Historikerin über die CDU nach Merkel

"Eine Partei lässt sich nicht so schnell umprägen"

Merkel steht auf der Bühne und spricht zu den Delegierten. Sie ist aus der Ferne fotografiert, der Blick auf sie wird durch die Schatten von Zuschauern eingeschränkt.
Angela Merkel hat die CDU 18 Jahre lang geführt und geprägt. Ute Frevert spricht von einem "Linksruck", wenn auch "subkutan". © AFP/Stefanie LOOS
Ute Frevert im Gespräch mit Dieter Kassel · 31.10.2018
Mehrere CDU-Politiker wollen für den Parteivorsitz antreten. Darunter Friedrich Merz, der nach 14 Jahren bundespolitischer Pause quasi als neues Gesicht gilt. Die Historikerin Ute Frevert hält nichts davon, auf einen vermeintlichen Retter zu setzen.
Nach dem angekündigten Verzicht von Kanzlerin Merkel auf den CDU-Vorsitz läuft die Diskussion darüber, in welche Richtung sich die Partei entwickeln werde. Doch ist mit einem Personalwechsel schon eine neue Politik zu erwarten? "Nicht automatisch", sagt Ute Frevert. Denn die Person, die die Partei so lange geführt hat, habe diese auch geprägt: "Eine Partei lässt sich nicht so schnell umprägen."
Porträt von Ute Frevert, Direktorin des Forschungsbereiches „Geschichte der Gefühle“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin
Ute Frevert, Direktorin des Forschungsbereiches „Geschichte der Gefühle“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin© imago / Hans Scherhaufer

CDU hat sich in den Merkel-Jahren verändert

In den Merkel-Jahren habe sich die CDU "unglaublich bewegt", so die Historikerin, die die Geschichte der Gefühle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin erforscht: "Es ist nicht zu erwarten, dass jetzt jemand anderes diese Partei sofort auf ein ganz anderes Gleis setzen wird. Das geht gar nicht." Dazu habe sich die politische Stimmung und Richtung viel zu stark verändert:
"Wir können nicht wieder zurück in eine alte CDU, die sozusagen eher christlich-konservative Werte geprägt hat. Diese Werte haben sich verändert, und damit verändern sich auch die Menschen und es verändert sich natürlich auch das Führungspersonal."
Friedrich Merz (CDU), Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke, beim Wirtschaftstag 2018 des CDU-Wirtschaftsrats
Friedrich Merz (CDU) gilt als Merkel-Kritiker. Von einer Rückkehr in die Politik des früheren Fraktionschefs versprechen sich manche mehr Konservatismus in der Partei.© picture alliance/ dpa/ Jens Büttner

Warnung vor dem Schulz-Effekt

Gleichwohl bringe ein neues Gesicht einen neuen Ton und neue Kommunikationsformen in die Politik. Frevert warnt aber vor dem so genannten Schulz-Effekt. Ein solch "euphorischer Moment" sei in der Politik nicht belastbar:
"Das ist ja immer diese Vorstellung, da rettet uns jemand. Als wenn wir diese Rettung jetzt unbedingt brauchten. So schlimm ist es um unser Gemeinwesen nicht bestellt, dass wir jetzt diese Glanzfigur brauchten, die wie so ein charismatischer Führer auf einmal erscheint und alle Herzen fliegen ihm zu."
(bth)
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