Hinter jedem Bild eine Geschichte

Von Barbara Wiegand · 26.11.2008
Zu jedem seiner Fotos weiß der bald 80-jährige Robert Lebeck eine Geschichte zu erzählen. Dem einstigen Fotoreporter des "Stern" und Chefredakteur von "GEO" widmet der Martin-Gropius-Bau in seiner Heimatstadt Berlin eine Retrospektive. Er hat wie kaum ein anderer den Fotojournalismus in Deutschland geprägt.
"Easy Bob" hat "Stern"-Gründer Henry Nannen ihn einst genannt. Weil Robert Lebeck auf scheinbar so leichte, zufällige Weise zu seinen sensationellen Bildern kam. Und rückblickend auf die sechs Jahrzehnte, die er nun die Kamera in seinen Händen hält, sagt Lebeck selbst: Ohne Glück kannst du nichts werden im Leben. Das Glück, dass er die trauernden Kennedy-Witwen in einem unbeobachteten Moment ablichten konnte, so wie es kein anderer tat. Dass er 1960 auf Reportage im Kongo genau zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle stand, um das Foto von dem farbigen Kongolesen zu machen, der dem ganz in weiß gekleideten König Boudouin den Degen stiehlt. Ein Foto, das zum Symbol für das Ende der belgischen, ja der Kolonialzeit überhaupt wurde – und das dem damals 31-jährigen Lebeck zum internationalen Durchbruch verhalf:

" Ich hatte eine Stelle gewählt, wo sie ganz langsam fahren mussten. Und plötzlich springt mir einer geradezu entgegen. Ich könnte auch sagen, er springt mir ins Gesicht. Ich hatte einen Superweitwinkel auf der Kamera. Es war vielleicht einen Meter vor mir. Und er hatte einen Säbel über dem Kopf und ich bin zur Seite gesprungen. Dann dachte ich, das wird der Bodyguard gewesen sein, der mich vertreiben will. Und dann rannte er immer weiter. Und dann dachte ich, da ist was nicht richtig, läufst du mal auch hinterher. Und am Denkmal von König Albert wurde er dann festgenommen. Und mit der Pistole am Kopf abgeführt. Und dann wurde er in den Jeep geschmissen und dann war der Film alle."

Es gehört Glück dazu – aber auch der Blick für die beste Perspektive, das Gespür für den einzigen, den richtigen Moment um auf den Auslöser zu drücken. Etwa als er nach der Revolution im Iran Ajatollah Chomeini ohne Turban in Teheran fotografierte:

" Der Schah war schon getürmt. In den Straßen war Anarchie, die fühlten sich alle befreit. Und kaum hatte ich einen guten Platz gefunden auf einem Gerüst, da kam der Hubschrauber mit Chomeini. Und da war eine Begeisterung, hinterher habe ich erst gemerkt, dass er zu Boden gerissen wurde durch die begeisterte Menge, dass man direkt auf ihm rumgetrampelt hat. Und seine jungen Beschützer, die zogen ihn dann hoch. Aber da war nichts passiert. Nur er hatte den Turban verloren und sah nun ganz schrecklich komisch aus eigentlich – ein alter glatzköpfiger Mann. "

Solche und noch viel mehr Geschichten aus seinem Leben weiß der bald 80-jährige Robert Lebeck zu erzählen – zu jedem seiner Fotos mindestens eine. Aufnahmen, die oftmals Geschichte festhielten, jenseits offizieller Chronik. So steht es dann auch ganz passend am Anfang der Ausstellung und auf dem Katalog geschrieben: Robert Lebeck, Fotoreporter. Immer wieder und allerorten hat der gebürtige Berliner internationales Zeitgeschehen dokumentiert. In Spanien während der Franco-Diktatur, im Armenhaus in Bangladesh, in der Sowjetunion, in Japan und in Deutschland. Angefangen hat alles im Nachkriegsdeutschland, dass er nicht nur grau, sondern auch voll euphorischer Aufbruchstimmung sah. 1929 in Berlin geboren, als Teenager an der Ostfront und nach dem Krieg heil zurückgekehrt in eine Familie, die keine mehr war, zeigt sich Lebecks feines Gespür für die Situation. Für die Erleichterung, die herrschte über den Frieden auf der einen – für das Entsetzen über die Schrecken des Krieges auf der anderen Seite. So steht in den Gesichtern der von ihm abgelichteten Kölner Karnevalsnarren ein "Hurra wir leben noch" geschrieben. Und auch der Schrecken, den man gerade überstanden hat.

Lebecks Blicke auf das Land und seine Leute sind menschliche, liebevolle Blicke. Aber auch gnadenlos realistische und herrlich ironische. Etwa auf seinen Fotos vom 20. Jahrestag der DDR. Er lichtete die Paraden ab, die euphorischen Parolen und gleich daneben die verfallenen Häuser.

Oder die 1983 im Auftrag des Magazins "Stern" im Westen fotografierte Serie "Deutschland im März". Da sieht man Karnevalsjecken an das Portal des Kölner Doms pinkeln, Passanten zum Spiel eines beinamputierten Straßenmusikanten tanzen und eine alte Frau, die im Kaufhaus einen Blümchenschlüpfer inspiziert

" Alle schmunzeln dabei, alle finden es lustig. Man schaut wieder auf den Preis, die zieht den Schlüpfer da so in die Breite. Ich finde das auch eines meiner lustigsten Fotos.
Die Frau hat sich auch nie gemeldet – ich dachte, vielleicht sieht sie sich doppelseitig im Stern, aber … "

Humor beweist Lebeck auch bei seinen Prominentenporträts. Etwa wenn er Helmut Kohl 1972 in Napoleon Pose vor dem Capitol ablichtet, schräg von unten

" Wenn ich das jetzt erkläre, dann ist es ganz harmlos. Ich bin nun mal etwas lang und da waren wir nicht allein, da waren mehrere Fotoreporter und ich war in der ersten Reihe und meine Kollegen, die riefen: Bob geh runter, wir sehen nichts mehr! Und so bin ich runter gegangen und dann haben alle ein Bild machen können und ich habe Helmut Kohl von unten fotografiert. "

Robert Lebeck versteht es, den Zufall zu nutzen. Aber auch genau hinzusehen, um die großen Momente, so wie die kleinen Gesten festzuhalten. Um den Menschen hinter dem Prominenten zu zeigen und das, was ihn so besonders macht. Romy Schneider, Konrad Adenauer, Willy Brandt fotografierte Lebeck mit dieser ihm eigenen Intensität und gelassenen Leichtigkeit. So haben die Bilder des Berliner Fotografen jetzt zu Recht einen Platz gefunden im Martin-Gropius-Bau. Dort, wo mit den Fotos von Richard Avedon zurzeit auch die Werke eines ganz Großen des Genres ausgestellt sind.