Hisbollah-Kämpfer am Joystick
Im Nahen Osten findet der Krieg nicht nur auf den Hügeln Südlibanons oder in den staubigen Straßen des Gazastreifens statt, sondern auch auf den Bildschirmen der Gamer. Die Ausstellung "Forbidden Games" zeigt derzeit Videospiele aus Syrien, den Palästinensischen Gebieten, Israel und den USA. Manch israelischer Besucher mutiert dabei am Bildschirm zum Dschihad-Kämpfer.
"They are good, they are good! Now go and have your 72 virgins."
Noch nie war eine Ausstellung des Digital Art Laboratoriums in Holon so ein Publikumsmagnet. David, Maor und Evgenii, 22 und 25 Jahre jung, scrollen und klicken sich eifrig in Kriegszenarien hinein.
Maor: "Ich bin Gamer, aber normalerweise töte ich die Terroristen. Selber Terrorist zu sein - das ist einfach unheimlich."
Das Videospiel, das Maor fingerfertig vorantreibt, heißt "Special Force" und ist ein Produkt der Hizbullah. Das Intro: ein israelischer Panzer explodiert.
"In the name of Allah" - so die englische Übertitelung - beginnt das Spiel mit einem Trainingslager. Hier wird schießen geübt, die Ziele sind Porträts israelischer Führer in Uniform, darunter Ariel Sharon und der ehemalige Verteidigungsminister Shaul Mofas. Im Intifada-Jahr 2003, als das Spiel herauskam, soll es in Beiruts südlichen Vierteln ein Hit gewesen sein. Auch die Reservisten David, Maor und Evgenii feixen, als die zweite Stufe von "Special Force" geladen wird und die israelische Flagge - so schmal und lang wie eine Tempelrolle - vor dem Hintergrund des Felsendoms nach und nach verbrennt. Die Kuratorin und Direktorin des Zentrums für digitale Kunst, Galit Eilat:
"Die meisten Kinder spielen Videospiele aus dem Westen, also identifizieren die Kinder sich mit dem Westen und das heißt: der Westen, das sind die Guten und die Araber sind immer die Terroristen. Die syrischen Produzenten kehren das um und bauen ihre eigene Ideologie, ihre eigene Identität in die Videospiele hinein."
Das seit fünfeinhalb Jahren bestehende Digital Art Lab Holon bei Tel Aviv untersucht die politischen Strategien und Wirkungen digitaler Medien. Die Grenze zwischen Politik und Kunst wird hier bewusst in Frage gestellt. Die Agenda lautet: mit den Mitteln moderner, digitaler Kunst gegen die israelische Besatzungspolitik. Galit Eilat:
"Unsere Vision ist, wir leben im Nahen Osten und müssen es akzeptieren. Dafür setzen wir uns ein, was sehr schwer ist, weil unsere Perspektive ganz anders ist als die der Gesellschaft um uns herum. Wir haben also eine Art Bildungsmission, wir wollen das Sehen trainieren, wir zeigen dem Publikum Dinge, die im gewöhnlichen Medienalltag nicht vorkommen. Und wir bringen Künstler sogar aus Istanbul, vom Balkan oder aus Ägypten hierher in ein anderes kulturelles Terrain."
So verboten sind diese Videospiele israelfeindlicher Extremisten oder israelfreundlicher Friedensaktivisten nicht, dass sie hier nicht von jedem ausprobiert werden können, egal welchen Alters. Auch die - ganz wörtlich - "unheimlich" gute Korrelation von Ausstellung und Gebäude hat keine Proteste erregt: Das Videozentrum befindet sich in einer ehemaligen Schule.
Im ersten Klassenraum beginnt es beinah unschuldig mit den "Carpet Invaders" des polnischen Künstlers Janek Simon, einer Variation des klassischen "Space Invaders": Auf einem orientalischen Teppich rücken dessen Muster von der Form eines großen und vieler kleinerer Panzer gegeneinander vor. Der arabische Raum - ein Gefechtsraum, dessen Regeln sich jedem Erstklässler spielend leicht erschließen. Am anderen Ende des Schulflurs: Flashgames.
Flashgames sind schlichte Animationen, ironische oder wütende Bild-Kommentare zur politischen Lage im Internet. Viele aus der Zeit des jüngsten Libanonkriegs. In einem israelischen Flashgame etwa beschießen die schiefen Zeichentrickgesichter Wolmert und Rallah endlos zwei Städte, die Beirut und Haifa sein könnten, während die Bankkonten beider Herren stetig wachsen. Der Witz der Flashgames ist schnell erfasst, aufregender - zumindest auf den ersten Blick - wirken die ganz brutalen, radikalen Terrorkriegsspiele.
Die voyeuristische Neugier auf die digitalen Kriegsbilder der Al Kaida wird im Luftschutzkeller der Schule bedient. In dem schwarz ausgemalten Bunker - ein Muss in jedem israelischen Neubau - kann man die "Nacht der Gefangennahme Bushs", the "Night of Bush capturing" durchspielen. Co-Kurator Eyal Danon am Trackpad:
"It's an easy game. You see - Jesus Christ! - ah, apparently they have the bomb in Iraq, we didn't know that... This game is an reaction really to a game that was developed by Kuma. That is called 'Capturing Saddam'. This was programmed in a reaction: capturing Bush."
Diese "Jagd auf Bush" sei eine Antwort auf das amerikanische Videospiel "Gefangennahme Saddams", erklärt Eyal Danon. Die US-Firma Kuma beziehe sich gern auf reale Kämpfe aus der Geschichte der amerikanischen Armee. Nun aber habe Kuma schon ein Spiel über den Krieg gegen den Iran angekündigt. Woraufhin der Iran mit einem Spiel antworten wolle, in dem iranische Atomwissenschaftler aus amerikanischen Gefängnissen befreit werden müssen.
Offenbar gibt die politische Realität viel besseren Videospielstoff her als jede noch so bluttriefende reine Phantasie. Aber Eyal, Maor und Evgenii, die ehemaligen Soldaten, die jetzt Politikwissenschaft studieren oder bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen jobben, sind nach ein, zwei Stunden digitaler Nahost-Ballerei irritiert. Sie müssen zugeben, wie technisch ausgefeilt und ideologisch simpel die anti-israelischen und anti-amerikanischen Spiele sind. Zugleich verteidigen sie ihre Überzeugung, die israelische Seite sei ganz frei von fundamentalistischem Hass.
Evgenii: "Die Armee sollte ihren Dienst tun, aber professionell, nicht ideologisch. Es gibt keine Ideologie, die den israelischen Soldaten aufgezwungen wird. Jeder kann seine eigene Ideologie haben, aber er sollte professionell sein - doch auf der anderen Seite scheint das ganz anders auszusehen."
Noch nie war eine Ausstellung des Digital Art Laboratoriums in Holon so ein Publikumsmagnet. David, Maor und Evgenii, 22 und 25 Jahre jung, scrollen und klicken sich eifrig in Kriegszenarien hinein.
Maor: "Ich bin Gamer, aber normalerweise töte ich die Terroristen. Selber Terrorist zu sein - das ist einfach unheimlich."
Das Videospiel, das Maor fingerfertig vorantreibt, heißt "Special Force" und ist ein Produkt der Hizbullah. Das Intro: ein israelischer Panzer explodiert.
"In the name of Allah" - so die englische Übertitelung - beginnt das Spiel mit einem Trainingslager. Hier wird schießen geübt, die Ziele sind Porträts israelischer Führer in Uniform, darunter Ariel Sharon und der ehemalige Verteidigungsminister Shaul Mofas. Im Intifada-Jahr 2003, als das Spiel herauskam, soll es in Beiruts südlichen Vierteln ein Hit gewesen sein. Auch die Reservisten David, Maor und Evgenii feixen, als die zweite Stufe von "Special Force" geladen wird und die israelische Flagge - so schmal und lang wie eine Tempelrolle - vor dem Hintergrund des Felsendoms nach und nach verbrennt. Die Kuratorin und Direktorin des Zentrums für digitale Kunst, Galit Eilat:
"Die meisten Kinder spielen Videospiele aus dem Westen, also identifizieren die Kinder sich mit dem Westen und das heißt: der Westen, das sind die Guten und die Araber sind immer die Terroristen. Die syrischen Produzenten kehren das um und bauen ihre eigene Ideologie, ihre eigene Identität in die Videospiele hinein."
Das seit fünfeinhalb Jahren bestehende Digital Art Lab Holon bei Tel Aviv untersucht die politischen Strategien und Wirkungen digitaler Medien. Die Grenze zwischen Politik und Kunst wird hier bewusst in Frage gestellt. Die Agenda lautet: mit den Mitteln moderner, digitaler Kunst gegen die israelische Besatzungspolitik. Galit Eilat:
"Unsere Vision ist, wir leben im Nahen Osten und müssen es akzeptieren. Dafür setzen wir uns ein, was sehr schwer ist, weil unsere Perspektive ganz anders ist als die der Gesellschaft um uns herum. Wir haben also eine Art Bildungsmission, wir wollen das Sehen trainieren, wir zeigen dem Publikum Dinge, die im gewöhnlichen Medienalltag nicht vorkommen. Und wir bringen Künstler sogar aus Istanbul, vom Balkan oder aus Ägypten hierher in ein anderes kulturelles Terrain."
So verboten sind diese Videospiele israelfeindlicher Extremisten oder israelfreundlicher Friedensaktivisten nicht, dass sie hier nicht von jedem ausprobiert werden können, egal welchen Alters. Auch die - ganz wörtlich - "unheimlich" gute Korrelation von Ausstellung und Gebäude hat keine Proteste erregt: Das Videozentrum befindet sich in einer ehemaligen Schule.
Im ersten Klassenraum beginnt es beinah unschuldig mit den "Carpet Invaders" des polnischen Künstlers Janek Simon, einer Variation des klassischen "Space Invaders": Auf einem orientalischen Teppich rücken dessen Muster von der Form eines großen und vieler kleinerer Panzer gegeneinander vor. Der arabische Raum - ein Gefechtsraum, dessen Regeln sich jedem Erstklässler spielend leicht erschließen. Am anderen Ende des Schulflurs: Flashgames.
Flashgames sind schlichte Animationen, ironische oder wütende Bild-Kommentare zur politischen Lage im Internet. Viele aus der Zeit des jüngsten Libanonkriegs. In einem israelischen Flashgame etwa beschießen die schiefen Zeichentrickgesichter Wolmert und Rallah endlos zwei Städte, die Beirut und Haifa sein könnten, während die Bankkonten beider Herren stetig wachsen. Der Witz der Flashgames ist schnell erfasst, aufregender - zumindest auf den ersten Blick - wirken die ganz brutalen, radikalen Terrorkriegsspiele.
Die voyeuristische Neugier auf die digitalen Kriegsbilder der Al Kaida wird im Luftschutzkeller der Schule bedient. In dem schwarz ausgemalten Bunker - ein Muss in jedem israelischen Neubau - kann man die "Nacht der Gefangennahme Bushs", the "Night of Bush capturing" durchspielen. Co-Kurator Eyal Danon am Trackpad:
"It's an easy game. You see - Jesus Christ! - ah, apparently they have the bomb in Iraq, we didn't know that... This game is an reaction really to a game that was developed by Kuma. That is called 'Capturing Saddam'. This was programmed in a reaction: capturing Bush."
Diese "Jagd auf Bush" sei eine Antwort auf das amerikanische Videospiel "Gefangennahme Saddams", erklärt Eyal Danon. Die US-Firma Kuma beziehe sich gern auf reale Kämpfe aus der Geschichte der amerikanischen Armee. Nun aber habe Kuma schon ein Spiel über den Krieg gegen den Iran angekündigt. Woraufhin der Iran mit einem Spiel antworten wolle, in dem iranische Atomwissenschaftler aus amerikanischen Gefängnissen befreit werden müssen.
Offenbar gibt die politische Realität viel besseren Videospielstoff her als jede noch so bluttriefende reine Phantasie. Aber Eyal, Maor und Evgenii, die ehemaligen Soldaten, die jetzt Politikwissenschaft studieren oder bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen jobben, sind nach ein, zwei Stunden digitaler Nahost-Ballerei irritiert. Sie müssen zugeben, wie technisch ausgefeilt und ideologisch simpel die anti-israelischen und anti-amerikanischen Spiele sind. Zugleich verteidigen sie ihre Überzeugung, die israelische Seite sei ganz frei von fundamentalistischem Hass.
Evgenii: "Die Armee sollte ihren Dienst tun, aber professionell, nicht ideologisch. Es gibt keine Ideologie, die den israelischen Soldaten aufgezwungen wird. Jeder kann seine eigene Ideologie haben, aber er sollte professionell sein - doch auf der anderen Seite scheint das ganz anders auszusehen."