Hoffnungslos in Aserbaidschan

Von Heide Rasche · 18.04.2013
Obwohl der Wahlkampf in Aserbaidschan offiziell noch gar nicht begonnen hat, gehen Sicherheitskräfte schon jetzt mit Gewalt und Einschüchterung gegen die Opposition und Regimekritiker vor. Unterstützung erhoffen sich Aktivisten aus dem Ausland.
Demo Baku Polizeieinsatz

Vor einem Monat in der Innenstadt der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku: Hunderte Menschen demonstrieren friedlich gegen die Gewalt an Rekruten in der Armee. Sie halten Fotos hoch von ihren Söhnen, Brüdern, Freunden. Menschenrechtlern zufolge starben im vergangenen Jahr mehr als 70 junge Wehrpflichtige. Die Polizei geht mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Zahlreiche Menschen werden festgenommen und in Schnellverfahren zu Geldstrafen von umgerechnet 500 Euro verurteilt.

Die Unzufriedenheit in Aserbaidschan wächst, immer wieder gehen die Menschen auf die Straße, demonstrieren, obwohl die Protestaktionen nicht genehmigt sind. Seit Jahren lässt die Regierung keine Demonstration in der Innenstadt von Baku zu. Wenn überhaupt, so bemängeln Regierungskritiker, gebe es eine Genehmigung für Protestaktionen am Rande der Innenstadt, unerreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln und abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Trotzdem, die Aserbaidschaner demonstrieren, gegen Behördenwillkür, Korruption, gegen soziale Missstände, berichtet Mubariz Rahimli.

Mubariz Rahimli von "People fed up": "Die Menschen wollen einfach Veränderungen. Die Menschen haben die Nase voll von dem System, in dem die meisten Minister mehr als 15 Jahre auf ihren Stühlen sitzen. Das alles hängt mit dem politischen System zusammen."

Hatten die Sicherheitskräfte anfangs noch besonnen auf die wachsende Protestbereitschaft reagiert, greifen sie inzwischen energisch durch. Nicht nur bei Demonstrationen, sagt Giorgi Gogia von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch

"Die Situation hat sich ein den vergangenen Monaten verschlechtert. Tatsächlich vergeht kaum ein Tag, an dem ich nichts höre über neue Festnahmen, oder Probleme für NGO oder neue Regeln, die letzten Endes die fundamentalen Freiheiten einschränken. Wir sehen die Tendenz der Machthaber, vor allem jugendliche Aktivisten ins Visier zu nehmen."

Es trifft vor allem Blogger und junge Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung NIDA. Ihnen werfen die Behörden vor, via Internet zur Revolution aufgerufen zu haben. Bei Durchsuchungen habe man Waffen und Molotowcocktails bei ihnen gefunden. Menschenrechtler gehen davon aus, dass diese Beweise nur vorgeschoben wurden, um Regierungskritiker mundtot zu machen. Giorgi Gogia von Human Rights Watch:

"Selbst wenn der Wahlkampf noch nicht angefangen hat, könnte es sein, dass die Regierung versucht, jede friedliche Meinungsäußerung zum Schweigen zu bringen und die Regeln zu verschärfen. Das bedeutet, wenn der Wahlkampf dann beginnt, sind die fundamentalen Rechte beschränkt, und die Leute können nicht mehr frei protestieren."

Unklar ist bislang, ob tatsächlich alle Präsidentschaftskandidaten zur Wahl im Oktober antreten können. Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Ilgar Mammadov von der Republikanischen Alternative, sitzt bereits seit zwei Monaten in Untersuchungshaft. Er soll Ende Januar im Norden des Landes Massenunruhen organisiert haben. Die EU protestierte kurz nach der Verhaftung, mehr wurde zumindest offiziell nicht publik. Aserbaidschanische Regierungskritiker wie der Blogger Ravil Asadov sind enttäuscht.

"Es ist gut, dass sie noch etwas Einfluss haben. Wenn es die Europäische Union oder Human Rights Watch nicht gäbe, also wenn es überhaupt keine Opposition von außerhalb des Landes gegen die Regierung gäbe, gegen die Ungerechtigkeit der Regierung, wäre die Situation sogar noch schlimmer. Aber trotzdem, es reicht nicht, wie auch immer, sie könnten mehr tun."

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