Historiker Andreas Rödder zu Marco Wanderwitz

Ostdeutschen AfD-Wählern ein Angebot machen

07:32 Minuten
Historiker Andreas Rödder von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz lehnt an einem Türrahmen.
Wie viele politische Generationen im Osten sollen eigentlich noch abgeschrieben werden, fragt der Historiker Andreas Rödder. © dpa / Bildfolio / Bert Bostelmann
Moderation: Korbinian Frenzel · 31.05.2021
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Durch Ausgrenzung werden Menschen erst recht in die Arme der AfD getrieben, meint der Historiker Andreas Rödder zu den Äußerungen von Marco Wanderwitz (CDU) über ostdeutsche AfD-Wähler. Diesen Menschen müsse vielmehr ein Angebot gemacht werden.
Nicht ins demokratische Spektrum zurückholbar: So schätzt Marco Wanderwitz (CDU), Ostbeauftragter der Bundesregierung, den größten Teil der ostdeutschen AfD-Wähler ein. Darum, so Wanderwitz, könne man nur auf die nächste Generation hoffen.
Der Historiker Andreas Rödder findet diese Position problematisch, zumal man Vergleichbares auch schon 1990 über die Ostdeutschen gesagt habe: "Wie viele politische Generationen will man denn dann eigentlich abschreiben, indem man sagt, wir hoffen auf die nächsten Generationen?"
Der Mainzer Historiker fühlt sich durch Wanderwitz' Aussage "fatal" an einen Wahlkampfauftritt der demokratischen Präsidentschaftskandidatin in den USA, Hillary Clinton, erinnert, bei dem diese Trump-Anhänger als "basket of deplorables", als Haufen Bedauernswerter, stigmatisiert und herabgewürdigt habe. Mit dem Resultat, dass diese erst recht Trump gewählt haben.
Vergleichbares beobachtet Rödder offenbar auch in Deutschland: "Es gibt Leute, die sind kritisch gegenüber der CDU, gegenüber Merkel, fühlen sich in der CDU oder in den etablierten Parteien – das ist ja nicht nur die CDU – nicht mehr gesehen." Diese Menschen würden daraufhin von den etablierten Parteien sprachlich und politisch ausgegrenzt. Dann wiederum radikalisierten sich diese Menschen weiter, und umso mehr grenze sich die politische Mitte von ihnen ab. "Und so dreht sich eine Eskalationsspirale, denn wir sehen ja auch, dieses Potenzial ist mehr geworden. Das ist ein wechselseitig sich verstärkender Prozess."

"Natürlich ist das eine Gratwanderung"

Es wäre im Gegenteil wichtig gewesen, diese Radikalisierung zu vermeiden, betont Rödder. Das könne natürlich nicht heißen, der AfD nach dem Mund zu reden. Aber den AfD-Wählern, die noch bereit wären, in die bürgerliche Mitte zurückzukehren, müsse ein Angebot gemacht werden, statt sie immer nur auszugrenzen.
"Natürlich ist das eine Gratwanderung und natürlich gibt es auch dafür keine Erfolgsgarantie", sagt der Historiker. Aber es ist auch demokratietheoretisch ein Riesenproblem, wenn sich immer größere Teile unserer Gesellschaft radikalisieren und sich von der parlamentarischen Demokratie und Republik, wie wir sie haben, abwenden."
(uko)

Der Historiker Andreas Rödder ist Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zuletzt erschienen seine Bücher "Wer hat Angst vor Deutschland?" und "Konservativ 21.0". Rödder ist CDU-Mitglied.

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Andreas Rödder" zum Nachhören [ AUDIO ].
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