Elegant und klimafreundlich

Der Fächer ist zurück!

04:41 Minuten
Street Style: Ein Mann mit buntem Fächer auf der Fashion Week in Mailand, 2022.
Street Style: Ein Mann mit Fächer auf der Fashion Week 2022 in Mailand. © Getty Images / Edward Berthelot
Von Julia Macher · 13.08.2022
Audio herunterladen
Wie kühlt man sich in diesem Rekordsommer richtig ab? In der Debatte um Hitzewelle, Klimakrise und explodierende Energiepreise lohnt ein Blick nach Spanien. Dort erlebt eine traditionsreiche handbetriebene Klimaanlage eine Renaissance: der Fächer.
Ob die Mittfünfzigerin in der U-Bahn, die beiden jungen Männer im Straßencafé oder die gestresste Mutter mit ihrem quengelnden Vierjährigen an der Supermarktkasse: Es ratscht und wogt an allen Enden.
„Lange Zeit haben in Spanien nur ältere Frauen den Fächer genutzt. Man hat ihn vergessen. Aber jetzt erlebt er seine Wiederauferstehung – auch dank der Klimakrise“, sagt Olivier Bernoux, französisch-spanischer Designer und Fächer-Spezialist.
„Es ist einfach die eleganteste, raffinierteste und nachhaltigste Art und Weise Hitze zu bekämpfen. Ein Fächer passt in jede Hand und jede Handtasche. Er ist überall einsetzbar und erfrischt ungemein“, erklärt er.
Eine ausschließlich mit regenerativer motorischer Energie betriebene Klimaanlage. Installationskosten: null. Anfangsinvestition: um die zehn Euro. Ökologischer und günstiger kann Adaption an die steigenden Temperaturen kaum sein. Selbst die spanische Regierung, die die Raumtemperatur aus Energiespargründen auf 27 Grad begrenzt hat, kann nichts dagegen haben.

„Der Inbegriff der Sinnlichkeit“

Allerdings sind die Exemplare, die Olivier Bernoux anfertigt, etwas teurer. In seiner Madrider Boutique kostet der günstigste Fächer aus eng aneinandergesetzten, geschliffenen Holzplättchen 69 Euro. Das Modell Marilyn aus mit fluffigen, schwarzen Straußenfedern besetztem Ebenholz schlägt mit 2800 Euro zu Buche. Haute Couture für die angeblich effektivste „Verführungswaffe“ der Welt.

Für mich ist ein Fächer der Inbegriff der Sinnlichkeit. Einen Fächer zu öffnen und zu schließen, hat eine unvergleichliche erotische Kraft. Ein Fächer ist elegant und sinnlich zugleich.

Olivier Bernoux

Olivier Bernoux streift über die gefiederten Schmuckstücke und mit schwarzer Seide bespannten Exemplare in den Regalen, nimmt schließlich einen länglichen Gegenstand heraus, der entfernt an ein Reptil erinnert.
„Dieser zum Beispiel hat in geschlossenem Zustand durch die Krokodilschuppen an den Seiten etwas sehr Aggressives. Aber wenn du ihn öffnest, ist es pure Eleganz aus schwarzer Seide“, erklärt er. „So einen Fächer nutzen sowohl Frauen wie Männer.“

Fächerkunstwerke für die Stars

Bernoux ist derzeit das Hätschelkind aller spanischen Medien. Schließlich hat er in den letzten Sommern Beyoncé, Madonna, Julia Roberts, den spanischen Popstar Rosalía und jede Menge anderer Influencerinnen mit seinen opulenten Fächerkunstwerken beglückt.
Olivier Bernoux Shop: Luxus Fächer im Schaufenster in Madrid.
Olivier Bernoux designt Luxus-Fächer in Madrid.© Getty Images / Cristina Arias
Und auch jenseits der Edelboutiquen findet der handbetriebene Ventilator, der Abanico, reißenden Absatz, weil Hitzewellen inzwischen auch über London und Berlin schwappen und er wie kein anderes Accessoire einem neuen Selbstverständnis Rechnung trägt.
Olivier Bernoux hat beobachtet, dass sich die Technik des Luft Zufächelns in den letzten Jahren von Grund auf geändert hat. Der Fächer ist zu einem Symbol des Empowerments geworden.

Bei der traditionellen Technik hält man den Fächer auf Brusthöhe und fächelt die Luft von unten nach oben. Heute hebt man den Ellenbogen seitlich und fächelt auf der Höhe des Gesichts. Man hält ihn also wie eine Art Fahne und besagt damit: Hallo, hier bin ich.

Olivier Bernoux

„Du gefällst mir, komm rüber!“

Dabei war der Fächer schon immer ein Kommunikationsmittel, erzählt der Designer. Im prüden 18. und 19. Jahrhundert sandten die Damen der Gesellschaft den sie anschmachtenden Jünglingen damit Botschaften durch die Luft.
„Wenn beim Tanzabend eine junge Frau ihren Fächer öffnete und schloss und dann ans Ohr hielt, hieß das: Du gefällst mir, komm rüber und sprich mich an. Heutzutage versteht das natürlich keiner mehr. Aber wir haben die Fächersprache ganz pragmatisch ins Heute übersetzt“, erklärt er.
„Auf diesem hier steht auf der einen Seite, um Nervensägen loszuwerden: ‚Fuck you!‘ Aber wenn du jemanden entdeckst, der dir gefällt, dann zeigst du die andere Seite. Auf der steht: ‚Fuck me!‘ Der verkauft sich super“, erzählt er lachend.
Der Fächer macht das Leben leichter, ob als transportable Klimaanlage oder Kommunikationsinstrument. Er ist das Lifestyle-Accessoire dieser und aller kommenden Hitzeperioden. Lang lebe der Fächer.

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema