Hörspiel

Der Klangtüftler

Von Tobias Lehmkuhl |
Hermann Bohlen ist einer der angesehensten Hörspielautoren Deutschlands. Ihn interessieren die kleinen Sprachgesten und die leisen Zwischentöne. Und bei aller Mühe, die in ihnen steckt, wirken seine Stücke stets federleicht.
Bohlen: "Meine Damen und Herren, in Norddeutschland lebte einmal ein großer blonder Getreidehändler..."
In Berlin, liebe Hörerinnen und Hörer, lebt nach wie vor ein großer, dunkelhaariger Hörspielautor.
Bohlen: "Dank guter Anlagen und regelmäßiger Freiübungen wurde er steinalt und konnte bis zwei Tage vor seinem Tod noch klar denken und genau rechnen. Dann sagte er: Ich mag nicht mehr, stellte die Freiübungen ein und starb."
"Und das ist eigentlich ein Trial-Fahrrad, damit fahren Leute Berge hoch und Felsbrocken oder so..."
Auch unser Hörspielautor hat die Fünfzig bereits überschritten. Dank zweier kleiner Töchter und gelegentlicher Tretübungen auf einem kleinen sattellosen Fahrrad in seinem Kreuzberger Büro, erfreut er sich allerdings bester Gesundheit.
"Man kann es auch ganz gut in seinen eigenen vier Wänden als Heimtrainer benutzen und sich mal ein bisschen austoben, und dann stellt man es an die Wand - und kann weitermachen."
Das Büro des Autors ist spartanisch eingerichtet, an der Wand ein paar Fotos, ein schmales Bücherregal, zwei Laptops auf dem Schreibtisch. Die Lautsprecher stehen auf der Fensterbank.
"Das ist eine Tondatei, die habe ich aus dem Internet gezogen, da konnte man sich Nachrichten vorsprechen lassen, und das war eine Nachricht über 'Böse alte Männer'..."
Wie spricht man heute, wie sprach man vor fünfzig Jahren?
Hermann Bohlen interessieren, und das verbindet seine sonst so unterschiedlichen Hörspiele miteinander, die kleinen Sprachgesten, die leisen Zwischentöne, die hintergründigen Melodien. Was passiert, wenn man einen Computer Texte sprechen lässt? Wie spricht man heute, wie sprach man vor fünfzig Jahren? Das reicht bis zum nicht-semantischen Sprechen, zu den Aussetzern, zum Schweigen, wie etwa in dem Stück "Alles unter Kontrolle".
In seinem Büro beugt er sich hinunter zu einer kleinen Plattensammlung.
"Was wollte ich denn noch hier rausziehen? Ach so, die Hörspielgeräusche der DDR. Litera, eine 10 inch, und hier 'Ich und das Mikrofon'. Tonaufnahmen aus einem Wettbewerb für Amateure. Ach so, die medizinische Industrie hat auch viele Werbeplatten rausgebracht. Interessant ist eine Flexi aus den späten Fünfzigern, da geht es um nachlassende Manneskraft. Die Suniltrompete."
Hermann Bohlen ist von einer seltenen Leidenschaft für seine Arbeit getrieben, ein Perfektionist im besten Sinne, ein Klangtüftler, der alle seine Hörspiele selbst produziert. Da der Produktionsalltag in einem Sender ein so kleinteiliges und zeitaufwändiges Tun wie das seine gar nicht zuließe, konzipiert und schreibt er seine Stücke nicht nur in seinem kleinen Büro, er werkelt hier auch so lange mit dem Schneideprogramm, bis das akustische Endprodukt fertig ist.
"Radio hat mich immer fasziniert, als Kind schon. Meine Mutter hat immer Mittagspause gemacht, geschlafen und am Wochenende, wenn wir nicht in der Schule, sondern zu Hause waren, mussten wir uns nach dem Mittagessen still ins Wohnzimmer setzen, um die Couch herum, wo sie sich immer hingelegt und geschlafen hat, und 'Kinderstunde' hören, vom NDR."
Hermann Bohlen wurde erst auf Umwegen Hörspielautor
Dabei wirken Bohlens Hörspiele, bei aller Mühe, die in ihnen steckt, federleicht. Sie sind voller Witz und Charme, und daran hat nicht selten die Stimme des Autors großen Anteil.
"Eigentlich wollte ich in Hannover bei Oskar Negt Soziologie studieren, das war mal der Plan im Sommer '85. Dann fuhr ich nach Hannover und hatte mir ein Fahrrad geliehen, um mir ein Quartier zu suchen, und fuhr drei Stunden durch die Stadt und ließ mich treiben, und nach drei Stunden wusste ich: Ich will nicht Soziologie bei Oskar Negt in Hannover studieren."
So ist aus Hermann Bohlen dann auf Umwegen ein Hörspielautor geworden, ein ausgesprochen humorvoller. Doch nicht selten schwingt ein dunkler Unterton in seinen Stücken mit, und passt man nicht auf, kann einem das Lachen ganz unversehens im Halse stecken bleiben.
WURFSENDUNG "Traurig 1"
Bohlen: Okay, wie sieht‘s denn hier so bei Ihnen aus?
Sprecher 1: Ich bin traurig.
Bohlen: Okay
Sprecher 2: Traurig
Bohlen: Sehr schön
Sprecher 3: traurig
Bohlen: Und Sie?
Sprecher 4: Traurig
Bohlen: Sehr schön. Jetzt geh ich mal rüber. Sie?
Sprecher 5: Ich bin nicht traurig.
Bohlen: Auch gut. Und Sie?
Sprecher 6: Ich bin die ganze Zeit traurig und komme davon nicht los.
Bohlen: Echt, ja? Übel! Was ist mit Ihnen?
Sprecher 7: Ich bin so traurig, dass ich‘s kaum noch ertrage.
Bohlen: Ja, prima! Das war‘s!