger Geisler im Gespräch mit Klaus Pokatzky · 15.08.2016
Der Sprecher des Zentralrates der Jesiden in Deutschland ist unermüdlich unterwegs, um über das Schicksal der verfolgten Religionsgemeinschaft zu informieren. "Heimat ist Heimat. Das Beste wäre, wenn die Jesiden ihre Zukunft dort hätten", sagt Geisler.
Lange war das Schicksal der Jesiden weltpolitisch unbeachtet. Dann kam der 3. August 2014: Die IS-Miliz überfiel jesidische Dörfer im Nordirak, tötete 3000 Männer und verschleppte 5000 Frauen und Kinder. Wer konnte, floh ins nahe Sindschar-Gebirge; dort mussten die Verfolgten tagelang bei glühender Hitze ohne Versorgung ausharren – die Bilder gingen um die Welt.
Holger Geisler versucht, den geflüchteten Jesiden zu helfen, auch in Deutschland. Er selbst ist kein Jeside, sondern Christ. Seine Faszination für die Jesiden begann mit den ersten Kontakten.
"Ein Jeside ist eigentlich ein Mensch, der mit sich und der Welt zufrieden ist," sagt Geisler. Dies habe mit dem Glauben der Jesiden zu tun, der einen Gott, aber keinen Teufel kennt: "Es gibt keinen bösen Gegenspieler wie in anderen Weltreligionen. Man wird dazu erzogen, selbstverantwortlich für sein Handeln zu sein. Das ist das ganz Besondere."

Verbrechen sind als Genozid anerkannt

Der Sprecher des Zentralrates der Jesiden in Deutschland ist unermüdlich unterwegs, um über das Schicksal der Religionsgemeinschaft zu informieren. Dass die Verbrechen an den Jesiden mittlerweile als Genozid anerkannt werden, sei es bei der Uno oder der EU, müsse praktische Folgen für die Überlebenden haben. "Niemand hat etwas davon, wenn von der UNO etwas beschlossen wird und dann nicht ein einziger Cent extra fließt. Diese Menschen, die seit Jahrzehnten verfolgt werden, brauchen eine Zukunft."
Um den Jesiden, denen es gelungen ist, ihren Mördern zu entkommen, zu helfen, brauche es mehr Fantasie – und Realitätssinn. "Heimat ist Heimat. Das Beste wäre, wenn die Jesiden ihre Zukunft dort hätten. Aber wenn das nicht funktioniert, dann muss etwas in den reichen Ländern passieren. Deutschland muss bereit sein, Menschen aufzunehmen." Denn:
"Starke Schultern müssen den Schwächeren helfen" lautet Holger Geislers Wahlspruch, der ihn auch in den 90er-Jahren dazu bewegte, Aids-Kranke in Ostafrika zu betreuen.
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