Hochzeitsmesse in Berlin

Die Sehnsucht nach Überhöhung

Trabant P50/20
Trabant P50/20 in Weimar © imago/Thomas Müller
Von Gerd Brendel · 25.01.2016
Hochzeit! Die neuesten Trends, einzigartige Ideen und stylische Produkte gibt es auf der "Love Circus Bash" in Berlin. Und das Motto der "Hochzeits-Fete" lautet – ganz anders zu sein als alle anderen Hochzeitsmessen.
Das alte Fest entstaubt feiern, darum geht es beim "Love-Circus-Bash", bei der großen Liebes- Zirkus-Sause: Statt Hochzeitsmarsch Balkan Beats vom DJ-Pult, statt meterlangen Tüllmonstern schlichte Brautkleid-Eleganz und statt Hochzeits-Braten veganes Fingerfood.
"Darf ich mal probieren? / Nein leider nicht! / Das ist nur zum ansehen."
Okay, leider nur zum Anschauen, so wie alles hier, schließlich liegt das echte Fest mit echtem Essen in echten Schlössern oder coolen Bars in echten natürlich maßgeschneiderten Kleidern und Anzügen ja für die meisten Besucher auch meistens noch Wochen, Monate oder gar Jahre weit weg.
"Ich bin glücklich verheiratet und ich glaube an die Ehe."
Bekennt Olivia Sara Tenze, Inhaberin einer Hochzeits-Agentur und Veranstalterin der Hochzeitsmesse.
"Das ist eher ein Wedding-Festival!"
Pardon, des Wedding-Festivals. Aber vor allem glaubt Olivia Sara Tenze an Hochzeiten und deren perfekte Organisation, die nicht früh genug beginnen kann.
"Ich brauch erst mal einen Ort, wo ich feiern kann."
Zum Beispiel Schloss Stülpe, ein Herrenhaus in Brandenburg.

"Was kostet so ne Hochzeit bei Ihnen?"

"Da kann ich ihnen keinen Pauschalpreis nennen."
"Jeder bringt sein Essen selber mit, nur der Ort?"

"Tut mir leid, das sind ganz komische Fragen, es gibt nicht nur den Ort."
"Was wär das billigste Angebot? Ich sage mal Schmalzstullen und Bier."
"Dann wird es schwierig... es geht ja darum, dass die Leute richtig bei uns feiern."
Und richtig feiern kostet richtig Geld. Soviel Geld, dass beim Wedding-Festival nicht gern allgemein darüber gesprochen wird.

"…weil das alles individuell verhandelt wird."
Für jedes Paar sieht eben die Traumhochzeit anders aus, da gibt es eben keine Pauschallisten. Egal ob fürs Brautkleid, den Fotografen oder die Hochzeitstorte.
"dreistöckig mit einer Pfingstrose, komplett aus Zucker gefertigt."
Mindestens.
Der einzige, der beim Wedding Festival einen konkreten Preis nennt, bietet ausgerechnet eine Leistung, die sich weder nach Quadratmetern, Fotoabzügen, Kisten Champagner oder Kilos verbackener Teigmasse bemessen lässt.
"Ich bin als Hochzeitsredner für die da, die Leute, die nicht kirchlich heiraten wollen oder können. Gleichgeschlechtliche Paare, interreligiöse Paare."
Oder Paare, denen Standesamt zu nüchtern, und Kirche zu fremd ist. Für all die inszeniert Johan-Jakob Wulf eine Feier inklusive Rede und Eheversprechen für 1200 Euro, quasi als Gottesdienst ohne Gott.

"Es ist ne abstruse Geschichte."

Der Politologe und Pfarrerssohn kennt das Dilemma: auf der einen Seite die Sehnsucht nach Überhöhung, auf der anderen die Scheu vor religiösem Überbau und konkreter Glaubenswelt.

"Dass die Leute es wollen, etwas Höheres, aber sie haben nicht mehr den Ort, wo sie es sich holen."

Den liefert Johan-Jakob, der mit seinen Hosenträgern über weißem Hemd und dem breitkrempigen Hut ein bisschen so aussieht wie ein orthodoxer Rabbi in der Sommerfrische. Für seine Reden greift er auf alle möglichen Texte zurück. Außer auf die Bibel und ein fast genauso populäres Buch.

"Ich weiß, dass ganz viele meiner Kollegen immer wieder den kleinen Prinzen zitieren: ´Man sieht nur mit dem Herzen gut'. Habe ich schon 100 Male gehört , vielleicht gibt es ja noch einen anderen Zugang."

Den findet Johann-Jakob zum Beispiel bei Janosch, Erich Fromm oder der israelischen Soziologin Eva Illouz. Die hat in einem Interview gesagt:

"Wir lieben nach den Regeln des Marktes."

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage beherrscht unser Lieben. Und weil das so ist, kann das Fest der Liebe nicht teuer genug sein. Hochzeitsmessen oder "wedding festival" sind der beste Beweis.


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