Höppner empfiehlt Minderheitsregierung in Hessen
Nach Ansicht des ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, sollten SPD und Grüne in Hessen eine Minderheitsregierung bilden. Das sei eine "angemessene Antwort" auf das Wahlergebnis, sagte Höppner. Im Parlament entstünde dadurch eine "offene Situation", die der Demokratie gut tun würde.
Christopher Ricke: Um die mögliche Entwicklung in Hessen besser beurteilen zu können, hilft auch ein Blick in die jüngere Geschichte. 1994 war es, da bildete der Sozialdemokrat Reinhard Höppner in Sachsen-Anhalt eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der PDS toleriert wurde. Sachsen-Anhalt 1994 ist natürlich nicht Hessen 2008. Aber vielleicht gibt es einige Punkte, die man vergleichen könnte. Guten Tag, Herr Höppner!
Reinhard Höppner: Guten Tag!
Ricke: Ist denn Andrea Ypsilanti gut beraten, jetzt ihre Wahlkampfversprechen zu brechen?
Höppner: In dieser Situation sind ja leider alle anderen Parteien, die vorher Aussagen gemacht haben, die sich jetzt angesichts des Wahlergebnisses so eins zu eins nicht durchhalten lassen, und insofern muss man jetzt auf dieses Wahlergebnis eine Antwort finden. Und ich finde, dass eine Minderheitsregierung durchaus eine angemessene Antwort auf ein solches Wahlergebnis sein könnte.
Ricke: Wenn so eine Minderheitsregierung mehr erreichen soll als Neuwahlen, dann muss sie ja Mehrheiten im Parlament organisieren, vielleicht auch von Fall zu Fall. Kann das, was in Sachsen-Anhalt acht Jahre lang funktioniert hat, auch in Hessen klappen?
Höppner: Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Denn dann wird in ja jeder Einzelfrage auch sich beispielsweise die FDP überlegen müssen, ob sie dem nicht zustimmt, um anderes vielleicht, Linkeres zu verhindern. Das heißt mit anderen Worten, wir kriegen dann eine sehr viel offenere Situation in einem Parlament, und das würde auch der Demokratie gut tun. Es wird einfach manches durchschaubar, was sonst hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde.
Ricke: Es ist ein häufig gebrauchtes Argument, dass Beteiligung an der Macht auch zur Entzauberung der PDS beziehungsweise heute der Linkspartei betragen würde. Eine solche Duldung ist ja keine Machtbeteiligung. Funktioniert das trotzdem mit der Entzauberung?
Höppner: Das funktioniert insofern schon, als natürlich dann ein Stück Mitverantwortung schon von der Linken gefordert ist. Sie kann nicht mehr einfach nur ihre populistischen Sprüche machen, sondern sie muss überlegen, wie sie von Fall zu Fall sich verhält und Verantwortung wahrnimmt. Ich glaube schon, dass das die einzige Möglichkeit ist, diese populistische Partei zu entzaubern, indem man sie wenigstens partiell immer wieder auf die Verantwortung anspricht, die eine Partei eigentlich haben sollte.
Ricke: Die Linkspartei hat sehr gefeiert, dass sie im Westen angekommen ist. Ist sie wirklich im Westen angekommen? Müssen wir die Ost-West-Frage bei dieser Partei nicht mehr stellen?
Höppner: Ich glaube, dass die Linke im Westen immer noch etwas anderes ist als die PDS seinerzeit im Osten. Insofern muss man sehr konkret gucken, mit wem man es zu tun hat. Ohne ein gewisses Maß an Vertrauen der handelnden Personen ist das nicht zu machen. Aber das muss man ausprobieren. Ich glaube, das kann man nicht abstrakt vorher sagen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine bessere Disziplinierung als Teilnahme an Verantwortung nicht geht.
Ricke: Aber ist das eine politische Basis zu sagen, klug durch Versuch?
Höppner: In dieser Situation von Hessen ist es, glaube ich, zumindest eine Variante, wenn nicht sogar die einzige.
Ricke: Nun gibt es ja die Mutmaßung, das Ganze sei nur ein strategisches Spiel, um die FDP doch in eine Ampel hineinzubringen. Ist das aus der Warte eines politischen Beobachters tatsächlich eine andere Möglichkeit, die FDP ebenso in die Verantwortung zu nehmen?
Höppner: Die FDP muss sich ja jetzt dann in jeder Sachfrage, wenn eine Minderheitsregierung da ist, die einen entsprechenden Vorschlag auf den Tisch bringt, entscheiden, wie sie sich zu verhält. Das heißt mit anderen Worten, sie kann sich um die Verantwortung, die sie dann in dieser Rolle hat, nicht drücken. Und wenn sie ihr Wahlversprechen, nämlich dass es keinen Linksruck geben solle in Hessen, wahrmachen will und nicht selber wortbrüchig werden will, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als in vielen Punkten tatsächlich diese Minderheitsregierung zu stützen. Sonst ist sie derjenige oder diejenige, die Wahlversprechen spricht.
Ricke: Damit sind wir aber wieder bei dem Thema, diese Mehrheiten jedes Mal neu zu organisieren. Wie mühsam und wie schwierig ist das im Vergleich zu einer Koalition?
Höppner: Meine Erfahrung ist, dass es im Endeffekt gar nicht viel mühsamer ist, als in einer Koalition zu Mehrheiten zu kommen. Unsere Verhältnisse waren stabiler, als sie nach meinem Eindruck derzeit sogar in der Großen Koalition sind, wo man sich ja auch sehr viel streiten kann.
Reinhard Höppner: Guten Tag!
Ricke: Ist denn Andrea Ypsilanti gut beraten, jetzt ihre Wahlkampfversprechen zu brechen?
Höppner: In dieser Situation sind ja leider alle anderen Parteien, die vorher Aussagen gemacht haben, die sich jetzt angesichts des Wahlergebnisses so eins zu eins nicht durchhalten lassen, und insofern muss man jetzt auf dieses Wahlergebnis eine Antwort finden. Und ich finde, dass eine Minderheitsregierung durchaus eine angemessene Antwort auf ein solches Wahlergebnis sein könnte.
Ricke: Wenn so eine Minderheitsregierung mehr erreichen soll als Neuwahlen, dann muss sie ja Mehrheiten im Parlament organisieren, vielleicht auch von Fall zu Fall. Kann das, was in Sachsen-Anhalt acht Jahre lang funktioniert hat, auch in Hessen klappen?
Höppner: Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Denn dann wird in ja jeder Einzelfrage auch sich beispielsweise die FDP überlegen müssen, ob sie dem nicht zustimmt, um anderes vielleicht, Linkeres zu verhindern. Das heißt mit anderen Worten, wir kriegen dann eine sehr viel offenere Situation in einem Parlament, und das würde auch der Demokratie gut tun. Es wird einfach manches durchschaubar, was sonst hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde.
Ricke: Es ist ein häufig gebrauchtes Argument, dass Beteiligung an der Macht auch zur Entzauberung der PDS beziehungsweise heute der Linkspartei betragen würde. Eine solche Duldung ist ja keine Machtbeteiligung. Funktioniert das trotzdem mit der Entzauberung?
Höppner: Das funktioniert insofern schon, als natürlich dann ein Stück Mitverantwortung schon von der Linken gefordert ist. Sie kann nicht mehr einfach nur ihre populistischen Sprüche machen, sondern sie muss überlegen, wie sie von Fall zu Fall sich verhält und Verantwortung wahrnimmt. Ich glaube schon, dass das die einzige Möglichkeit ist, diese populistische Partei zu entzaubern, indem man sie wenigstens partiell immer wieder auf die Verantwortung anspricht, die eine Partei eigentlich haben sollte.
Ricke: Die Linkspartei hat sehr gefeiert, dass sie im Westen angekommen ist. Ist sie wirklich im Westen angekommen? Müssen wir die Ost-West-Frage bei dieser Partei nicht mehr stellen?
Höppner: Ich glaube, dass die Linke im Westen immer noch etwas anderes ist als die PDS seinerzeit im Osten. Insofern muss man sehr konkret gucken, mit wem man es zu tun hat. Ohne ein gewisses Maß an Vertrauen der handelnden Personen ist das nicht zu machen. Aber das muss man ausprobieren. Ich glaube, das kann man nicht abstrakt vorher sagen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine bessere Disziplinierung als Teilnahme an Verantwortung nicht geht.
Ricke: Aber ist das eine politische Basis zu sagen, klug durch Versuch?
Höppner: In dieser Situation von Hessen ist es, glaube ich, zumindest eine Variante, wenn nicht sogar die einzige.
Ricke: Nun gibt es ja die Mutmaßung, das Ganze sei nur ein strategisches Spiel, um die FDP doch in eine Ampel hineinzubringen. Ist das aus der Warte eines politischen Beobachters tatsächlich eine andere Möglichkeit, die FDP ebenso in die Verantwortung zu nehmen?
Höppner: Die FDP muss sich ja jetzt dann in jeder Sachfrage, wenn eine Minderheitsregierung da ist, die einen entsprechenden Vorschlag auf den Tisch bringt, entscheiden, wie sie sich zu verhält. Das heißt mit anderen Worten, sie kann sich um die Verantwortung, die sie dann in dieser Rolle hat, nicht drücken. Und wenn sie ihr Wahlversprechen, nämlich dass es keinen Linksruck geben solle in Hessen, wahrmachen will und nicht selber wortbrüchig werden will, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als in vielen Punkten tatsächlich diese Minderheitsregierung zu stützen. Sonst ist sie derjenige oder diejenige, die Wahlversprechen spricht.
Ricke: Damit sind wir aber wieder bei dem Thema, diese Mehrheiten jedes Mal neu zu organisieren. Wie mühsam und wie schwierig ist das im Vergleich zu einer Koalition?
Höppner: Meine Erfahrung ist, dass es im Endeffekt gar nicht viel mühsamer ist, als in einer Koalition zu Mehrheiten zu kommen. Unsere Verhältnisse waren stabiler, als sie nach meinem Eindruck derzeit sogar in der Großen Koalition sind, wo man sich ja auch sehr viel streiten kann.