Historische Bühnenkonstruktion am Festspielhaus Hellerau

Adolphe-Appia-Bühne wird wieder aufgebaut

Das Festspielhaus Hellerau in Dresden
Das Festspielhaus Hellerau in Dresden © dpa / picture alliance / Franz-Peter Tschauner
Intendant Dieter Jaenicke im Gespräch mit Janis El-Bira · 07.10.2017
Die legendäre Bühnenkonstruktion von Adolphe Appia aus dem Jahr 1913 wird wieder aufgebaut - am Festspielhaus Hellerau. Einen Monat lang werden internationale Künstler auf der rekonstruierten Bühne auftreten. Über das Großprojekt sprechen wir mit dem Intendanten Dieter Jaenicke.
Von einem Theaterwunder sprachen Zeitzeugen, von einer Bühne, wie sie dieser Art noch nie zuvor zu sehen war. Es ist das Jahr 1913 – der Ort: Das Festspielhaus Hellerau, das heute zu Dresden gehört. Der Bühnenbildner Adolphe Appia und der Lichtkünstler Alexander von Salzmann hatten hier einen Bühnenraum entworfen, der in seiner reduzierten, schlichten Geradlinigkeit völlig quer stand zum illusionistischen Prunk seiner Zeit. Die Sensation lockte Künstler aus aller Welt nach Hellerau und Appias berühmte Bühne wurde prägend für die moderne Theaterästhetik.

Legendärer Raum, den kein heute Lebender je gesehen hat

Am Festspielhaus Hellerau will man nun nach mehrjähriger Recherche diesen legendären Raum in die Gegenwart übertragen. Einen Monat lang werden dafür internationale Künstler in einer originalgetreuen Rekonstruktion der Appia-Bühne von 1913 auftreten. Ein Großprojekt, über das der Hellerauer Intendant Dieter Jaenicke im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur sagt.
"Ich glaube, man kann wirklich sagen, dass diese Bühne so etwas wie der Prototyp der neuen Bühne der Moderne des 20. Jahrhunderts geworden ist. Viele große Theatermacher, angefangen von Max Reinhardt bis Peter Brook und Robert Wilson, haben sich auf diese Bühne bezogen. Aber es hat sie keiner, der noch lebt, je gesehen! Und das war dann für uns das Motiv, zu sagen, wir wollen diesen Raum insgesamt noch einmal rekonstruieren."
Die Zuschauer, die am 17. Oktober das Hellerauer Festspielhaus betreten, erwarte nun "ein Raum, in dem man keinerlei Strukturen von irgendeinem Gebäude sieht, sondern es ist ein weißer Quader aus weißen Leinentüchern. Boden und Decke und Wände und Bühne: Alles ist weiß. Die Bühne selbst hat so etwas von weichen Wellenbewegungen und fügt sich absolut harmonisch in diesen gesamten Lichtraum."

5.500 Glühbirnen aus Weißrussland

Überhaupt sei das Licht, das seinerzeit von dem Künstler Alexander von Salzmann entworfen worden war, so Jaenicke, eine der bemerkenswertesten Elemente der legendären Bühne.
Dieter Jaenicke, Intendant des Europäischen Zentrums der Künste Dresden
Dieter Jaenicke, Intendant des Europäischen Zentrums der Künste Dresden© dpa / Monika Skolimowska
"Hinter diesem weißen Raum sind 5.500 Glühbirnen mit ihren Fassungen und Verkabelungen angebracht. Das war auch original so. Und diese Glühbirnen lassen sich dimmen. Die waren gar nicht so einfach zu bekommen – unsere Techniker haben die bei einer Firma in Weißrussland aufgetrieben. Aber wir wollten schon die original Glühbirnen haben! Das ist ein unglaublich warmes und voluminöses Licht, das den ganzen Raum in jeden kleinsten Winkel hinein in gleicher Weise beleuchtet und das tatsächlich keine Schatten wirft."

Kein Theatermuseum trotz historischer Bühne

Für den Monat, während dem die Appia-Bühne nun wieder bespielt werden soll, hat das Hellerauer Festspielhaus hochprominente Künstler gewinnen können. Darunter Robert Wilson, Richard Siegal, William Forsythe oder Constanza Macras. Von ihnen erwartet Jaenicke eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit dem berühmten Raum – keinesfalls soll hier ein Theatermuseum entstehen:
"Wir haben (die Künstler) gebeten, den Raum und die Bühne wieder zu dekonstruieren – also auseinanderzunehmen und sie mit einer ganz heutigen, ganz zeitgenössischen Kunst zu spiegeln. Denn sind kein Museum. Wir wollen nicht irgendetwas nachspielen, was auch ästhetisch heute nicht mehr so wirken würde wie damals. Aber der Raum, das ist das Entscheidende, der ist offenbar in seinem Eindruck völlig zeitlos."
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