Hintergründe zum Raver-Protest in Tiflis

Warum Georgiens Clubszene auf die Barrikaden geht

Protest gegen Drogenrazzien in zwei populären Clubs in der georgischen Hauptstadt Tiflis am späten Abend des 13.05.2018: zahlreiche junge Menschen und einige Polizisten stehen vor dem Parlamentsgebäude.
Protest gegen Drogenrazzien in zwei populären Clubs in der georgischen Hauptstadt Tiflis am späten Abend des 13.05.2018 © AFP / Vano Shlamov
Gesine Dornblüth im Gespräch mit Shanli Anwar · 14.05.2018
Drogenrazzien in zwei georgischen Clubs trieben am Wochenende die Raver in der Hauptstadt Tiflis zum Protest auf die Straße. Das habe eine politische Dimension, sagt Journalistin Gesine Dornblüth. Georgien erlebe seit einigen Jahren einen Boom, doch die Gesellschaft sei gespalten.
Der Underground-Techno-Club Bassiani in der georgischen Hauptstadt Tiflis wird - in Anspielung an den legendären Berliner Club - häufig als Berghain Georgiens bezeichnet. Er befindet sich in den Kellerräumen eines Fußballstadions aus Sowjetzeiten. In diesem Club und in mindestens einem weiteren gab es Drogenrazzien - und daraufhin Proteste von Ravern. Tausende demonstrierten am Wochenende vor dem georgischen Parlament gegen diese Razzien.
"Es wurde getanzt auf der Straße in Tiflis vor dem Parlament, das Ganze verlief friedlich", sagt Journalistin und Georgien-Kennerin Gesine Dornblüth. "Sie hatten ein Motto: Wir tanzen gemeinsam, wir kämpfen gemeinsam." Ihre Rücktrittsforderungen an Politiker oder zumindest nach einer Erklärung seien allerdings nicht erfüllt worden. Nach einem Auftritt des Innenminister, der appellierte, alles solle friedlich bleiben, habe sich die Gruppe am Sonntag aufgelöst.

Politische Dimension

Zwar seien in Georgien zuletzt mehrere Personen an einer bislang unbekannten Substanz gestorben, erklärt Dornblüth. Doch die Ereignisse hätten insgesamt eine politische Dimension. "Es geht um eine Richtungsentscheidung." Die georgische Gesellschaft sei gespalten. Das Land habe sich in den vergangenen rund 20 Jahren rasant in Richtung Westen entwickelt. Die junge Generation sei sehr offen und pflege liberale Lebensformen. Ihr gegenüber stünden aber traditionelle Kreise. Die Gesellschaft sei zum einen geprägt davon, dass Georgien ein Nachfolgestaat der Sowjetunion ist. Zum anderen sei die konservative georgisch-orthodoxe Kirche sehr einflussreich und die Gesellschaft sehr patriarchal strukturiert.
Am Wochenende sei auch eine Gruppe von Ultrakonservativen und auch Rechtsextremen in Richtung Parlament gezogen, so Gesine Dornblüth. Diese Gruppe sei zwar nicht typisch für die traditionellen Kreise der Gesellschaft, sehe aber die westlich orientierten jungen Leute mit großer Skepsis. "Es gibt viele Gerüchte, ob sie Verbindungen haben zur Regierung. Ganz sicher haben sie Verbindungen zur Kirche." Denn 2013 sei es zu einer regelrechten Hatz, angeführt von Priestern, auf eine friedliche LGBT-Versammlung gekommen. Es habe zahlreiche Verletzte gegeben, die Täter seien nie zur Verantwortung gezogen worden.

Land im Umbruch

Trotz dieser Spaltung erlebe Georgien aber seit einigen Jahren einen Boom, erklärt Dornblüth. Es sei ein Land im Umbruch, vieles sei unfertig - ähnlich wie etwa im Ost-Berlin der 1990er-Jahre. "Die jungen Leute in Georgien sind unheimlich international, die können viele Fremdsprachen, viele waren in Westeuropa, reisen hin und her."
Auf der anderen Seite spiele eine Rolle, dass der frühere Präsident Bidsina Iwanischwili am Freitag offiziell in die Politik zurückgekommen ist, so Dornblüth. "Da sehen einige ein Zeichen für einen möglichen Kurswechsel in Richtung konservative Politik." Denn bislang sei die Regierung offiziell für Westintegration und offene Gesellschaft.
(abr)
Mehr zum Thema