Hinter den Kulissen des Hörspiels „Ihre Geister sehen“

    Eine Geisterbetrachtung

    17:00 Minuten
    Filmstill mit Sandra Hüller aus dem Kunstfilm zum Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Den eigenen Geistern und Dämonen mutig ins Gesicht blicken. Das gelingt der Figur Anna - gespielt von Schauspielerin Sandra Hüller - in einem bewegenden Monolog. © Kirsten Becken
    Von Sarah Murrenhoff · 09.05.2021
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    Anna hört Stimmen und wird von Geistern heimgesucht. Doch was verbirgt sich hinter ihren Dämonen? Das Hörspiel „Ihre Geister sehen“ von Rabea Edel zeigt, was passieren kann, wenn eine Figur ihrem Trauma ins Gesicht blickt. Und wie bei so vielen bewegenden Geschichten gibt es für das Hörspiel eine reale Vorlage.
    Es ist eine sehr starke, verstörende Szene, mit der das Hörspiel beginnt.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Auf der Straße. Vor dem Haus meiner Eltern. Neben dem Magnolienbaum.

    Ein Kind bleibt auf der anderen Straßenseite stehen und starrt mich an.
    Ich hebe den linken Arm. Das Benzin fließt kalt über meinen Kopf, den Nacken, die Haut. Es mischt sich mit dem Schweiß. Die Jacke und das Kleid sind jetzt nass, der scharfe Geruch sticht in der Nase, meine Augen tränen, das Kind blinzelt und lacht.
    – Sie glaubt dir nicht. –
    SIE GLAUBT DIR NICHT! SIE SAGT, DU LÜGST. DU MACHST DICH NUR WICHTIG!
    Mit dieser allerersten Szene lernen wir die Figur Anna kennen: Benzinüberschüttet und mit einem Feuerzeug in der Hand steht sie vor ihrem Elternhaus – eine Geste voller Gewalt, Kraft und gleichzeitig Lähmung, letztendlich eine Verkleidung für ihren inständigen Wunsch, einfach nur… zu kommunizieren. Einfach gehört zu werden.
    Hörspielautorin Rabea Edel:
    Das war für mich sehr früh klar, dass das die allererste Szene ist. Und diese Szene hatte für mich eine Stärke und eine Verzweiflung und einen Schmerz und eine Kraft. Alles gleichzeitig. Und es war sehr klar für mich, dass das der Anfang ist, auch wenn es biografisch natürlich eigentlich irgendwo eher in der Mitte verankert ist. Es gibt die Kindheit davor, es kommt alles das, was danach kommt. Aber es war ein Schlüsselmoment, der eben auch sehr klar die Ausweglosigkeit in dem Moment zeigt und das Nicht-Verstanden-Werden der Familie, von Seiten der Familie eben.
    Annas Mutter findet sie rechtzeitig, um sie vor dem Suizid zu bewahren. Und doch wird Annas Hilfeschrei in eisigem Schweigen erstickt. Die einzigen Worte, die nach dem Suizidversuch gesprochen werden, kommen von der Mutter, als sie den Arzt anruft, um von ihm weitere Medikamente für ihre Tochter zu erbitten. Die Gewalt, die im familiären Abendessen verborgen liegt, lastet so schwer, dass Anna einer anderen, einer zusätzlichen Realitätsebene bedarf, um die Situation zu ertragen.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Wir essen Brot. Ich trinke die Milch in kleinen Schlucken. Der Geschmack des Benzins ist noch da, den kann auch die Milch nicht wegspülen. Meine Schwester schaut mich nicht an. Mein Vater zieht das Messer durch den Brotlaib, immer wieder, in geraden, ruhigen Bewegungen fallen die Scheiben zur Seite, eine und noch eine.

    Niemand scheint den Schnee zu sehen
    Warum kann niemand den Schnee sehen
    Bald sind wir alle unter einer kalten Decke verschwunden.
    Unter der Schneedecke, die nur Anna sieht, wird es dumpf. Annas Entschlossenheit erlischt, Selbstzweifel nehmen wieder von ihr Besitz. Stimmt also wirklich etwas nicht mit ihr? Mit ihrer Realität?
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Das ist also das, was nicht passieren durfte.

    Das bin also ich, die so nicht passieren durfte.
    Masken in weißem Sand oder Schnee
    Ein Still aus dem Kunstfilm "Ihre Geister sehen" von Kirsten Becken.© Kirsten Becken
    Die Geschichte von Anna hat ihren Ursprung in einer wahren Biografie – derjenigen der Mutter von Kirsten Becken. Als Tochter hat es sich Kirsten Becken zum Ziel gemacht, radikal offen mit der eigenen Familiengeschichte umzugehen. Bereits 2017 hatte die Fotografin das Kunstbuch "Seeing her Ghosts" herausgegeben – ein Buch mit Fotografien, Texten und Malereien, die alle zum Ziel haben, den Begriff Psychose zu greifen und die Auswirkungen von Traumata zu beleuchten. Kirsten Becken wollte vor allem eines: verstehen, was ihre Mutter so schwer belastet.
    Kirsten Becken:
    Bei unserer Arbeit geht es ja auch darum, den eigenen Fehlern ins Gesicht zu schauen. Und da muss man auch wirklich ganz, ganz früh anfangen und ehrlich mit sich sein und eben auch nach diesen Problemen suchen, die dann alle Familiengeschichten, die es gibt, durchziehen. Und mir war es sehr wichtig, auch die Generationskette zu durchbrechen, und ja, für meine eigene Familie da einfach reinen Tisch zu machen und auch andere Werte zu vermitteln.
    Vier Jahre nach dem Kunstbuch möchte Kirsten Becken die Geschichte um ihre Mutter weitererzählen. Fiktionalisiert als Hörspiel. Und – da ihr eigenes künstlerisches Medium das Visuelle ist – zusätzlich als Kunstfilm mit Tableaus, die an schmuckvoll inszenierte Fotografien erinnern und für den ihr Vater – ebenfalls Künstler – Masken gestaltet hat. Für ihr Filmdebüt hat Kirsten Becken sehr konkrete Bilder im Kopf: Sandra Hüller soll die Figur ihrer Mutter darstellen – im Film wie im Hörspiel. Und Rabea Edel soll diejenige sein, die das Hörspiel schreibt, die Worte und Bilder für die Geschichte ihrer Mutter findet. Es folgen intensive Gespräche, in denen Kirsten Becken der Autorin Einblicke in sehr persönliche Erinnerungen gibt.
    Rabea Edel:
    Viele der einzelnen Szenen des Hörspiels sind tatsächlich eben auch so passiert. Natürlich ist das Ganze wiederum fiktionalisiert, und es ist ein Hörspiel geworden. Aber es ist, das ist eben unser Arbeitsprozess gewesen, dass Kirsten sehr, sehr viel aus der Erinnerung erzählt hat, was ich dann wiederum versucht habe, in Bilder zu gießen oder eben Szenen dazu aufzuschreiben, weiterzuentwickeln. Und auch mir Materialien gegeben hat eben von Tagebucheinträgen über Zeichnungen und so weiter. Es gab eine sehr intensive Auseinandersetzung auf allen Seiten, und daraus hat sich eben dann die Geschichte und das Stück entwickelt, in sehr enger Zusammenarbeit.
    Es ist ein Hörspiel, in dem nur weibliche Stimmen zu hören sind. Und es ist ein Stück, in dem ein Geheimnis mitschwingt. Schnell wird klar, dass es etwas gibt, was Anna sehr bedrängt. Das sind Zustände der Angst und der Verzweiflung, das sind Stimmen und Geräusche, die nur Anna hört, oder auch ganz konkret Tiere, die nur Anna sieht – und die ganz selbstverständlich zu ihrer Realität gehören. Eine Realität, die selbst von ihrer Mutter konstant in Frage gestellt und am besten weg medikamentiert wird.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Ich kämm mein Haar, putze die Zähne, schminke mich, kneif das Bauchfett zusammen – klar. Die Nadel gleitet schnell in die Haut. Haldol. 8 mg.
    HALDOL! ACHT MILLIGRAMM!
    Haldol, ein Neuroleptikum, das vor allem bei Psychosen zur Anwendung kommt.
    [Annas Mutter:] Lass uns nicht davon reden, Anna,
    shhhshhhshhhhh, sei still, niemand will das hören. Du gibst jetzt Ruhe. Schlaf.
    [Anna, flüsternd:] Das ist alles nur in deinem Kopf,
    ssshhhhshhhhshhhh
    Aber die Tiere, die Geister, die Albträume – sie sind da und wollen einfach nicht aufhören, immer und immer wieder auf eine Bedrohung hinzuweisen.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Ich bin siebzehn, ich bin wieder vier oder fünf, dann wieder siebzehn.

    Unten im Wohnzimmer sitzt mein Vater und liest die Tageszeitung.
    Die Tür zu meinem Zimmer bewegt sich kaum merklich.
    Der Wolf steht auf. Er duckt sich, lauert, dann setzt er zum Sprung an.
    Der Hase am Fußende des Bettes liegt ganz ruhig da.
    Der Wolf landet auf meinem Brustkorb und drückt mir die Luft ab.
    Ich rieche das frische, warme Blut des Hasen, als der Wolf seine Beute im Maul durch das Zimmer trägt, meine Rippen sind eingedrückt und knacken…
    Einatmen
    Ausatmen
    Einatmen
    Ausatmen
    Schlafen
    So tun als ob
    Filmstill aus dem Kunstfilm "Ihre Geister sehen"
    Der Wolf ist eine wiederkehrende Metapher im Hörspiel und Kunstfilm "Ihre Geister sehen".© Kirsten Becken
    Gemeinsam mit den Musikern Sandro Tajouri und Moritz Bossmann ist Hörspielregisseurin Judith Lorentz auf die Suche nach Klängen gegangen, die die sprachlichen Bilder auf eine zusätzliche sinnliche Ebene heben – mit teilweise verstörender Wirkung.
    Judith Lorentz:
    Ich wollte gerne Klänge finden, die wie Störgeräusche auch ausgestellt sind, da ich immer das Gefühl hatte, die Figur wird ja sozusagen auf einer klanglichen oder sinnlichen Ebene auch ständig gestört, von Störgeräuschen umgeben. Und ich habe da mit den Musikern eben versucht, abstrakte, aber doch bedrohliche Geräusche zu finden. Zum Beispiel in der Szene mit dem Hasen, wo sie diesen Albtraum mit dem Hasen beschreibt. Da raschelt es plötzlich so überdimensional nah… Oder die Rippen, die knacken. Da haben wir einen Sound gefunden, der wirklich etwas von Knacken und Brechen hat, aber nie konkret wird, aber trotzdem auch für mich als Hörerin dann eine sinnliche Störung darstellt.
    Man nimmt das Knacken als Knacken wahr, aber gleichzeitig ist das Geräusch verzerrt, unheimlich, nicht greifbar – genau wie Annas Geister, die mit einer Dringlichkeit auf etwas hinzuweisen scheinen und Anna dabei immer wieder völlig aus der Bahn werfen.
    Judith Lorentz:
    Mich interessiert immer an der Stimme auch: Wie reagiert die Stimme mit dem Körper zusammen? Und hier hat mich interessiert: Was ist mit der Figur jetzt auch körperlich gesehen? Körperlich. Sie findet nicht ihre Mitte. Ja, die Geister treiben sie so um, dass sie immer auf der Suche nach ihrer Mitte ist. Jetzt, ganz konkret habe ich das umgesetzt: Die Schauspielerin Sandra Hüller musste sich immer in einem Viererrondell mit vier in einem Kreis aufgestellten Mikros bewegen, sodass sie nie zentral bei uns war. Sie ist oft nicht wirklich rechts, nicht wirklich links, sondern irgendwo da dazwischen. Also, das war eine Inszenierungsidee, die ich umgesetzt habe. Und das war übrigens eine Idee von dem genialen Tonmeister Martin Eichberg, mit dem ich zusammenarbeiten durfte und mit dem ich auch ein langes Vorgespräch hatte. Er hat mir das so vorgeschlagen.
    Letztendlich – in diese Rahmenhandlung sind die Erinnerungsfragmente der Figur Anna eingewoben – ist es Annas erwachsene Tochter Lisa, die ihr zuhört, die nicht locker lässt und die Mutter beharrlich dazu bringt, immer wieder neu anzusetzen, Worte zu finden für das, was sie erlebt und letztendlich traumatisiert hat.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Anna: Ich hab die Medikamente bekommen, das weißt Du doch. Alles wurde notiert und überwacht. Und dann bin ich ausgezogen. Und dann kamst du. Und alles war gut.

    Lisa: Mama…
    Anna: Erinnerst Du Dich an das Bild, das ich von Dir gemalt habe? Die ewige Träne -
    Lisa nickt und wartet. Wartet, dass ich weiterspreche.
    Wir dürfen der Schauspielerin Sandra Hüller dabei zuhören, wie sie – kondensiert in einem Hörspiel – alle Tonlagen und Ausdrucksformen bedient, die ein so intensives Leben wie das der Figur Anna parat hält. Schonungslos und gleichzeitig zärtlich führt sie uns Schritt für Schritt, Erinnerung für Erinnerung, näher an das Familiengeheimnis heran, das Ursache für Annas Ängste und Zustände ist.
    Filmstill aus dem Kunstfilm "Ihre Geister sehen"
    Sandra Hüller stellt die Figur Anna dar, die dem dunklen Geheimnis Schritt für Schritt näher kommt.© Kirsten Becken
    Sandra Hüller:
    Das ist schon etwas Erstaunliches. Also, ich hatte es mit einer Figur zu tun, die die Geschichte quasi beherrscht, also, die spricht aus einem sicheren Ort heraus, aus einem Ort der Heilung, und das ist ja nichts Finales, sondern das ist ein Prozess, der geht immer weiter, und der bedeutet auch immer weiter Arbeit. Der bedeutet Rückschritte, der bedeutet sich wieder Stellen, und bedeutet auch für alle um einen herum natürlich etwas… Aber aus diesem Prozess heraus, aus diesem beginnenden Prozess heraus spricht die Figur. Sie ist sozusagen in Power, oder ich weiß nicht genau, wie ich das auf Deutsch sagen soll… Sie spricht nicht als Opfer. Und trotzdem dürfen wir dabei zusehen, wie sie die Wahrheit erkennt. Das sind für mich auch ganz fragile, also berückende Stellen gewesen.
    Der Weg dahin ist teilweise berückend – die Momente etwa, wenn Anna aus ihrem beklemmenden Elternhaus auszieht, ein neues Zuhause findet, die Innigkeit einer Schwangerschaft erlebt und eine Mutter-Tochter-Beziehung aufbaut, die sie selber auf diese Art mit ihrer Mutter nie erleben durfte. Und es bedarf einer gewissen Abnabelung von der Familie, einer akuten Psychose, diversen Visionen und therapeutischen Ansätzen in der Klinik, bis es Anna gelingt, ihr Kindheitstrauma wirklich als ganz konkretes Bild zu fassen:
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Und dann ist alles wieder da.

    Ich kann nichts mehr filtern.
    Ich kann mich nicht mehr schützen.
    Das Kind, das bin ich.
    Ich kann es nicht schützen.
    Ich erinnere mich.
    Wie er mir die Luft abdrückt.
    Der salzige süßliche Geschmack von –
    Wie er –
    Close your lifedoor
    Call the police
    The doctor from the hospital
    Und die Polizei
    Close your lifedoor
    Call the police
    Judith Lorentz:
    Und dass das überhaupt in dieser Form angesprochen wird, also so nah wie an dieser Stelle zehn Minuten vor Ende des Stücks, kommt die Figur nur einmal. Aber dass es dahin kommt, dazu war nötig, dass die ganzen Schritte und die ganzen Erinnerungen und die ganzen Zustände davor in dieser Ausführlichkeit beschrieben werden.
    Sandra Hüller:
    Ich finde auch, wie es gelungen ist, so langsam an das Geheimnis heranzuführen, so wie ja auch die Figur langsam an das Geheimnis herankommt, die Behutsamkeit, mit der das passiert, die finde ich ganz toll und Mut machend. Ich will nicht sagen, mutig, obwohl natürlich Mut dazu gehört, immer, sich im Leben allen Wahrheiten zu stellen. Also, man kann nur reicher werden, indem man sich traut, immer. Und man kann auch nur reicher werden, indem man den Geistern oder den Monstern, den Dämonen, wie auch immer, ins Gesicht sieht. Und der Wahrheit.
    Das Wort Missbrauch kommt zwar nicht vor. Doch der Begriff wird umkreist, immer enger und enger, bis die Hörerin ein ziemlich deutliches Bild vor Augen hat und versteht, worin das Familiengeheimnis besteht. Und welche Tragweite es hat, dass Annas Mutter den Schmerz ihrer Tochter bis zum Schluss verleugnet. Nicht wahr haben will. Dass sie bis zum Ende des Hörspiels nicht rüttelt an dem fadenscheinigen Wahrheitsnetz, das sie mit allen acht Armen unter Kontrolle zu halten versucht.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Mit dem siebten Arm webt sie ein Seil und schlingt es uns um, mit dem achten Arm wirft sie das Netz über uns. Ich sehe es glitzernd und fein in der Luft schweben. Wann verfängt sie sich selbst darin? Frisst sie ihre Kinder irgendwann auf oder immer nur das, was Vater ihr hineinwirft?
    Kirsten Becken:
    Die Mutterfigur als Spinne hat sich mir aufgedrängt. Denn sobald man anfängt, um eine Wahrheit herum zu arbeiten, webt man sich ein Netz, und man muss aufpassen, sich nicht selbst darin zu verfangen. Meiner Großmutter war es wichtig, dass alle Fäden zusammenlaufen, und sie hat ja nie an der Familie gerüttelt. Sie ist nie gegangen. Und das ist auch ein großer Vorwurf, den ich ihr machen würde, würde sie noch leben.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    Sie hat nichts gesagt. Meine Mutter. Weißt Du. Sie hat … nichts … gesagt! Die glaubt mir immer noch nicht.
    Aber eines ist am Ende des Hörspiels passiert: Anna glaubt sich selbst. Es ist ihr gelungen, ihr Trauma zu fassen. Sie hat es geschafft, ihren Geistern ins Gesicht zu sehen. Vielleicht sind sie immer noch da, ja… aber dennoch: Sie haben ihre Unheimlichkeit verloren.
    Kirsten Becken:
    Am Ende des Hörspiels sind sie für mich (so wie auch am Ende des Films) in der Luft, da singt Sandra "Die Gedanken sind frei", und das ist ein Lied, das mein Großvater tatsächlich gesungen hat, und sie hebt es auf eine Ebene, die wunderbar ist, die funktioniert, die frei macht, die auflöst und die verpuffen lässt.
    Einspielung Hörspiel "Ihre Geister sehen"
    [Anna singt:]

    Die Gedanken sind frei
    Wer kann sie erraten
    Sie ziehen vorbei
    Wie nächtliche Schatten
    Kein Mensch kann sie wissen
    Kein Jäger erschießen
    Mit Pulver und Blei
    Die Gedanken sind frei
    – Ab jetzt kann ich schreiben und wieder malen. Durch Dich, Lisa. –

    Eine Geisterbetrachtung. Ein Hintergrundbeitrag von Sarah Murrenhoff zum Hörspiel "Ihre Geister sehen".

    Zum Hörspiel und zum Kunstfilm:
    Ihre Geister sehen. Hörspiel über Trauma
    (Deutschlandfunk Kultur, Hörspiel, 09.05.2021, 18.30 Uhr)