Hitlers Hetzschrift

Diskussion über "Mein Kampf" in Israel

Das geöffnete Buch von Adolf Hitlers Propagandaschrift "Mein Kampf" steht in einem Bücherregal.
Das Urheberrecht ist abgelaufen, ab diesem Jahr darf das Buch wieder gedruckt werden. © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Christian Wagner · 08.01.2016
In Israel ist eine gekürzte Fassung von Hitlers "Mein Kampf" schon in den 80er-Jahren erschienen, auf Hebräisch. Jetzt wird über die Re-Publikation in Deutschland diskutiert. Einen aufklärenden Effekt erhofft kaum ein Historiker.
In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist eine Originalausgabe ausgestellt, die Parlamentsbibliothek der Knesset hat ein englisches Exemplar im Regal und überhaupt: Auf Hebräisch konnte man Hitlers "Mein Kampf" schon in den 80er-Jahren kaufen und lesen, verboten war Hitlers Hetzschrift in Israel nie.
Mitherausgeber der gekürzten hebräischen Übersetzung war Oded Heilbronner. Der Historiker von der Hebräischen Universität in Jerusalem erklärt dem israelischen Publikum im Fernsehen in diesen Tagen, welche Bedeutung "Mein Kampf" in Nazi-Deutschland hatte:
"Das hat damals wohl jeder gelesen, daraus zitiert. Wer seine Taten rechtfertigen wollte, konnte pauschal auf den Führer verweisen. Auf das Buch konnte man sich stützen, auch in den Schulen und Universitäten in Nazi-Deutschland."

"Neonazis gibt es überall"

Egal ob Ha'aretz, Yedioth Ahronoth oder Ma'ariv - die israelischen Tageszeitungen berichten seit Wochen über die kommentierte Neu-Ausgabe in Deutschland. Die Leser bekommen erklärt, dass der Freistaat Bayern mit dem Urheberrecht eine Veröffentlichung jetzt nicht mehr verhindern kann, dass deshalb eine wissenschaftliche Ausgabe mit Kommentar und Anmerkungen herauskommt.
"'Mein Kampf' ist ja längst weit verbreitet, auch auf Arabisch. Es gibt mindestens vier englische Ausgaben, die ersten in den 30er-Jahren. Und seitdem nutzt jeder dieses Buch für seine Zwecke. Neonazis gibt es überall."
Dabei bricht die Diskussion über deutsche Verantwortung für den Holocaust auch in Israel immer wieder auf. Zuletzt, als Ministerpräsident Netanjahu im vergangenen Oktober erklärte, Hitler habe die Juden zunächst nicht vernichten wollen. Erst der damalige Großmufti von Jerusalem, Haj Amin al-Husseini, habe Hitler - 1941 in Berlin - dazu gedrängt.
"Aber Haj Amin al-Husseini klagte, dann kommen sie alle zu uns nach Jerusalem. Hitler fragte, was soll ich dann mit den Juden tun? Und der Mufti sagte: 'Verbrenn sie.'"
Die Muslime seien mitverantwortlich für die Judenvernichtung der Nationalsozialisten? Auch auf diese Behauptung des israelischen Regierungschefs antwortet der deutsch-israelische Publizist und Zeithistoriker Rafael Seligmann, wenn er sagt:
"Ich möchte, dass diese Lügen auch aufhören, Hitler hätte es gar nicht so gemeint und hätte gar nicht davon gewusst. Nein, er hat diese Ideen des Hasses vertreten und abgearbeitet."

Hitlers Machwerk entmystifizieren

Kaum jemand werde die kommentierte Ausgabe mit ihren 2000 Seiten wirklich lesen, davon ist auch Rafael Seligmann überzeugt. Aber trotzdem könne Hitlers Machwerk "entmystifiziert" werden - und: Man könne mit Hitlers "Mein Kampf" Deutschland unter Hitler besser verstehen:
"Es wird ja heute so getan, als ob's niemand gelesen hätte. Es haben durchaus Menschen gelesen, die hatten ein ähnliches Bildungsniveau und ein ähnliches Sprachvermögen. Diese Formeln zusammen mit seinem Gebrüll, kamen an. Also Hitler hat das herausgebrüllt, was sehr viele Deutsche dachten."
Was die Deutschen dachten, das ist eine Frage, die die Menschen in Israel auch heute durchaus beschäftigt.
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