Holger Dreissigs "Verwaltungsperformance"

Abschluss eines Großprojekts

Ein Amtsstube im Verwaltungsgericht in Berlin-Moabit.
Der Münchner Theatermacher Holger Dreissig hat sich in seiner langjährigen Performance mit Dingen befasst, die sich nicht verwalten lassen - zum Beispiel der Tod und Geschlechterdifferenzen. © picture alliance / ZB
Von Christoph Leibold · 17.01.2015
Nach 23 Jahren schließt der Regisseur Holger Dreissig seine Reihe "Verwaltungsperformance" ab. Darin erforscht er, was sich nicht kontrollieren lässt. Im finalen Stück, das am Münchner Theater i-camp gezeigt wird, geht's um die Zukunft.
Da taucht einer zu Anfang der 1990er-Jahre ein in eine künstlerische Idee, aus der er erst jetzt, bald ein Viertel Jahrhundert später, wieder auftaucht. Holger Dreissig war Mitte 20, als ihm die Idee zu seiner groß angelegten Verwaltungsperformance kam.
"Das war beim Schwimmen in Kalabrien im Meer, da stand das plötzlich vor mir: 24 Stunden zu machen zum Thema Verwaltung. Aber nur die ersten beiden Stunden haben in Verwaltungswelten gespielt, dann haben wir das Büro verlassen und haben uns auf einen Betriebsausflug gemacht, von dem wir nicht mehr zurückgekommen sind, um uns darum zu kümmern, was sich nicht verwalten lässt."
Die Themen: Tod, Drogen, 11. September, Schizophrenie
24 Abende, Stunden genannt, jedes Jahr eine Stunde, eine Performance. Das bedarf eines langen Atems. Nicht der Rede wert, sagt Holger Dreissig.
"Ich kenn das von mir, dass ich das, was ich mach‘, auch durchzieh!"
Mit der Kondition eines Langstreckenschwimmers, vielleicht auch der Sturheit eines Bürokraten hat sich Dreissig unterwegs durch die Stationen seiner Verwaltungsperformance – je nach Folge – mal mit dem Tod befasst, mal mit Drogen, mit dem 11.September, mit Schizophrenie oder Geschlechterdifferenzen. Jetzt, nach 24 Stunden, am Ende des Tages sozusagen, ist er, nein, nicht in der Gegenwart, sondern beim Thema Zukunft angekommen, die viele freilich nachtschwarz-düster sehen.
"Es fällt uns ganz leicht, irgendwas schlecht zu machen und schwarz zu sehen, so sind viele Menschen unterwegs, aber man sieht auch starke Gegenbewegungen. Also viele Menschen, die verstehen, dass es nichts bringt, schwarz zu sehen. Dann bewegt sich nichts weiter."
Abschluss der Reihe mit Katastrophen-Szenarien
An die Zukunft zu glauben, sagt Holger Dreissig, hat nichts mit unverbesserlichem Optimismus zu tun. Vielmehr schwimmt er an gegen den dystopisch denkenden Mainstream, der sich dem vermeintlich unveränderbaren Lauf der Welt fügt.

Im letzten Teil seiner Performance zitiert Holger Dreissig Katastrophen- und Science-Fiction-Szenarien, mit Darstellern in Schutzanzügen wie im Ebola-Einsatz oder unter Gorilla-Masken, als käme sie geradewegs vom Planet der Affen. Aber auch eine Schwangere ist dabei, die "froher Erwartung" ist und ein Mann, der als Übersetzer afrikanischen Flüchtlingen im Kampf mit der Bürokratie um eine bessere Zukunft geholfen hat.
Eines lässt sich jetzt schon sagen, zitiert er den Titel des Abends, eines lässt sich jetzt schon sagen: Es ist nie zu spät. So eindeutig diese Botschaft ist, so vielfältig und zu unterschiedlichsten Assoziationen einladend sind die Bilder und Szenen, die Holger Dreissig entworfen hat.
"Ich komm' aus der bildenden Kunst und hab sehr schnell gemerkt, dass es mich mehr interessiert als alleine im Atelier zu pinseln mit Menschen zusammenzuarbeiten. Und Theater ist für mich der geeignete Ort, alle Künste zusammenzubringen, also dass sie in ihrer ganzen Vielfalt, in ihrer Multiperspektivität zu sehen sind."
Neues Projekt geplant: "Der Tag danach"
Am Ende seiner Verwaltungsperformance angekommen, blickt Holger Dreissig nicht zurück, mit Wehmut, Stolz oder Erleichterung, dass es geschafft ist – auch das Ringen um Fördergelder, das viel Verwaltungsarbeit erfordert hat. Dreissig schaut nach vorn: arbeitet mit dem Think Tank des Architekten Rem Koolhaas zusammen und mit Londoner Ausstellungsmachern bei einer Science-Fiction-Schau. Und hat neue Theaterpläne:
"Das Projekt wird heißen: 'Der Tag danach'. Jetzt sind 24 Stunden um und dann gibt es den Tag danach zu machen. Und da wird's um ganz andere Dinge gehen. Da möchte ich eben genau untersuchen: Was kann Kunst tatsächlich ändern?"
Zeit einzutauchen in neue Ideen.