Hochseefischerei

Der jährliche Streit um die Fangquoten

Fischer auf dem Greifswalder Bodden
Fischer auf dem Greifswalder Bodden mit Heringen an Bord. © picture alliance / dpa / Foto: Jens Büttner
Von Jennifer Rieger |
Jedes Jahr wird aufs Neue um die Fangquoten in der EU gezankt. Die Fischer fürchten um ihren Lebensunterhalt, die Biologen um die Fischbestände und die Fischereilobby macht Druck auf die Politik. Dabei gäbe es eine einfache Lösung des Problems.
Kabeljau. In der Ostsee Dorsch genannt. Lateinischer Name: Gadus morhua. Bis zu zwei Meter lang. Bräunlich bis grünlich gefleckt, mit charakteristischer Kinnbartel. Wertvoller Speisefisch.
Rainer Froese: "Fische machen ja leider keine Geräusche, das ist ihr Hauptproblem! Wenn sie das tun würden, dann hätten wir vielleicht eher ne Lösung. Wenn sie schreien könnten."
Stella Nemecky: "Kurz und mittelfristig sind erholte Bestände natürlich nur mit Quotenkürzungen zu machen. Da führt kein Weg dran vorbei."
Randy Repenning: "Die machen ja jedes Jahr ihre Forschungsarbeiten, Bestandsaufnahme, wie der Fisch im Futter steht und, und, und. Meistens kommt raus, kürzen, jedes Jahr kürzen."
Kapitel 1: Der Fischer
Im Hafen von Strande bei Kiel liegen mehrere kleine Fischkutter, acht oder neun Meter lang. An gebündelten Bambusstecken mit Styroporschwimmern flattern kleine rote Fahnen – Markierungen für die Stellnetze. Im Einsatz waren sie heute nicht. Für die komplette Woche ist in der westlichen Ostsee Sturm angesagt. Die kleinen Kutter in Strande gehören Nebenerwerbsfischern. Hauptberuflich fischt hier nur einer: Randy Repenning. Auch sein Kutter bleibt heute im Hafen, mitfahren kann ich also nicht. Aber eine Besichtigung gibt es.
Randy Repenning: "Der hier vorne ist mein alter. Nicht der weiße, sondern der beige."
Wir laufen vorbei an Randys altem Kutter, Freya.
"Wollen wir verkaufen. Der ist nur neun Meter."
Ein paar Meter weiter liegt der neue: Die Strande II.
"11 Meter lang, 3,5 Meter breit. Maschinenantrieb hat 150 PS, Marschgeschwindigkeit 8 Knoten, Fahrtbereich 35 Seemeilen."
An der Bordwand hängen Taue, die Markierungsflaggen liegen in einem Bündel auf dem Boden. Hinten in zwei großen offenen Kästen, dem Hock, liegen die Netze.
Randy schließt die Tür zur Kajüte auf.
"Das ist das Logis, hier sind zwei Betten links und rechts, das ist die Kochecke mit einem Dieselofen. Dann haben wir Waschbecken, Kühlschrank, hier drin ist noch die Toilette, Dusche... wie auf 'nem Campingwagen."
Autorin: "Schön warm hier!"
Randy: "Heizung läuft ja."
So ein Kutter hat den Wert eines Einfamilienhauses
Der typische Seebär ist Randy nicht unbedingt. Er ist blond und sieht jugendlich aus. Keine Kapitänsmütze, kein Vollbart, und einen tätowierten Anker kann ich auch nicht entdecken. Randy ist 23. Den neuen Kutter hat er seit einem knappen Jahr. Gebraucht gekauft, Fangquote inklusive.
"Ja, das war ganz schwer. Es heißt ja immer Fördergelder, Fördergelder gibt's. Ich glaub, wir hatten schon ein Jahr gesucht und dann haben wir dieses Fahrzeug gefunden. Wegen meinem alten Kutter, der gehörte meinem Vater und mir zusammen, hatte ich keine Fördergelder bekommen. Und dadurch bin ich dann so zur Bank hingegangen und die fragte, haben Sie irgendwelche Sicherheiten? Ein Haus oder Grundstück... wer hat als 23-Jähriger denn schon ein Haus."
Irgendwie hat Randy es geschafft, die Bank zu überzeugen. Und jetzt zahlt er den Kutter ab.
"Dauert noch ein paar Jährchen. Der Kutter hat ungefähr den Wert von 'nem Haus.
Autorin: "Also so 100.000?"
Randy: "Noch mehr."
Autorin: "Viel mehr?"
Randy: "Ja!"
Trotzdem: im Moment kommt er gut klar, sagt Randy. Und etwas anderes hätte er sich sowieso nicht vorstellen können.
"Mein Vater fischt und dadurch bin ich von Geburt an bei ihm mitgefahren, sozusagen an Bord aufgewachsen. Da wusste ich schon von klein auf, dass ich das mal werden wollte, für mich gab es auch nix anderes."
Randy hat eine dreijährige Ausbildung zum Fischwirt gemacht, seit Anfang 2014 hat er sein Kapitänspatent. Er fischt hauptsächlich Dorsch, Butt und Hering. Ein typischer Arbeitstag sieht so aus:
"Meistens fahr ich um vier los von Strande aus, zu meinen Netzen, in der Kieler Bucht, je nachdem wo ich bin. Zurzeit fische ich hier auf Bülk, da fahr ich dann hin, hol meine Netze ein... meistens hab ich so 130 Netze im Schnitt draußen."
10 Tonnen Dorsch darf Randy dieses Jahr aus dem Wasser ziehen – so die Auflage der Fischereibehörde. Seinen Fang bietet er direkt im Hafen an, 12 Euro für ein Kilo Filet. Was er nicht losbekommt, verkauft er über die Genossenschaft – für etwa 1,80 Euro pro Kilo.
"Große Luftsprünge kannst du in der Fischerei nicht mehr machen wie früher, mal sagen, was kost' die Welt - das ist vorbei. Ich kann nur von denen erzählen von meiner Ausbildung, die haben sich dumm und dämlich verdient früher."
Die Fangquoten bereiten ihm Kopfzerbrechen. Denn bisher werden sie jedes Jahr neu vergeben – wenig Planungssicherheit für die Fischer.
"Erstmal kriegen wir für nächstes Jahr 20 Prozent Quotenkürzung auf Dorsch ..."
Also nur noch acht anstelle von zehn Tonnen.
"Das ist schon nervig als Jungunternehmer, hochverschuldet und dann Kürzungen und nochmal Kürzungen. Irgendwann geht das nicht mehr, dann sagt die Bank das war's. Her mit dem Kutter, tschüss."
Nur wenige Kutter sind übrig geblieben
Aber wenn Randy auf See ist, kann er all das auch mal hinter sich lassen.
"Wenn du hier morgens rausfährst kannst du auch mal abschalten. Du hast nicht diese ganzen Gesetze und dies und das. Du schaltest einfach ab, bist auf See, machst deine Arbeit, die Möwen fliegen um dich rum, schreien dich an, erstmal ist hier jeder Tag anders, dann hast du gute Tage, schlechte Tage... es ist immer Abwechslung, das ist was ich mag an dem Beruf."
Die Fangflotte der Ostsee hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verkleinert. Wo einst ein Kutter neben dem anderen im Hafen lag, sind heute nur noch wenige übriggeblieben. Nachwuchsfischer Randy Repenning mit seinen 23 Jahren ist eher die Ausnahme. Ob die Fischerei eine gute Karriereentscheidung war? So ganz sicher ist Randy sich da nicht. Er hofft einfach, dass es gut geht.
Kapitel 2: Die Fischereipolitik
Wenn ich schon in Strande nicht Schiff fahren konnte, dann wenigstens hier, im Hamburger Hafen. An den Landungsbrücken treffe ich Stella Nemecky von WWF, wir steigen auf die Fähre nach Finkenwerder.
Stella Nemecky: "Eine der besten Art und Weisen den Hamburger Hafen zu erkunden ohne sich auf so 'n Touriboot zu begeben!"
Stella ist studierte Meeresbiologin. Zuerst hat sie in der Forschung gearbeitet, irgendwann war ihr das zu wenig anwendungsbezogen. Seit vier Jahren arbeitet sie jetzt bei der Umweltschutzorganisation, Schwerpunkt Fischereipolitik. Während vor den Fenstern Kräne und Containerschiffe vorbeiziehen, erzählt sie, was bei den Regularien der Europäischen Union alles im Argen liegt:
"Die Fangquoten für die Ostsee werden immer im Oktober festgelegt und dieses Jahr hat man sich dazu entschieden, obwohl der Bestand deutliche Schonung benötigt hatte, den westlichen Dorschbestand weiter zu überfischen."
Die Dorschpopulation der Ostsee gliedert sich in zwei Bestände: den westlichen und den östlichen Dorsch. Die beiden Gruppen mischen sich kaum, die geographische Grenze verläuft etwa zwischen Rügen und der dänischen Insel Bornholm.
"Sorgenkind ist vor allem der westliche Dorsch. Insgesamt wurde für 2016 für den westlichen Dorsch eine Gesamtfangmenge von 12.720 Tonnen festgelegt, davon entfallen auf Deutschland 2.715 Tonnen."
Die Bestände zu überfischen hat fast schon Tradition
63 Prozent mehr als von Fischereibiologen empfohlen. Die Fischbestände der Ostsee zu überlasten hat fast schon Tradition. Seitdem die EU in den 1970er Jahren die Gemeinsame Fischereipolitik beschlossen hat, warnen Wissenschaftler immer wieder vor Überfischung. Die Gemeinsame Fischereipolitik regelt einerseits, welche Fangflotte der acht europäischen Ostsee-Anrainerstaaten in welchem Fanggebiet wie viel fischen darf. Andererseits soll sie auch dafür sorgen, dass das nachhaltig geschieht. Seit den 70ern wurde das System zwar mehrfach reformiert – allerdings nicht immer zum Besseren, sagt Stella:
"Wenn man die letzte Reform außer Acht lässt, ist das 30 Jahre verfehlte Politik. Man hat hier über Jahrzehnte hinweg zu hohe Fangquoten beschlossen. Man hatte am Ende die Situation, dass drei von vier Fischbeständen überfischt waren, dass die Kapazität der europäischen Flotte zwei bis dreimal so hoch war wie überhaupt Fangmöglichkeiten zur Verfügung standen."
Eines der Probleme der Ostseefischerei sah zuerst aus wie ein Triumph: die Fischer wurden besser und besser in ihrem Job. Unterstützt von immer stärkeren Schiffsmotoren, immer effizienteren Schleppnetzen, immer genaueren Unterwasser-Radarsystemen konnten sie dem Fisch auch noch im letzten Winkel der Ostsee nachstellen. Inzwischen ist der limitierende Faktor oft nicht die Fangquote – sondern der schwindende Fischbestand:
"2015 haben sie jetzt laut Informationen des Fischereiverbandes, ich hab mal nachgefragt, 35 Prozent der Quote ausgenutzt, die sie haben. Im letzten Jahr waren es 14 Prozent dessen was sie hätten fischen können, davor waren es 12. Also der Bestand ist im Moment sehr mager. Also diese Fische sind mager." (Anmerkung der Redaktion: Diese Informationen inklusive aller Zahlen und der Umstand, dass die Fische mager sind bezieht sich ausschließlich auf den östlichen Dorschbestand)
Ginge es nach den Empfehlungen der Wissenschaftler, müssten die Fangquoten für den westlichen Dorsch um die Hälfte gekürzt werden.
"Es wurde nicht gemacht! Seit Mitte der 90er wird diese Empfehlung systematisch ignoriert, systematisch wurde jedes Jahr die Quote doppelt so hoch angelegt. Da muss man sich nicht wundern, dass der Bestand irgendwann die Biege macht und sagt, nee, läuft nicht."
Spätestens mit der letzten Reform der gemeinsamen Fischereipolitik scheint diese Erkenntnis auch im Europaparlament angekommen zu sein. Seit dem 1. Januar 2014 ist sie in Kraft. Und sie sollte die große Wende markieren: Die Zauberformel heißt "maximum sustainable yield", höchstmöglicher Dauerertrag.
"Das ist die Menge Fisch, die jedes Jahr rausgeholt werden kann, aber eben auch nachwächst."
Bis 2020 soll der maximale Dauerertrag die Obergrenze für alle europäischen Fischbestände sein. Doch die Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und Ministerrat stecken schon seit Monaten in einer Sackgasse. Allein das Parlament verteidigt noch das Herz der Reform.
"Was jetzt die EU-Kommission und der Rat machen, ist, dass sie dieses Konzept aufweichen. Die haben gesagt, statt einem spezifischen Wert legen wir eine Spanne fest. Und von der vorgeschlagenen Spanne wäre es zum Beispiel so, dass man statt 8.000 Tonnen Dorsch 14.000 Tonnen Dorsch rausholen darf. Und das ist dann aber angeblich genauso nachhaltig. Ist es natürlich nicht!"
Die Verhandlungen um die Quoten stecken in einer Sackgasse
Ob sich die Bestände erholen können, hängt davon ab, wer sich in den Verhandlungen durchsetzen wird. Das Parlament muss stark bleiben und darf nicht vom maximalen Dauerertrag abweichen, fordert die Umweltschützerin. Und wenn es daran geht, die Gemeinsame Fischereipolitik umzusetzen, muss sie auch konsequent kontrolliert werden. Das bedeutet: Überwachung, gegebenenfalls Sanktionen.
"Es ist auch immer noch die Rede von Kameras an Bord. Natürlich hat da die Fischerei keine besondere Lust drauf. Jede Kassiererin an der Kasse muss sich gefallen lassen, dass es Kameras im Laden gibt, aber die große Freiheit auf See ist natürlich im Kopf eines Fischers unantastbar und soll das auch bleiben. Und das stößt natürlich auf Widerstand."
Unsere kleine Freiheit auf der Elbe ist nach einer knappen Stunde Fahrt zu Ende. Wir sind inzwischen nach Finkenwerder und wieder zurückgeschippert. Zeit, auszusteigen.
Bemerkenswert finde ich, wie wenig sich die Einschätzung der Umweltschützer mit der der Fischer deckt. Fragt man Randy Repenning und viele seiner Kollegen, ist genug Dorsch da – mal gibt es ein gutes Jahr, mal ein schlechtes, aber ernsthafte Sorgen um die Fischbestände machen sich die wenigsten. Das ist halt die Natur, sagen sie.
Stella Nemecky hat dafür eine Erklärung: Die Fischer fahren immer nur dorthin, wo der Dorsch sich aufhält. Gewissermaßen müsse man sich das vorstellen wie eine Weide mit einer Tränke an einem Ende. Sieht man sich die Gegend um die Tränke herum an, wo die Kühe stehen, wirkt es so, als sei die Weide voll. Dabei vergisst man aber, dass der Rest der Weide langsam immer leerer wird.
Kapitel 3: Die Wissenschaft
Wenn es um Fischereipolitik geht, hat auch die Wissenschaft einiges mitzureden. Zurück an der Kieler Förde, im GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung.
In einem Gang im Untergeschoss, wo Klimakammern vor sich hin brummen, hat Rainer Froese sein Büro. Er ist Fischereibiologe, ein streitbarer Vertreter seiner Zunft. Gerade hat er gemeinsam mit einem Kollegen einen offenen Brief an die Präsidentschaft der EU geschrieben,
Rainer Froese: " ...indem wir uns bitterlich beschwert haben, dass die gerade festgesetzten Fangraten für das Jahr 2016 deutlich über den Marken liegen, die die Bestände produzieren können."
Der Biologe beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Nahrungsquelle Meer, lange Zeit war er auf den Philippinen.
"Ich bin dann zurückgekommen nach Europa und war wirklich geschockt, als ich feststellte, dass die europäischen Bestände noch stärker überfischt waren als die auf den Philippinen oder irgendwo anders auf der Welt. Das war für mich völlig erschütternd. Ich hab mir diese Dokumente angesehen, eins nach dem anderen und ich konnte es nicht glauben, also mir kamen fast die Tränen."
Nachhaltig wäre eine Fangquote von 20 Prozent
Auf dem Tisch vor uns liegen die offiziellen Zahlen des Internationalen Rates für Meeresforschung, die der Entscheidung über die EU-Fangquoten zugrunde liegen.
"Man sieht das hier so ein bisschen... das hier ist der Fischereidruck, welcher Anteil wird pro Jahr weggefangen."
Mehrere Grafiken illustrieren die Entwicklung der Dorschfänge in der westlichen Ostsee von 1994 bis heute. Die eindrücklichste zeigt eine gezackte Linie: die fischereibedingte Mortalität.
"Man kann das in Prozent ausdrücken..."
Also der Anteil an Dorschen, die weggefischt werden. Nachhaltig wäre ein Anteil von etwa 20 Prozent.
"...bei denen die eher langsam wüchsig sind, Kabeljau, sind es eigentlich eher 15 Prozent. Aber die kann man jedes Jahr wieder rausnehmen. Ein Tischlein-deck-dich. Eigentlich wunderbar."
Die empfohlenen 20 Prozent sind in der Grafik als rote Linie dargestellt. Weit unterhalb der gezackten Linie.
"Und wie viel haben wir stattdessen rausgenommen? Wir haben bis zu 100 Prozent rausgenommen! Was völlig verrückt ist. Hier, eins. Das heißt wir haben alle rausgenommen, die wir fischen konnten."
In der Hoffnung, dass die nächste Dorsch-Generation – die Fische, die noch zu klein sind um von der Fischerei erfasst zu werden – nachwachsen und den Bestand auffüllen.
"Völliger Wahnsinn. Die offizielle Fischereipolitik war, 60 Prozent pro Jahr rauszunehmen, wo 20 Prozent nachhaltig sind. Das sieht man ja hier ganz schön, das sind die offiziellen Zahlen."
Um diese Zahlen zu erheben fahren europäische Fischereiwissenschaftler regelmäßig mit Forschungsschiffen auf die Ostsee, steuern Zufallsstationen an und fischen immer mit den gleichen, standardisierten Netzen. Die Daten reichen Jahrzehnte zurück. So können die Forscher hochrechnen, wie viele Fische es gibt und wie sich die Bestände entwickeln. Für den Dorsch spielen mehrere Umweltfaktoren eine Rolle: der Klimawandel, Nährstoffe aus der Landwirtschaft, die in der Ostsee landen, der wechselnde Salzgehalt des Wassers.
Dorsche können über 15 Jahre alt werden. Doch im Moment liegt ihre durchschnittliche Lebenserwartung bei etwa vier Jahren.
"Außerdem werden die viel zu klein gefischt. Lange bevor sie geschlechtsreif werden und auch das - wie blöd kann man sein. Fische verdoppeln ihr Gewicht fast pro Jahr, die Anzahl der Eier verdoppelt sich dann auch fast pro Jahr, wenn sie geschlechtsreif sind. Man müsste sie eigentlich zwei- bis dreimal ablaichen lassen und dann erst fangen."
Und das wäre die Lösung. Denn der Dorschbestand hat durchaus die Kapazität, sich sehr schnell zu erholen:
"Die Fische wissen noch, wie man wachsen kann und das Ökosystem kann auch immer noch die Fischbestände unterstützen."
"Die Ministerien sind der Fischereilobby hörig"
Würden die Fangquoten für 2016 um die Hälfte gekürzt, könnte man bereits 2017 zu den alten Quoten zurückkehren und sie im Jahr darauf vermutlich sogar erhöhen. Das würde nicht nur beim Dorsch funktionieren, sondern bei fast allen Fischbeständen, meint der Fischereibiologe.
"Das wäre eine Investition in höhere Gewinne in der Zukunft, die jedes Unternehmen sofort machen würde."
Klingt fast zu einfach. Warum wird es nicht gemacht?
"Die Ministerien sind leider hörig der Fischereilobby und die Fischereilobby hat einen Horizont der reicht immer nur ein Jahr weit. Die gucken nicht, wie wären die Gewinne unserer Fischer in zwei, drei Jahren wenn wir jetzt ein bisschen weniger fangen. Es sollen immer im nächsten Jahr die Fänge so hoch wie möglich sein."
Doch die Arbeit des Fischereibiologen und die unermüdlichen Ermahnungen der Umweltschutzorganisationen scheint Früchte zu tragen. Mit der Fischereireform von 2013 wurden nachhaltiger Fischfang und die entsprechenden Obergrenzen in Gesetzesform gegossen.
"Es gibt keine Debatte mehr, was richtig ist, es ist nicht, was Froese sagt, sondern was das Gesetz sagt. Dankeschön! Aber es nützt uns nichts, wir müssen jetzt darum kämpfen, dass das Gesetz auch angewandt wird, komisch wie es ist."
Ich mache einen Abstecher in das Aquarium des Instituts. Und bekomme endlich die Hauptfigur meiner Reportage zu Gesicht, das Objekt der Fischereibegierde: In Becken 7 schwimmen die Dorsche friedlich und ungestört zwischen Tang und Seeigeln umher. Währenddessen stellen sich ihre Artgenossen draußen in der Ostsee dem Überlebenskampf. Vielleicht, hoffentlich bald mit unserer Unterstützung?
Rainer Froese: "Das Hauptproblem der Fischerei ist, dass die Fischereilobby zu viel Einfluss hat und dass die Politik zu viel auf die Lobby hört anstatt sich mit den objektiven wirtschaftlichen Interessen der Fischer mal zu befassen."
Stella Nemecky: "Das größte Problem bei der Quotenvergabe ist, dass die Politiker kurzfristige Interessen und politische Entscheidungen im Kopf haben und nicht den Wiederaufbau der Fischbestände."
Randy Repenning: "Dann sollen die uns für ein paar Jahre stilllegen und so auszahlen, dann fischen wir nicht. Dann würde sich der Bestand am schnellsten erholen. Sollen sie uns ordentlich auszahlen, dann fahren wir nicht."
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