Hochwasserschutz in Polen besser als früher

Von Margarethe Wohlan |
Das polnische Umweltministerium gibt sich beim Hochwasserschutz optimistisch, weil die Warnsysteme modernisiert wurden. 15 Prozent kommunale Eigenbeteiligung beim Deichneubau fehlen allerdings. So hoffen die Menschen vielerorts, dass die Fluten vorerst einen Bogen um Polen machen.
"Dürfen wir ruhig schlafen?" titelte das polnische Wochenmagazin "Newsweek", als die Bilder vom Hochwasser in Deutschland um die Welt gingen. Denn sofort wurde in Polen die Erinnerung an die Flut 1997 und 2010 wach. Der Gesamtschaden damals betrug zweieinhalb Milliarden Euro, erklärt Vize-Umweltminister Stanislaw Gawlowski:

"Wir haben aus den Hochwassern gelernt und viele Maßnahmen ergriffen, um uns zu schützen. Dazu gehören grundsätzliche Investitionen wie der Bau von Staubecken, die Modernisierung von Warnsystemen und die Schaffung von Rückhalteflächen. Wir können also ruhig schlafen, denn wir sind besser vorbereitet als 1997 oder 2010, den Jahren der extremen Flut."

Niederschlesien war 1997 das am schlimmsten betroffene Gebiet. Deshalb hat man hier am schnellsten mit dem Bau der ersten Schutzmaßnahmen begonnen, erklärt der Wojewode der polnischen Region Niederschlesien Aleksander Skorupa:

"Das Ergebnis dieser ersten Investitionen nach 1997 war, dass bei der Flut 2010 die Oder um 30 bis 70 cm weniger anstieg – eine bedeutende Verbesserung! Entscheidend dafür war der Bau des Staubeckens von Ratibor, der 185 Millionen Kubikmeter aufnehmen kann. Drumherum wurden Flächen geschaffen, die geflutet werden können. Im Moment sind wir dabei, das Netz der Wasserstraßen in Breslau zu modernisieren, das ja das größte Ballungsgebiet an der Oder ist. Die Hochwasserdämme, die wir hier bauen, sollen bis 2015 fertig sein."

Alte Deiche als zentrale Gefahrenquelle
Insgesamt stehen für den Hochwasserschutz über zwei Milliarden Euro zur Verfügung – Geld von der EU, Kredite der Weltbank und der Entwicklungsbank des Europarates sowie Mittel aus dem Budget der Regierung. Und dennoch sind die Deiche in vielen Gemeinden an der Oder für ein Hochwasser noch nicht gerüstet, bedauert Skorupa:

"Für die Deiche sind generell die Gemeinden zuständig, das heißt sie müssen sie finanzieren, können dafür aber auch EU-Mittel beantragen. Nur sind sie damit oft überfordert. In Slubice an der deutsch-polnischen Grenze zum Beispiel soll seit Jahren ein neuer Deich gebaut werden. Jetzt haben wir angeboten, ihnen zu helfen. Aber ich fürchte, das wird erst im nächsten Jahr geschehen."

Für den Hydrologen an der Warschauer Universität Artur Magnuszewski sind die Deiche deshalb auch eine der zentralen Gefahrenquellen beim drohenden Hochwasser:

"Während die neuen Wasserspeicher und die Staudämme echten Schutz gewährleisten, sind die Deiche und die kleinere Neben-Staudämme das schwächste Glied in der Kette. Ich bin dennoch zuversichtlich, denn bei dem Frühwarnsystem sind wir weiter als geplant – und können, wenn die Deiche nicht halten sollten, die Leute evakuieren. Wir werden bis Ende 2013 elektronische Landkarten haben, basierend auf hydrologischen Modellen, die die Risikogebiete anzeigen. Dann wissen wir, wo ist das Wasser, wie hoch ist es und welchen Verlauf wird es nehmen."

Auf das Frühwarnsystem ist auch der Vize-Umweltminister Gawlowski stolz, nicht nur, weil es eines der modernsten weltweit ist. Dieses System ist für ihn ein echter Fortschritt. Denn die Zeit zwischen "Gefahr erkennen" und "Reagieren" sei dadurch mindestens um die Hälfte reduziert worden:

"Wir haben über 1000 Stationen, die das Wasser beobachten – diese sind mit einem zentralen Computer verbunden, der bei Gefahr sofort die Krisenstäbe vor Ort informiert. Wir reden hier von Minuten und nicht von Stunden oder Tagen wie vorher. Aber – seien wir ehrlich – das Hochwasser jetzt in Deutschland hat gezeigt: Wir können noch soviel in Schutzmaßnahmen investieren, manchmal kommen wir gegen die Flutwelle trotzdem nicht an."
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