Neues Gesetz zum Whistleblowing

Interne Missstände risikolos aufdecken?

29:42 Minuten
Illustration von Anzugträgern, die vor einer Mauer stehen. Einer von ihnen wirft einen Schatten in Form einer Trillerpfeife.
Ein neues Gesetz soll Whistleblower künftig besser schützen. © Getty Images / iStockphoto / wildpixel
Simon Gerdemann im Gespräch mit Annette Riedel · 07.01.2023
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Wer illegale Machenschaften oder Missstände beim eigenen Arbeitgeber aufdeckt, riskiert meist sehr viel. Whistleblower gelten den einen als Helden, von den anderen werden sie als Verräter hart bekämpft. Kann ein neues Gesetz sie künftig besser schützen?
Der Bundestag hat das Hinweisgeberschutz-Gesetz Ende vergangenen Jahres verabschiedet. Wenn jetzt noch der Bundesrat zustimmt, dann werden erstmals in Deutschland Whistleblower, also Hinweisgeber, gesetzlich geschützt, wenn sie strafbare Handlungen in Unternehmen, Organisationen oder Dienststellen aufdecken. Es wird dann ihrem Arbeitgeber bei Strafe verboten sein, sie dafür zu kündigen, zu degradieren oder anderweitig zu schikanieren. Der Jurist und Whistleblower-Fachmann, Simon Gerdemann, begrüßt das neue Gesetz grundsätzlich.

Ein deutscher Edward Snowden würde sich allerdings auch nach dem neuen Gesetz in Deutschland weiterhin strafbar machen. Der berühmte Whistleblower hatte geheime Dokumente der US-Geheimdienste veröffentlicht. Aus ihnen wurde ersichtlich, dass der Auslandsgeheimdienst NSA anlasslos massenhafte E-Mails und Internet-Aktivitäten ausspähte. Für Hinweisgeber aus den Reihen der Geheimdienste gilt das geplante deutsche Hinweisgeberschutz-Gesetz nicht.

Ein gutes Gesetz - aber nicht gut genug?

Jurist Gerdemann sieht auch noch andere Schwachstellen. Als ein - aus seiner Sicht - wesentliches Defizit des geplanten Gesetzes bewertet er die vergleichsweise hohen Hürden, falls sich ein Hinweisgeber direkt an die Öffentlichkeit wenden will. Wenn nicht bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wird so eine Person nicht geschützt.
Zudem hätte Simon Gerdemann gewollt, dass ein Unterstützungsfonds als Teil des Gesetzes aufgelegt würde. Denn Whistleblowing bleibe ein Risiko. Es könne zu langwierigen, belastenden juristischen Auseinandersetzungen führen, in der die Betroffenen ohne finanzielle Unterstützung dastehen könnten.
Der Fachjurist begrüßt dagegen, dass sämtliche Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern künftig Strukturen schaffen müssen, die sicheres und effektives internes Whistleblowing ermöglichen. Positiv findet er darüber hinaus, dass es jedem Hinweisgeber freigestellt wird, ob er sich zunächst an eine interne oder direkt an eine externe Meldestelle wendet.

Simon Gerdemann ist wissenschaftlicher Leiter des Projekts „Wirkungsanalyse des deutschen und europäischen Whistleblowing-Rechts“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Georg-August-Universität Göttingen. Er war von 2018 bis 2020 Rechtsberater des Deutschen Whistleblower Netzwerks.

(AnRi)
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