Hoffnung auf Frieden?

Von Richard Herzinger |
Wenn es um George W. Bush geht, verfährt ein Großteil der deutschen Medien nach dem Prinzip: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Erst prognostizierten die meisten Kommentatoren, die Nahost-Konferenz in Annapolis werde mangels Erfolgsaussichten und wegen der zu erwartenden Nicht-Teilnahme arabischer Staaten wohl gar nicht stattfinden können. Doch, siehe da, alle wichtigen arabischen Staaten sagten ihr Kommen zu – nicht nur Saudi-Arabien und Ägypten, sondern sogar auch Syrien.
Nun hieß es, Palästinenser und Israelis würden sich ja doch nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen, es werde in Annapolis nichts Konkretes herauskommen. Doch am Ende der Konferenz stand der Beschluss, unverzüglich mit Verhandlungen über einen Nahost-Frieden zu beginnen, überwacht von den USA, international unterstützt und begleitet von einer breiten Front von Staaten, von der EU und Russland ebenso wie von der Arabischen Liga.

Aber auch das durfte nichts zählen. Jetzt soll Annapolis doch nur eine ‚gute Inszenierung’ Bushs gewesen sein, ein ‚Fototermin’ und bloße Symbolik. Dass auch Symbolik stets ein wichtiger Faktor in der internationalen Politik gewesen ist, gilt im Fall des angeblich völlig unfähigen und unglaubwürdigen US-Präsidenten natürlich nicht. Das wird nur betont, wenn unsere Bundeskanzlerin auf einem Klimagipfel wieder einmal alle Staaten zu unverbindlichen Bekenntnissen zum Klimaschutz bewegt hat.

Nun geben die leidvollen Erfahrungen aus 30 Jahren vergeblicher Bemühungen um einen Friedensschluss im Nahen Osten tatsächlich allen Anlass zur Skepsis über die Erfolgsgeschichte des ehrgeizigen Friedensplans. Zumal unklar ist, wie viel Rückhalt für den Friedenskurs Israels Ministerpräsident Olmert und Palästinas Präsident Abbas jeweils zu Hause haben. Insbesondere die radikalislamische, vom Iran unterstützte Hamas, die den Gazastreifen beherrscht, wird den Friedensprozess bis aufs Messer bekämpfen.

Doch war unter den gegebenen Umständen denn mehr möglich als die Vereinbarungen der Annapolis-Konferenz mit ihren fast 50 teilnehmenden Staaten und Organisationen? So sehr hat sich die deutsche Öffentlichkeit schon an ihr Lieblingsfeind- und Spottbild Bush gewöhnt, dass sie auch einen solch unzweifelhaften diplomatischen Erfolg des angeblich kriegswütigen US-Präsidenten nicht mehr anerkennen kann. Seit dem Irak-Krieg steht für sie unverrückbar fest, dass er nichts als blutiges Chaos anrichten kann.

Darüber ist ihr entgangen, wie sehr sich, Bush hin oder her, die Verhältnisse im Nahen Osten gegenüber früheren Anläufen zu einem israelisch-palästinensischen Frieden verändert haben. Nicht nur in den USA, allen beteiligten Mächten ist klar geworden, daß sich der leidige Palästina-Konflikt nicht mehr isoliert betrachten und lösen lässt. Die Furcht vor dem destabilisierenden Einfluss des Iran lässt den arabischen Mächten keine andere Wahl, als an die Seite Washingtons zur rücken. Besonders bemerkenswert ist, dass Syrien, trotz aller Bannflüche und Drohungen aus Teheran, in Annapolis nicht fehlen wollte. Es signalisiert damit, dass es unter Umständen bereit ist, von seiner Allianz mit dem Iran abzurücken – was einen schweren Rückschlag für das Mullah-Regime und seine Schützlinge Hamas und Hisbollah bedeuten würde.

Zeitgleich zu Annapolis wurde eine Vereinbarung zwischen den USA und der irakischen Regierung über eine Fortsetzung der US-Truppenstationierung auch über das Ende des UN-Mandats 2008 hinaus bekannt gegeben.
Annapolis und die Entwicklung im Irak sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Lage im Irak stabilisiert sich merklich, es ist nun klar, dass die USA auf lange Sicht im Irak damit sozusagen eine ‚arabische Macht’ bleiben werden. Die blutigen, chaotischen Nachwehen des Irak-Krieges neigen sich dem Ende zu, die Ära der Herausbildung einer Nachkriegsordnung beginnt.

Sollte es den USA gelingen, die wichtigsten Kräfte der Region auf diesem Weg auch weiterhin zu bündeln, würde etwas eintreten, was außerhalb des Fassungsvermögens aller liegt, für die das Bush-Bashing schon zum liebsten Alltagssport geworden ist: Die Präsidentschaft Bushs könnte sich als eine der außenpolitisch erfolgreichsten der US-Geschichte erweisen. In seine Amtszeit fällt bereits die neue strategische Partnerschaft mit dem einstigen Gegner Indien ebenso wie die erfolgreich begonnene nukleare Abrüstung Nordkoreas. Ihr vorausgegangen war bereits die Abrüstung des einstigen ‚Schurkenstaates’ Libyen von Massenvernichtungswaffen.

Der Irak-Krieg brachte die Beseitigung des notorisch aggressiven und unberechenbaren Regimes Saddam Husseins. Würde dazu, wenn nicht der sofortige Friede, so doch zumindest eine spürbare Entschärfung des Palästinakonflikts kommen, wäre das tatsächlich ein historischer Durchbruch. Noch sind wir von einer solchen Bilanz einige entscheidende Schritte entfernt. Doch kaum jemand hätte sich noch bis vor Kurzem träumen lassen, dass wir in absehbarer Zeit so nahe daran sein würden.

Richard Herzinger, Dr. Phil., Jahrgang 1955, ist Journalist und Buchautor. Er arbeitet als außenpolitischer Redakteur bei der "Welt am Sonntag". Zuvor war Herzinger Deutschlandkorrespondent der in Zürich erscheinenden "Weltwoche" und hatte als Redakteur und Autor der Wochenzeitung "DIE ZEIT" gearbeitet. Letzte Buchveröffentlichungen: "Die Tyrannei des Gemeinsinns - ein Bekenntnis zur egoistischen Gesellschaft" und "Republik ohne Mitte".
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