Historiker: Unvorstellbar, dass man diesen Bischof in seine Diözese zurückschickt

Moderation: Kirsten Dietrich · 26.10.2013
Der Fall des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst wird eine längere Debatte um den Leitungs- und Lebensstil in der katholischen Kirche nach sich ziehen, glaubt der Historiker Rudolf Lill. Die Kirche sei in den letzten 30 Jahren geradezu zum Absolutismus zurückgekehrt.
Kirsten Dietrich: Am Mittwoch wurde endlich bekannt, wie es laut Vatikan im Konflikt um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst weitergehen soll. Nicht so wie bisher, ganz offensichtlich. Denn Papst Franziskus verordnete dem für seine Finanzpolitik ebenso wie für seine Amtsführung umstrittenen Bischof eine dreimonatige Auszeit. Der auch von vielen Gläubigen erwartete und erhoffte Rauswurf ist das nicht: Nach einer Zeit der Klärung könnte die Rückkehr ins Amt stehen. Auf jeden Fall soll vor einer endgültigen Entscheidung erst einmal der genaue Hintergrund der Finanzierung des bischöflichen Amtssitzes auf dem Limburger Domberg geklärt werden. Daran arbeitet zurzeit eine Kommission, die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzt wurde. Der Historiker Rudolf Lill hat unter anderem in Rom und in Bonn zur deutsch-italienischen Geschichte geforscht, mit dem Hauptaugenmerk auf der Geschichte des Papsttums und dem Verhältnis von Kirche und Staat. Ich habe ihn um eine Einschätzung der Ereignisse in Limburg und Rom gebeten.

Rudolf Lill: Es ist nicht einmalig, aber es kommt selten vor. Da das katholische Kirchenrecht im letzten Jahrhundert immer zentralistischer geworden ist und nach einem kurzen Versuch der pluralistischen Veränderung noch schärfer formuliert wurde, hat der Papst das Recht dazu. Und davon hat er Gebrauch gemacht. Es kommt aber, wie gesagt, sehr selten vor. Man muss zwar auch sagen, dass schon Johannes Paul II. und Benedikt XVI., also die beiden Päpste, die diese Rezentralisierung erzwungen haben, hin und wieder Bischöfe abgesetzt haben.

Dietrich: Warum ist man denn im Vatikan jetzt aktiv geworden? Ist Bischof Tebartz-van Elst wirklich für die 30 Millionen Euro abgestraft worden, die er da verbaut hat?

Lill: Ich nehme das an. Und wegen der Methoden, die er dabei angewendet hat. Tebartz-van Elst war ja eigentlich eine Art von Paradefigur für den neuen römischen Zentralismus. Soviel ich weiß, hat der Kardinal Meisner, der ja diesen Kurs in Deutschland versucht hat, überall durchzusetzen, in Limburg sehr auf die Ernennung Tebartz’ hingewirkt. Aber die Intransigenz, die nun dieser Mann in zwei Bereichen bewiesen hat, hat zum Realitätsverlust geführt. Und als man das im Vatikan gemerkt hat, hat man geglaubt, einschalten zu sollen.

Dietrich: Das heißt, mit Tebartz-van Elst wird indirekt eigentlich ein ganz bestimmter Stil abgelöst? Profiliert sich da Papst Franziskus in einer Abgrenzung von seinem Vorgänger?

Lill: Ja, das ist sehr schwierig zu beurteilen. Auf der einen Seite pflegt der neue Papst einen Lebens- und Regierungsstil, der sich von dem der deutschen Bischöfe und mancher anderer ja ungeheuer unterscheidet. Und was die Anwendung der Glaubenslehren angeht, unterscheidet er sich auch sehr von seinem Vorgänger. Denn während der auf den Prinzipien beharrte, ging es Franziskus darum, den Menschen näherzukommen, die mit den Prinzipien der Kirche ihre Probleme haben. Und er pflegt ja einen armen Lebensstil, er fährt nicht im Mercedes, und sein ganzes Verhalten – das ist ja bekannt – ist das eines Mannes, der eine arme Kirche will. Ich glaube aber, dass diese kulturelle Diskrepanz zwischen dem Papst und dem Vatikan – wo er ja auch an seiner Seite gerade aus Deutschland noch Leute hat, die an dem zentralistischen Stil unbedingt festhalten –, dass nicht das dazu beigetragen hat, den Bischof von Limburg zu desavouieren, sondern dieses unglaubliche Verhalten nicht nur wegen des Geld-Ausgebens als solchem, sondern weil das ja oft schon an allen Gremien vorbei passiert ist.

Das katholische Kirchenrecht ist trotz dieser historisch unsinnigen Zentralisation nicht so schlecht, wie es manchem erscheint. Das katholische Kirchenrecht hätte ja eigentlich erforderlich gemacht, dass der Bischof das Domkapitel und andere Berater befragt und informiert. Vergleichen wir noch einmal mit dem Kardinal Meisner, der hat in Köln für ein Diözesanmuseum, welches in der Form, die es bekommen hat, sicher nicht notwendig war, 40 Millionen ausgegeben, aber er hat seine Gremien befragt und er hat das Museum nicht für seine eigene Residenz missbraucht. Insofern ist das alles glatt gelaufen. Da zeigt sich zwar eine andere Dimension, weil durch diesen Limburger Eklat in einem bisher unbekannten Maße deutlich wird, über wie viel Geld, wie viel Vermögen die Kirche – und man muss auch sagen, die Kirchen – in Deutschland verfügen, aus historischen Gründen, die ich hier jetzt nicht erläutern kann. Das wird bei solchen Gelegenheiten deutlich, dass der eine 40 Millionen, der andere über 30 Millionen ausgeben kann, weil sie im Vermögen des Bistums vorhanden sind.

Dietrich: Die Debatte um die Finanzen wird ja wahrscheinlich auch das bleiben, was über den aktuellen Fall in Limburg hinaus, ja, die Debatte in den Kirchen, um die Kirchen weiter bestimmen wird.

Lill: Ja, aber es wird auch die Debatte bleiben über den Stil, den Leitungs- und Lebensstil der katholischen Kirche. Die war in den letzten 30 Jahren wieder ganz antikonziliar, auf Zentralismus, geradezu auf Absolutismus zurückgekehrt. Das war der Stil auch Benedikt XVI. und eben in Deutschland des Kardinals Meisner und mancher anderer. Und auch dagegen hatte sich ja in Limburg seit Langem eine Opposition reformistischer, konziliar gesinnter Priester und Laien entwickelt, die jetzt eben durch diesen Eklat noch stärker geworden sind. Das heißt, die Diskussion, welchen Gesamtkurs die katholische Kirche gehen will, die wird durch den Limburger Fall in einem Maße angeheizt, wie das Herr Tebartz-van Elst nicht vorausgesehen hat.

Dietrich: Drei Monate Atempause hat der Vatikan jetzt verordnet, um die Situation zu klären. Was denken Sie, ist das irgendwie realistisch, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst wirklich in sein Bischofsamt zurückkommt?

Lill: Schauen Sie, die Kommission, die eingerichtet wurde, war ja ein erster Schritt hoffentlich zu einer Gesamtklärung. Und ich kann mir nicht vorstellen, wenn ich auch andere historische Beispiele, die wenigen, die es gibt in der jüngeren Zeit, bedenke, ich kann mir nicht vorstellen, dass man diesen Bischof in seine Diözese zurückschickt. Da kommen die beiden Bereiche, die ich ansprach, zusammen. Denn jetzt hatte ja auch diese konziliare Bewegung, die Reformbewegung im Bistum Limburg gesagt: Jetzt kommt endlich jemand an die Spitze des Bistums, der unsere Wünsche versteht und der mit uns Dialog führt und der nicht, wie das manche tun, von diesem römischen Stil geprägt, die nur von oben entscheiden. Einer der Schlimmsten ist übrigens der frühere Regensburger Bischof Müller, der in Rom eine wichtige Stellung hat, der also den Papst auch in anderer Hinsicht beraten wird. Also, die Sache ist nicht eindeutig. Aber ich glaube, dass trotz gewisser Widerstände im deutschen Umkreis des Papstes –der insgesamt nicht so stark ist, wie man meint –, dass trotz gewisser Widerstände sich eine Richtung durchsetzen wird, die sagt, jetzt muss neu und auch im Sinne des Konzils wiederbegonnen werden.

Dietrich: Der Bischof vom Limburg hat vom Papst eine Auszeit verordnet bekommen. Dazu habe ich mit dem Historiker Rudolf Lill gesprochen.


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