Hohenzollern-Debatte

Historiker kritisieren Entschädigungsforderungen

05:48 Minuten
Blick auf das Schloss Cecilienhof in Potsdam. Im Vordergrund raken Äste ins Bild.
Bei den Entschädigungsforderungen der Hohenzollern geht es auch um das Schloss Cecilienhof in Potsdam. © Imago / Jürgen Ritter
Von Christoph D. Richter · 03.02.2021
Audio herunterladen
Seit 2014 verhandeln der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg über eine Einigung in der sogenannten Hohenzollern-Debatte. Aufgrund der historischen Quellenlage bezweifeln Historiker wie Stephan Malinowski die Rechtmäßigkeit der Forderungsansprüche.
Unter der Überschrift "Keine Sonderrechte für den Adel" waren am Mittwoch Juristen, Historiker und Historikerinnen in die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu einem öffentlichen Fachgespräch eingeladen. Konkret ist es – man muss sagen: erneut – um die Frage gegangen, ob Kronprinz Wilhelm von Preußen dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet habe. Bedeutsam, wenn es um den Anspruch der Hohenzollern auf Entschädigungsleistungen geht.
Für den eingeladenen, in Edinburgh lehrenden Historiker Stephan Malinowski ist die Sachlage mehr als klar. Anhand zahlreicher Quellen belegt er die Versuche des Kronprinzen, Bündnisse mit nationalsozialistischen Gruppierungen herzustellen, die in großer und dicht dokumentierter Stetigkeit verliefen und so mithalfen beim Aufstieg Hitlers.
"Werde jedem in die Fresse hauen, der sich gegen die Hitler-Regierung stellen werde."
So die Zeilen eines Briefs des Kronprinzen an seinen Freund, den Oberst von Bredow. Letztlich sei der Kronprinz Wilhelm von Preußen, etwas zugespitzt formuliert, ein williger Gehilfe Hitlers und des NS-Regimes gewesen und daher von Entschädigungen auszuschließen. Aus dem Kronprinzen einen NS-Gegner zu machen, sei unvereinbar mit der Quellenlage, so Malinowski weiter.

"Und wenn die Gesamtheit dieses Verhaltens nicht als Unterstützung des NS-Regimes gelten soll, dann wäre zu fragen, wie in der Geschichtswissenschaft in Zukunft 'Unterstützung des NS-Regimes' überhaupt noch sinnvoll zu diskutieren wäre."


Der Kern der Auseinandersetzung ist die sogenannte "Unwürdigkeitsklausel". Damit sollen Personen oder deren Erben, die dem NS-System erheblich zugearbeitet hatten, von Ausgleichszahlungen ausgeschlossen werden, so steht es im Ausgleichsleistungsgesetz von 1994.
Sollte dies bejaht werden, hätten die Hohenzollern keinerlei Recht auf Entschädigung für verlorene – enteignete – Immobilien wie Schloss Cecilienhof oder Schloss Rheinsberg. Sie hätten auch kein Recht auf die Rückgabe von wertvollen Gemälden, edlem Schmuck oder kostbarem Inventar.
Nach Ansicht des in Marburg lehrenden Historikers Eckart Conze gebe es innerhalb der Wissenschaft dazu überhaupt keinen Dissens, das sei weitgehend Konsens.
"Selbst Christopher Clark aus Cambridge, der 2011 eines dieser Gutachten – eines im Auftrag der Hohenzollern – verfasst hat und seitdem als Kronzeuge der Hohenzollern galt, ist zwischenzeitlich von seinen damaligen Positionen abgerückt."

Fakten bezüglich der Rolle des Kronprinzen verdichten sich

Deutlich wird: Die bekannten Fakten bezüglich der Rolle des Kronprinzen Wilhelm von Preußen verdichten sich. Entlastende Argumente, dass er dem Nationalsozialismus "keinen erheblichen Vorschub" geleistet habe, rücken weiter in die Ferne. Das Gutachten von Wolfram Pyta, dem Leiter der Abteilung Neuere Geschichte an der Uni Stuttgart, der dem Kronprinz Wilhelm attestiert, dem NS-System keinen Vorschub geleistet zu haben, nennt Conze "abenteuerlich".
Angesprochen auf die "Unwürdigkeitsklausel", die Täter des NS-Regimes von einer Entschädigungsleistung ausschließt, sagt Marietta Auer vom Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt am Main, sei keine "juristische Zumutung". Man dürfe Täter letztlich nicht belohnen, ergänzt Auer.
"Der Gedanke ist, wer einen Schaden angerichtet hat, soll nicht von dem selbst angerichteten Schaden profitieren."


Natürlich ging es beim Fachgespräch auch um das juristische Agieren der Anwälte von Georg Friedrich Prinz von Preußen. Die Unterlassungsforderungen wegen "falscher Tatsachenbehauptung" haben "Einschüchterungswirkungen", sagt Juristin Sophie Schönberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Düsseldorf, eine der Expertinnen des heutigen Fachgesprächs.
Wilhelm, Prinz von Preußen und Kronprinz des Deutschen Reiches um 1910.
Kronprinz Wilhelm von Preußen: „Werde jedem in die Fresse hauen, der sich gegen die Hitler-Regierung stellen werde.“© picture alliance/dpa/akg-images
"Das führt aber dazu, dass man jetzt bei jeder Ungenauigkeit genau überlegen muss: Habe ich so präzise formuliert, dass ich wirklich unangreifbar bin? Und da fängt die Schere im Kopf an. Und das ist genau das, was auch ganz klar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht sein darf, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht über die Zivilgerichte derart missbraucht wird, um letztlich ein Klima zu schaffen, in dem man sich nicht mehr frei fühlt, seine Meinung frei von der Leber weg zu äußern."

Anwälte gehen gegen Volksbegehren vor

Die neueste Entwicklung: Wenige Tage vor dem Ende des Volksbegehrens der Brandenburger Linkspartei "Keine Geschenke den Hohenzollern" gehen Anwälte von Georg Friedrich Prinz von Preußen mit einer Unterlassungsforderung gegen die Volksinitiative vor.
"Weil auf dem Blatt, auf dem man seine Unterschrift leisten kann, eine vermeintliche Falschaussage steht. Das heißt, da werden auf einmal sogar demokratische Verfahren im Wege von Unterlassungsaufforderungen angegriffen."
Ein Sprecher der Hohenzollern schreibt dazu in einer Mail an Deutschlandfunk Kultur, dass Georg Friedrich Prinz von Preußen darauf Wert lege, "dass er zu keinem Zeitpunkt versucht hat, das Volksbegehren der Linken in Brandenburg anzugreifen". Dass man "selbstverständlich den Ausgang des demokratisch legitimierten Verfahrens akzeptieren" werde.
Mehr zum Thema