Historische Aufnahmen

Der Pianist Herbert Henck spielt Bach

Porträt der Pianisten Herbert Henck.
Für seine Interpretationen Neuer Musik ist er berühmt - heute wird er mit Bach vorgestellt: Herbert Henck. © Herbert Henck / Jutta Riedel-Henck, ECM Rcords
Moderation: Ruth Jarre |
Berühmt wurden seine Aufnahmen von Stockhausen, Cage und Ives. Doch Herbert Henck hat sich auch mit der barocken Musik Bachs auseinandergesetzt – mit den emotional vielschichtigen 24 Präludien und Fugen des "Wohltemperierten Klaviers".
Für einige ist die Sammlung von Johann Sebastian Bach eine Art "Bibel der Pianisten". Altes Testament und Neues Testament finden ihre Spiegelung im ersten und zweiten Band des "Wohltemperierten Klavieres", jeweils mit 24 Präludien und Fugen bestückt, beide Bände kreisen durch alle Tonarten. Von C, Cis, D-Dur, dazwischen die entsprechenden Moll-Varianten usw.
Die Autographen des "Wohltemperierten Klaviers" von Johann Sebastian Bach werden in der Staatsbibliothek in Berlin aufbewahrt.
Die Autographen des "Wohltemperierten Klaviers" von Johann Sebastian Bach werden in der Staatsbibliothek in Berlin aufbewahrt.© picture alliance / dpa / Soeren Stache
Für andere ist das "WK", wie es manchmal fast in Koseform genannt wird, ein emotionaler Sonnenkreis. Für jede Gemütslage scheint eins der Präludien oder Fugen perfekt zu passen, geschrieben in allen Tonarten, die unser Notensystem zur Verfügung stellt – einmal in der Dur- und dann in der moll-Variante.

Für Instrumente mit Tasten

Für Johann Sebastian Bach war es auch eine Art Experiment. Seine Instrumente, die er auf dem Cover der Sammlung mit "Clavier" bezeichnete, lässt keinen unbedingten Rückschluss auf "das Klavier" im heutigen Format zu. Unter der Bezeichnung verstand man damals einen Sammelbegriff, der eher "Tasteninstrumente" meinte, womit ein Cembalo gemeint sein konnte, ebenso eine Orgel oder auch die ersten Hammerklavier-Varianten, die auf den Markt kamen.
Die Tastatur eines historischen Klaviers.
Neuer Klang in den Instrumenten, die Hämmerchen benutzten, die auf die Saiten schlugen und den Ton erzeugten - der letzte Schrei zu Bachs Zeiten.© imago / fotoimedia
Bach war als Pianist an diesen Entwicklungen enorm interessiert, weil sie eben auch eine Veränderung im Klang boten. Das Cembalo, das Saiten anriss und ohne Pedal, das Töne länger schwingen ließ, auskam, könnte Rückschlüsse auf einen eher harten Klangcharakter der Stücke zulassen. Die Orgel mit ihren mächtigen Soundmöglichkeiten bot ein ganz anderes Erleben der Stücke.
Noten von Johann-Sebastian Bach liegen auf einer modernen Orgel.
Auch ein Tasteninstrument, das Bach wie kein Zweiter seiner Zeit beherrschte: die Orgel.© picture alliance / dpa - Jan Woitas
Festgelegt ist die Wahl eines Instrumentes nicht. Bekannt ist, dass Bach seine Instrumente selbst gestimmt hat. Der Beruf des Klavierstimmers war noch nicht erfunden. Bach zurrte oder lockerte die Saiten seiner Tasteninstrumente, so, wie es heute noch die Harfenisten täglich tun.
Neu war die Entwicklung, eine "wohltemperierte" Stimmung zu erzeugen. Das heißt: kleine Instrumente wurden früher so gestimmt, dass sie in einer Grundtonart schön klangen. Verrückte harmonische Rückungen, wie sie in der Musik z.B. von Franz Liszt zu erleben sind, waren auf den Instrumenten damals nicht möglich.

Reine Stimmung gegen "wohltemperierte"

Spielte man ein solches Stück auf einem damals gestimmten Instrument, würden wir uns über unlogische Tonfolgen wundern. Sie lägen uns "verstimmt" im Ohr. Eine wohltemperierte Stimmung ermöglichte eben diesen Ritt durch die harmonischen Weiten: alle Tonarten klingen logisch. Bach erlebte den Abschluss dieser musikalischen Revolution, dass Instrumente "wohltemperiert" erklangen.

Historische Treue?

Mit diesem baulichen, klanglichen und überhaupt historischen Begebenheiten auch der Entstehung dieser Sammlung hat sich der Pianist Herbert Henck lange beschäftigt und in einem Aufsatz konstatiert: "Historische Treue und wissenschaftliche Belegbarkeit führten nicht zwangsläufig zu bewegenden, lebendigen Interpretationen." Seine Interpretation des ersten Bandes kann in dieser Sendung entdeckt werden.
Porträt von Herbert Henck vor einer roten Ziegelsteinmauer.
Credo des Pianisten Herbert Henck: Unverwechselbarkeit und damit Schönheit erzeugen.© Herbert Henck / Jutta Riedel-Henck, ECM Rcords
Der Pianist Herbert Henck, Jahrgang 1948, hat über 50 Schallplatten- und CD-Einspielungen vorgelegt. So intensiv er sich mit Bach beschäftigt hat, ist er doch ein Pianist, der in seinen Konzerten vor allem Musik des 20. und 21. Jahrhunderts gespielt hat. Eine musikalische Vorliebe hat der dem Komponisten Charles Ives entgegengebracht. Seit 2015 konzertiert er nicht mehr.

Biographische Notizen zum Pianisten

Seine erste Ausbildung erhielt er am Konservatorium in Mannheim, dem folgte ein Studium an der Musikhochschule in Stuttgart. 1975 schloss er sein Studium in Köln mit einem Konzertexamen ab. Im Jahr 1986 erhielt er den Deutschen Kritikerpreis und 1989 wurde ihm der Schneider-Schott-Musikpreis Mainz zu teil. Im Jahr 2015 zog er sich vom Konzertpodium zurück.
(CdR)
Wiedergabe einer Rundfunkaufnahme aus dem Jahr 1987.
Johann Sebastian Bach
"Das wohltemperierte Klavier" (1. Buch)

Herbert Henck, Klavier

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