"Schmähung liegt im Auge des Betrachters"
Für Beleidigungen und Beschimpfungen scheint es heute keine Grenzen mehr zu geben. Mit den "dramatischen gesellschaftlichen Folgen" befasst sich der Dresdner Historiker Gerd Schwerhoff. Er sagt aber auch: Schmähungen gibt es schon sehr lange.
Schwerhoff erinnert an die 1970er-Jahre und die "rüden Schmähungen" des CSU-Politikers Franz-Josef Strauß, der selbst sehr gut habe austeilen können: Darin habe er heutigen Schmährednern in nichts nachgestanden. "Gerade die Eliten", sagt der Historiker, "haben sich ja untereinander unglaublich geschmäht - das war im Übrigen auch schon bei den Humanisten des Spätmittelalters der Fall."
Dass sich die TU Dresden in einem Forschungsprojekt der Herabsetzung in Vergangenheit und Gegenwart widmet, ist kein Zufall: Es habe etwas mit der "Dresdner Erfahrung" zu tun - mit Pegida, so Schwerhoff. Dabei habe es sich zunächst um eine Demonstration gehandelt mit Schimpfritualen, aber auch mit den Ritualen des Sich-Verletzt- und Beleidigtfühlens: "Gleichzeitg wird eine solche Bewegung heutzutage sehr stark durch mediale Resonanzen dann auch befeuert."
Herabsetzungsgefühle auch durch harmlose Worte
Gerade der "Medienumbruch" sei ein wesentlicher Punkt: Durch das Internet und den Populismus begegne man der Herabsetzung auf der "großen politischen Bühne", was "ganz dramatische gesellschaftliche Folgen" habe. Die Ausgangsthese der Forscher, so Schwerhoff, sei indes, dass Herabsetzung und Schmähung "salopp gesagt im Auges des Betrachters oder Adressaten" liege. Das liege an der "Anschlusskommunikation":
"Ob sich jemand durch etwas beleidigt fühlt, herabgesetzt fühlt, das ist oft natürlich offensichtlich, liegt in Schimpfworten etwa - aber wie diese Schimpfworte beurteilt werden, ist ja eben dann oft sehr unterschiedlich. Und umgekehrt können sehr harmlose Worte ja manchmal sehr starke Herabsetzungsgefühle auslösen."
(bth)