Hörfunkgeschichte

"Was wollen Sie wissen?" - So entstanden Ratgebersendungen

Der Moderator Jürgen Domian im März 2015
Jürgen Domians Sendung auf 1Live lebt von Höreranrufen. Bei Ratgebersendungen war diese Form der Hörerbeteiligung jahrzehntelang völlig unüblich. © dpa / picture alliance/ Henning Kaiser
Von Christian Berndt und Ralf Bei der Kellen · 17.02.2016
Bald nach Beginn des Hörfunks in Deutschland gab es auch Ratgebersendungen. Der Hörer durfte aber erst einmal nicht live auf Sendung. Das kam erst Jahrzehnte später - mit teilweise sehr lustigen Ergebnissen. Ein Streifzug durch die Geschichte der Radio-Ratgebersendungen in beiden deutschen Staaten.
"Bei mir ist Folgendes: Einmal im Monat überkommt es mich, dann werde ich sexuell erregt, und zwar nicht, mit einer Frau zu schlafen oder einem Mann, sondern mit Hackfleisch."
Bei diesem Anrufer hatte Jürgen Domian in seiner Ratgeber-Sendung im Radiosender 1Live Mühe ernst zu bleiben. Aber generell widmet sich Domian seit 1995 mit vollem Elan seinem Publikum. Seine Sendung, auch im WDR-Fernsehen übertragen, ist eines der erfolgreichsten Ratgeber-Formate im Hörfunk.
Als der Rundfunk in Deutschland am 29. Oktober 1923 an den Start ging, war noch unklar, wie und für wen gesendet werden sollte. Beratungssendungen gab es, allerdings in der Regel nur in der Form, dass der Experte berät und der Hörer lediglich zuhören kann. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929 kamen Diskussionsrunden in Mode, auch zu politischen Themen.

Ratgebersendung als Propagandamittel

Die Nazis nutzten Ratgebersendungen dann, um Propaganda direkt in den Alltag zu transportieren. Und die Briten sendeten die Anti-Propaganda mit Hugh Carlton Greene im Deutschen Dienst der BBC – auch als Ratgeber:
"Diese Frage kommt aus der Schweiz. Eine Dame in Bern möchte gern wissen, warum wir nicht Störsender gegen den deutschen Rundfunk einsetzen. Frazer?"
"Ja, ich glaube, das kann ich mit einem Satz beantworten: Wir stören die Sendungen des deutschen Rundfunks nicht, weil wir's nicht nötig haben. Uns ist es ganz recht, wenn die Leute Goebbels' Argumente hören und unsere Argumente - und dann entscheiden, wer Recht hat. Rundfunksendungen stören - das ist immer das sicherste Zeichen, dass man Angst vor der Wahrheit hat."
Nach dem Krieg war das Bedürfnis nach Beratung groß. Der erfolgreichste Hörfunk-Ratgeber der Zeit in Westdeutschland war Walther von Hollander, zunächst mit "Der Hörer hat das Wort" und dann mit "Was wollen Sie wissen?". In "Was wollen Sie wissen?" kamen die Hörer nun endlich auch einmal zu Wort – wenn ihre Anrufe auch vorher aufgezeichnet wurden. Auch in der DDR gab es Lebensberatungssendungen, auch hier kam der Hörer aber erst einmal nicht selbst zu Wort.

Themen Sexualität und Partnerschaft wurden wichtig

Und mit der Zeit rückte ein Thema in den Mittelpunkt, bei dem viele erröteten: Sexualität.
"Es ist nämlich so, dass sehr viele Leute von dem Partnertausch und von dem sogenannten Gruppensex sehr angezogen werden."
Ja, ich mein', bei uns war das auch so. Ich hatte es zwar anfangs auch nicht für nötig empfunden, aber, ähm, mein Mann hat mich nicht direkt überredet, ich war denn bereit, es auch mitzumachen."
"Ja ... ich kann Ihnen so schwer da raten, es sind für mich auch neue Probleme. Mir fällt nur auf, dass man darüber nachdenken muss, warum es so häufig ist, denn sie sind doch ein ganz durchschnittliches Ehepaar."
Bei dieser Diskussion, im Jahr 1971, kam sogar der sonst so progressive Walther von Hollander an seine Grenzen. Seine Sendung "Was wollen Sie wissen?" ist übrigens die langlebigste aller Beratungssendungen im deutschen Hörfunk gewesen.
Mehr schräge Episoden aus Geschichte der Beratungssendungen im Radio und historischer Kontext im Manuskript zur Sendung.
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