Höppner plädiert für mehr Nüchternheit im Umgang mit der Linken
Reinhard Höppner plädiert für mehr Nüchternheit im Umgang mit der Linken. Es gehe nicht um moralische Fragen, wer mit wem ins Bett gehe, sondern um nüchterne politische Fragen, sagte der SPD-Politiker und ehemalige sachsen-anhaltische Ministerpräsident. Derzeit würden Diskussionen wiederholt, die bereits vor 14 Jahren stattgefunden hätten, als er mit Tolerierung der PDS in Sachsen-Anhalt eine Regierung gebildet habe.
Birgit Kolkmann: Es rumort in der SPD. Kann sich die ehemals große Volkspartei leisten, auf Dauer Nein zu sagen zu Bündnissen mit den Linken und nur auf rot/grün oder große Koalitionen zu setzen? Parteichef Kurt Beck ist im Prinzip für eine Öffnung, hat das aber zu früh gesagt (vor der Wahl in Hamburg) und das nehmen die dortigen Genossen übel. Michael Naumann, der Spitzenkandidat an der Alster, hatte bei seinen Kindern geschworen, sich nicht von den Linken tolerieren zu lassen. Das hatte Andrea Ypsilanti in Hessen auch getan. Nun scheint es aber doch so zu sein, dass sie sich von ihnen zur Ministerpräsidentin wählen lassen will. Klaus Wowereit in Berlin, selbst Chef einer rot/roten Koalition, findet das sowieso richtig und einer, der das alles schon hinter sich hat, ist Reinhard Höppner. Guten Morgen!
Reinhard Höppner: Guten Morgen!
Kolkmann: Herr Höppner, Sie haben als SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt das Magdeburger Modell vor knapp 14 Jahren aus der Taufe gehoben: rot/grün, toleriert von der PDS, dann rot, toleriert von der PDS. Sie haben darüber ein Buch geschrieben. Haben Sie jetzt Déjà-Vu-Erlebnisse?
Höppner: In der Tat: sehr viele Diskussionen wiederholen sich, als wenn wir sie vor 14 Jahren nicht alle schon mal ausgetragen hätten. Das finde ich eigentlich schade. Es muss immer erst noch mal im Westen alles nachgemacht werden. Ich dachte immer, wir hätten vielleicht schon Vorarbeit geleistet. Jetzt werden alle Fragen aber wieder gestellt und ich denke ein bisschen mehr Nüchternheit wäre ganz gut, denn es handelt sich nicht, wie immer der Eindruck erweckt wird, um eine moralische Frage. Wenn man die Konservativen so hört, dann bekommt man ja den Eindruck schon in den Formulierungen, mit wem man da ins Bett geht oder was da alles gesagt wird. Nein: das ist eine nüchterne politische Frage.
Kolkmann: War denn der Druck der Bundes-SPD damals auch sehr groß, gerade der moralische?
Höppner: Nein. Die Bundes-SPD hat seinerzeit mich unterstützt in der Aussage, ich solle Ministerpräsident werden. Ich glaube sie hatten damals die Konsequenzen noch nicht richtig bedacht. Ich wusste, dass das geht. Ich wusste auch, dass das funktionieren würde, und habe es dann auch gemacht. Da kam das Erschrecken in der SPD erst ein bisschen später.
Kolkmann: Wer hat sich denn da besonders stark dagegen gestemmt und sind das die gleichen, die jetzt auch wieder sehr skeptisch sind?
Höppner: Ich erinnere mich daran, dass Johannes Rau gesagt hat, dass die SPD den Preis bezahlen musste für die Integration der Grünen in die Parteienlandschaft und dass sie nicht nun auch noch Lust hätten, den Preis zu bezahlen für die Integration der PDS in die bundesdeutsche Parteienlandschaft. Das kann ich verstehen. Das hilft allerdings nicht weiter, denn die PDS beziehungsweise jetzt Die Linke sammelt jetzt einfach Protestwähler auf und kann flotte Sprüche machen und von dem Ross bekommt man sie nur herunter, indem man sie in Verantwortung einbindet. Das sieht man ja in Berlin. Da hatte Klaus Wowereit nur die Wahl, bei seinen vielen Sparmaßnahmen die PDS entweder im Senat oder auf der Straße zu haben. Da war sie im Senat besser!
Kolkmann: Und da hat er sogar Die Linke den Grünen vorgezogen. Wir haben nun - das ist ja nun ganz klar - ein Fünf-Parteien-System in der Bundesrepublik, auch eine Folge sicher der Vereinigung. Ist das bei den Parteien im Bewusstsein jetzt erst sehr verspätet angekommen?
Höppner: Ich bin sicher, dass das jetzt überhaupt erst angekommen ist in der alten Bundesrepublik, und ich bin sicher, dass da auch noch neue Überlegungen in Gang kommen müssen. Beispielsweise haben wir acht Jahre lang ausprobiert, dass eine Minderheitsregierung sehr stabil sein kann. Wir hatten ja zunächst auch eine rot-grüne. Da ist das auch ohne Verhandlungen mit der PDS gelaufen. Das heißt man kann da auch wirklich vorsichtig heran gehen, denn dann liegt schließlich mal ein rot-grüner Koalitionsvertrag auf dem Tisch. Seinerzeit hat die PDS erklärt, wenn ihr den einhaltet, dann unterstützen wir euch. Das war eine einseitige Erklärung; gegen die kann man sich nicht wehren, gegen die muss man sich nicht wehren, aber auf der Grundlage kann man sehr gut arbeiten.
Kolkmann: Nun öffnet sich ja offensichtlich die SPD-Führung auch zu den Möglichkeiten, die Sie schon hinter sich haben. Hat man Sie in diesen Tagen um Rat gefragt, zum Beispiel der Parteichef Kurt Beck?
Höppner: Ich glaube ich habe meine Meinung dazu so deutlich gesagt, dass wir darüber selber nicht zu reden brauchten.
Kolkmann: Nun sagt ja auch die SPD-Führung ziemlich deutlich, die Landesverbände bräuchten mehr Freiheit. Sie haben ja eben auch im Prinzip plädiert für eine pragmatische Politik, die schaut, was machbar ist und was nicht. Wäre das der gangbare Weg, dass man sagt, jeder Landesverband soll das so machen, wie er es für richtig hält?
Höppner: Es ist ohnehin so: Es ist in der Sache geboten. Schließlich müssen Landesparteitage über die Koalitionsverträge entscheiden. Das heißt es wird im Lande entschieden. Das ist das, was mich vielleicht an der Debatte am meisten geärgert hat, dass immer der Eindruck erweckt wurde - übrigens schon damals, aber heute auch wieder -, als wenn ein Parteivorsitzender das gewissermaßen von oben durchstellen könnte, was in den jeweiligen Ländern gemacht wird. Der Eindruck wird übrigens auch erweckt, wenn die CDU sagt, Herr Beck wäre jetzt dafür verantwortlich, wenn Frau Ypsilanti eine Zusammenarbeit mit den Linken macht. Nein, das ist nicht der Fall! Die Landesverbände sind autonom und können das entscheiden und die Parteitage werden das auch entscheiden.
Kolkmann: Es zeichnet sich ja ab, dass sich in Deutschland die Wähler in der Mehrheit politisch links entscheiden, also nicht so sehr rechts. Das Lager von Linken, Grünen und der SPD ist nun ziemlich groß. Glauben Sie, dass sich das in den nächsten Jahren noch einmal wieder zurecht rütteln wird, dass möglicherweise auch wieder manche Wähler zurückgehen zur SPD, oder glauben Sie, dass dies, so wie es jetzt aufgeteilt ist, sich wahrscheinlich noch verfestigen wird?
Höppner: Ich bin sicher, dass Die Linke bleiben wird in unserer Parteienlandschaft. Da mag sich einiges verschieben; darum werden wir auch kämpfen. Aber der Fakt, den Sie erwähnt haben, nämlich dass links eigentlich eine Mehrheit ist, das ist ja genau die Aufregung, die die Konservativen zu solchen moralischen Vorwürfen bringt, denn wenn die SPD bereit ist, mit der Linken in irgendeiner Weise zusammenzuarbeiten, verliert die CDU ihre strategische Mehrheit auf der rechten Seite und die FDP hat überhaupt keine Chancen mehr mitzuregieren. dass die also so aufgeregt und so polemisch und so aggressiv reagieren, das ist völlig verständlich.
Kolkmann: Bleibt aus Ihrer Sicht als SPD-Politiker auch der CDU in Zukunft dann kaum etwas anderes übrig, als sich auch zum linken Lager hin zu öffnen, also vor allen Dingen hin zu den Grünen, wenn sie Mehrheiten auf Dauer haben möchte?
Höppner: Ich glaube, für die CDU wäre das kein Problem. Ich fürchte, dass die Grünen an dieser Stelle möglicherweise sogar Existenzprobleme bekommen, denn es ist bei den Länderparlamenten etwas anderes als auf kommunaler Ebene, wo praktisch jeder mit jedem schon jetzt zusammenarbeitet, wo jetzt übrigens die CDU bei uns längst mit der Linken zusammenarbeitet. Auf Länderebene ist das ein Problem, im Bund ohnehin. Das heißt, ich glaube, die CDU braucht sich da nicht zu fürchten, die Grünen schon.
Kolkmann: Vielen Dank! - Das war Reinhard Höppner, ehemaliger SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der vor 14 Jahren das Magdeburger Modell, also die Tolerierung durch die PDS schon durchgebracht hat. Vielen Dank für das Gespräch!
Reinhard Höppner: Guten Morgen!
Kolkmann: Herr Höppner, Sie haben als SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt das Magdeburger Modell vor knapp 14 Jahren aus der Taufe gehoben: rot/grün, toleriert von der PDS, dann rot, toleriert von der PDS. Sie haben darüber ein Buch geschrieben. Haben Sie jetzt Déjà-Vu-Erlebnisse?
Höppner: In der Tat: sehr viele Diskussionen wiederholen sich, als wenn wir sie vor 14 Jahren nicht alle schon mal ausgetragen hätten. Das finde ich eigentlich schade. Es muss immer erst noch mal im Westen alles nachgemacht werden. Ich dachte immer, wir hätten vielleicht schon Vorarbeit geleistet. Jetzt werden alle Fragen aber wieder gestellt und ich denke ein bisschen mehr Nüchternheit wäre ganz gut, denn es handelt sich nicht, wie immer der Eindruck erweckt wird, um eine moralische Frage. Wenn man die Konservativen so hört, dann bekommt man ja den Eindruck schon in den Formulierungen, mit wem man da ins Bett geht oder was da alles gesagt wird. Nein: das ist eine nüchterne politische Frage.
Kolkmann: War denn der Druck der Bundes-SPD damals auch sehr groß, gerade der moralische?
Höppner: Nein. Die Bundes-SPD hat seinerzeit mich unterstützt in der Aussage, ich solle Ministerpräsident werden. Ich glaube sie hatten damals die Konsequenzen noch nicht richtig bedacht. Ich wusste, dass das geht. Ich wusste auch, dass das funktionieren würde, und habe es dann auch gemacht. Da kam das Erschrecken in der SPD erst ein bisschen später.
Kolkmann: Wer hat sich denn da besonders stark dagegen gestemmt und sind das die gleichen, die jetzt auch wieder sehr skeptisch sind?
Höppner: Ich erinnere mich daran, dass Johannes Rau gesagt hat, dass die SPD den Preis bezahlen musste für die Integration der Grünen in die Parteienlandschaft und dass sie nicht nun auch noch Lust hätten, den Preis zu bezahlen für die Integration der PDS in die bundesdeutsche Parteienlandschaft. Das kann ich verstehen. Das hilft allerdings nicht weiter, denn die PDS beziehungsweise jetzt Die Linke sammelt jetzt einfach Protestwähler auf und kann flotte Sprüche machen und von dem Ross bekommt man sie nur herunter, indem man sie in Verantwortung einbindet. Das sieht man ja in Berlin. Da hatte Klaus Wowereit nur die Wahl, bei seinen vielen Sparmaßnahmen die PDS entweder im Senat oder auf der Straße zu haben. Da war sie im Senat besser!
Kolkmann: Und da hat er sogar Die Linke den Grünen vorgezogen. Wir haben nun - das ist ja nun ganz klar - ein Fünf-Parteien-System in der Bundesrepublik, auch eine Folge sicher der Vereinigung. Ist das bei den Parteien im Bewusstsein jetzt erst sehr verspätet angekommen?
Höppner: Ich bin sicher, dass das jetzt überhaupt erst angekommen ist in der alten Bundesrepublik, und ich bin sicher, dass da auch noch neue Überlegungen in Gang kommen müssen. Beispielsweise haben wir acht Jahre lang ausprobiert, dass eine Minderheitsregierung sehr stabil sein kann. Wir hatten ja zunächst auch eine rot-grüne. Da ist das auch ohne Verhandlungen mit der PDS gelaufen. Das heißt man kann da auch wirklich vorsichtig heran gehen, denn dann liegt schließlich mal ein rot-grüner Koalitionsvertrag auf dem Tisch. Seinerzeit hat die PDS erklärt, wenn ihr den einhaltet, dann unterstützen wir euch. Das war eine einseitige Erklärung; gegen die kann man sich nicht wehren, gegen die muss man sich nicht wehren, aber auf der Grundlage kann man sehr gut arbeiten.
Kolkmann: Nun öffnet sich ja offensichtlich die SPD-Führung auch zu den Möglichkeiten, die Sie schon hinter sich haben. Hat man Sie in diesen Tagen um Rat gefragt, zum Beispiel der Parteichef Kurt Beck?
Höppner: Ich glaube ich habe meine Meinung dazu so deutlich gesagt, dass wir darüber selber nicht zu reden brauchten.
Kolkmann: Nun sagt ja auch die SPD-Führung ziemlich deutlich, die Landesverbände bräuchten mehr Freiheit. Sie haben ja eben auch im Prinzip plädiert für eine pragmatische Politik, die schaut, was machbar ist und was nicht. Wäre das der gangbare Weg, dass man sagt, jeder Landesverband soll das so machen, wie er es für richtig hält?
Höppner: Es ist ohnehin so: Es ist in der Sache geboten. Schließlich müssen Landesparteitage über die Koalitionsverträge entscheiden. Das heißt es wird im Lande entschieden. Das ist das, was mich vielleicht an der Debatte am meisten geärgert hat, dass immer der Eindruck erweckt wurde - übrigens schon damals, aber heute auch wieder -, als wenn ein Parteivorsitzender das gewissermaßen von oben durchstellen könnte, was in den jeweiligen Ländern gemacht wird. Der Eindruck wird übrigens auch erweckt, wenn die CDU sagt, Herr Beck wäre jetzt dafür verantwortlich, wenn Frau Ypsilanti eine Zusammenarbeit mit den Linken macht. Nein, das ist nicht der Fall! Die Landesverbände sind autonom und können das entscheiden und die Parteitage werden das auch entscheiden.
Kolkmann: Es zeichnet sich ja ab, dass sich in Deutschland die Wähler in der Mehrheit politisch links entscheiden, also nicht so sehr rechts. Das Lager von Linken, Grünen und der SPD ist nun ziemlich groß. Glauben Sie, dass sich das in den nächsten Jahren noch einmal wieder zurecht rütteln wird, dass möglicherweise auch wieder manche Wähler zurückgehen zur SPD, oder glauben Sie, dass dies, so wie es jetzt aufgeteilt ist, sich wahrscheinlich noch verfestigen wird?
Höppner: Ich bin sicher, dass Die Linke bleiben wird in unserer Parteienlandschaft. Da mag sich einiges verschieben; darum werden wir auch kämpfen. Aber der Fakt, den Sie erwähnt haben, nämlich dass links eigentlich eine Mehrheit ist, das ist ja genau die Aufregung, die die Konservativen zu solchen moralischen Vorwürfen bringt, denn wenn die SPD bereit ist, mit der Linken in irgendeiner Weise zusammenzuarbeiten, verliert die CDU ihre strategische Mehrheit auf der rechten Seite und die FDP hat überhaupt keine Chancen mehr mitzuregieren. dass die also so aufgeregt und so polemisch und so aggressiv reagieren, das ist völlig verständlich.
Kolkmann: Bleibt aus Ihrer Sicht als SPD-Politiker auch der CDU in Zukunft dann kaum etwas anderes übrig, als sich auch zum linken Lager hin zu öffnen, also vor allen Dingen hin zu den Grünen, wenn sie Mehrheiten auf Dauer haben möchte?
Höppner: Ich glaube, für die CDU wäre das kein Problem. Ich fürchte, dass die Grünen an dieser Stelle möglicherweise sogar Existenzprobleme bekommen, denn es ist bei den Länderparlamenten etwas anderes als auf kommunaler Ebene, wo praktisch jeder mit jedem schon jetzt zusammenarbeitet, wo jetzt übrigens die CDU bei uns längst mit der Linken zusammenarbeitet. Auf Länderebene ist das ein Problem, im Bund ohnehin. Das heißt, ich glaube, die CDU braucht sich da nicht zu fürchten, die Grünen schon.
Kolkmann: Vielen Dank! - Das war Reinhard Höppner, ehemaliger SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der vor 14 Jahren das Magdeburger Modell, also die Tolerierung durch die PDS schon durchgebracht hat. Vielen Dank für das Gespräch!