HIV

Zwischen Angst und Aufklärung

Die rote Schleife als Zeichen der Solidarität mit HIV-infizierten Menschen
Eine gute Tradition: die rote Schleife als Zeichen der Solidarität mit HIV-infizierten Menschen © dpa/picture-alliance/Oliver Berg
Von Christian Rabhansl · 27.10.2014
Das Landgericht Oldenburg hat eine HIV-positive Frau verurteilt, die ungeschützt Sex hatte. Die Entscheidung zeigt eine recht rigide Art, mit Infizierten umzugehen. Doch seit den ersten Todesfällen Anfang der 80er-Jahre gab es auch andere Beispiele.
Plötzlich brechen sie zusammen: scheinbar gesunde, junge Männer. Was ist bloß los?
"Just what is wrong with Rock Hudson? The nature of his illness has become clouded in mystery and confusion. Yesterday it was reported he had liver cancer and possibly aids."
"AIDS: Horror-Kürzel für die schlimmste Seuche unserer Zeit."
"The probable cause of aids has been found: a variant of a known human cancer virus."
Kirchen sprachen von "Strafe Gottes"
"Schwulenkrebs" heißt es rasch, die Infizierten sind stigmatisiert. Kirchen und Konservative fabulieren von einer "Strafe Gottes" für die schmutzige Liebe. Als das HI-Virus entdeckt wird, bricht die große Aids-Panik aus. Infizierte registrieren? Wegsperren? Die Diskussion in der schwarz-gelben Regierung ist hart: Man nennt sich gegenseitig "besessen", "verklemmt-fanatisch", "niveaulos". Gesundheitsministerin Rita Süßmuth dagegen wirbt mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Zusammenhalt statt Ausgrenzung.
"Gleichgültigkeit führt zur Ausbreitung von Aids. Das Problem geht jeden an."
"Ich denke es war sehr wichtig, vor allem dass man das rechtzeitig gemacht hat und auf eine gesellschaftliche Lernstrategie gesetzt hat..."
- sagt Armin Schafberger, zuständig bei der Deutschen Aidshilfe für Gesundheitspolitik -
"...das heißt Aufklärung, Information... - und vor allem auch die Gruppen, die besonders stark von HIV bedroht sind, nicht auszugrenzen und nicht zu diskriminieren, sondern im Gegenteil in die Prävention einzubinden."
Mit Plakaten und Fernsehspots.
"Ich bin leider infiziert. Schützen Sie sich vor Aids und helfen Sie uns Betroffenen auch durch ehrliche Zuwendung menschenwürdig weiterzuleben."
Zahl der HIV-Positiven in Deutschland ist stabil
Niemand muss sich schämen, einen Test zu machen oder schlicht Kondome zu kaufen. Das ist die Botschaft, die die deutsche "Gib Aids keine Chance"-Kampagne möglichst unverkrampft rüberbringen will.
Werbespot: "Tina, was kosten die Kondome?"
"Gulp"
Ein Präventionsansatz, der anscheinend aufgeht.
"Das hat dazu geführt, dass wir in Deutschland heute im Vergleich zu anderen Ländern recht gut dastehen."
Die Zahl der HIV-Positiven in Deutschland und die Infektionszahlen sinken zwar nicht, aber sie sind immerhin stabil.
"Wenn man nach Osteuropa schaut, nach Russland, Ukraine, Weißrussland, diese Länder haben zum Beispiel eine sehr hohe Rate an Neuinfektionen durch Drogengebrauchende, auch bei schwulen Männern, und beide Gruppen werden extrem stark diskriminiert."
Heute kann man mit dem HIV alt werden
In Deutschland und anderen reichen Ländern hat HIV einen Teil des Schreckens verloren. Heute kann man mit dem Virus alt werden, oft mit nur einer Tablette am Tag. Und wer gut therapiert wird, ist nicht einmal mehr infektiös. Deshalb ist aber längst nicht alles gut. Denn viele kommunalen Träger haben in den letzten Jahren die Gelder der Aids-Hilfe-Vereine zusammengestrichen.
"Und das macht sich bemerkbar. Es macht sich nicht nur in den Aids-Hilfen bemerkbar, es macht sich in den Gesundheitsämtern bemerkbar. Wir müssten mehr Testeinrichtungen haben zum Beispiel, mehr anonyme, niedrigschwellige Tests, wo sich Menschen nicht nur auf HIV, sondern auch auf Syphilis, auf Chlamydien und Tripper untersuchen lassen können – und wir haben nicht genug davon."
Dabei kommen manche dieser fast vergessenen Krankheiten mit Wucht zurück.
"Wir hatten vor fünf Jahren noch circa 3000 Syphilis-Fälle, nun sind's 5000."
Ein doppeltes Problem, denn die sexuell übertragbaren Krankheiten helfen einander bei der Verbreitung. Wer Syphilis oder Tripper hat, ist anfälliger für HIV. Und es droht die nächste Schwierigkeit.
"Man kann beim Tripper quasi die Uhr danach stellen – oder den Kalender schonmal einjustieren – nach spätestens zehn Jahren kann man die und die Medikamentengruppe nicht mehr verwenden; da haben sich Resistenzen gebildet. Und es gibt nicht mehr allzu viele Medikamente, die man in Reserve hat."
Die Pharmaindustrie entwickle nicht ausreichend Antibiotika gegen Tripper, sagt der Mediziner. Bleibt also: weiter aufklären.
Collage: "Ich will's zärtlich" – "Ich will's endlich" – "Ich will's romantisch" – "Mach's, aber mach's mit"
Die aktuelle Kampagne der Aids-Hilfe nennt deshalb nicht mehr nur HIV, sondern auch die anderen sexuell übertragbaren Krankheiten – kurz: STI.
Collage: "Schütz Dich vor HIV und STI. Informier Dich."
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