Himmelserkundung von der Steinzeit bis heute

Schon in vorgeschichtlicher Zeit waren die Menschen vom nächtlichen Sternenhimmel fasziniert. Davon zeugt das älteste und zugleich geheimnisvollste Monument der Astronomiegeschichte – die Megalithen von Stonehenge in Südengland. Hier beginnt auch das neue Buch „Geschichte der Astronomie“ aus dem Frederking & Thaler Verlag seine Reise durch die Jahrtausende der Himmelserkundung.
Aus bis zu fünfzig Tonnen schweren Steinbrocken wurde Stonehenge vor mehr als viertausend Jahren errichtet – warum? Persönlich fahren die Autoren – die renommierte Astrophysikerin Heather Couper und ihr Fachkollege und preisgekrönter Fernsehproduzent Nigel Henbest – nach Südengland, verbringen mit Hippies und Freizeitdruiden eine Nacht im Freien. In der Dunkelheit scheint das steinerne Monument einem weiten Planetarium zu gleichen, schreiben sie bewundernd, als brächte es die Sterne zur Erde herab.

Die frühen Architekten richteten die schweren Steine bewusst so aus, dass die Sonne am Morgen des Mittsommertags, wenn sie im Jahresverlauf am nördlichsten steht, ihre Strahlen in gerader Linie ins Innere des hufeisenförmigen Bauwerks schickte.

Doch wurden die Steinkolosse wirklich errichtet, um astronomische Berechnungen anzustellen? Das halten Couper und Henbest für unwahrscheinlich: Bauern und Viehzüchter brauchten keine Astronomen, um zu wissen, wann sie ihren Weizen säen oder ihre Herden eintreiben mussten. Stonehenge, die Pyramiden in Südamerika und Nordafrika, Felszeichnungen in den nordamerikanischen Canyons und in Australien – sie alle feiern die Verschmelzung zwischen Transzendenz und Alltäglichem, zwischen Himmel und Erde.

Den Unsicherheiten des Erdenlebens waren die Menschen ausgeliefert. Der Himmel aber repräsentierte kosmische Ordnung und Harmonie. „Sonne, Mond und Sterne leben friedlich und ohne Streit zusammen“, heißt es bei den Maori. „Das Böse ist ihnen unbekannt. Wann können wir so werden wie sie?“

Schon bald traten die Himmelsforscher aus der Anonymität heraus, suchten rationale Wege, die Gestirne zu begreifen. So tauchen in der Antike die ersten großen Namen auf: Thales von Milet, Pythagoras, Archimedes, Ptolemäus. Von nun an können die Autoren ihre große Stärke ausspielen: Meisterhaft verstehen sie sich darauf, historisches und astronomisches Wissen zu verschmelzen mit Lebensgeschichten und Anekdoten.

So wird Pythagoras lebendig, der schon lange vor Kolumbus wusste, dass die Erde rund ist: Der griechische Philosoph blickte vor allem deshalb in die Sterne, weil er dort oben eine kosmische Musik vernahm. Mit dem Spiel seiner Leier versuchte er, Kranke zu heilen. Und er gründete eine Sekte, wie man heute sagen würde: Die Mitglieder lebten vegetarisch, verzichteten auf persönlichen Besitz und begrüßten in ihren religiösen Ritualen die aufgehende Sonne.

Viele hundert Jahre später machen uns die Autoren mit Johannes Hevelius bekannt. Er baute im 17. Jahrhundert die ersten Fernrohre, deren Linse das Licht nicht in störende Regenbogenfarben zerlegte. Die Instrumente mussten deshalb sehr lang sein – drei Hausdächer waren keine schlechte Größe. Hevelius heiratete seine Danziger Nachbarin, die – wie praktisch – drei nebeneinander liegende Häuser besaß.

Die neue Astronomiegeschichte bietet reichlich farbige Abbildungen – keine Seite ohne alte Stiche, üppige Gemälde, technische Zeichnungen von Navigationsinstrumenten, Himmelskarten früher Seefahrer oder die atemberaubenden Fotografien moderner Satelliten. Die Bilder schlagen auch einen Bogen zwischen früher und heute: Während der Text sich weitgehend chronologisch durch die Astronomiegeschichte bewegt, lassen sich hier frühe Fernrohre mit modernen Instrumenten vergleichen oder die Entdeckungen alter Forscher im modernen Satellitenbild betrachten.

Die letzten drei Kapitel beschreiben sehr anschaulich die Grundlagen der modernen Himmelsforschung. Noch einmal erleben wir die aufregende Debatte um die Zahl der Planeten in unserem Sonnensystem mit, den Jubel der drei amerikanischen Forscher, die mit „Eris“ einen – vermeintlich – zehnten Planet entdeckt hatten. In den Medien schon gefeiert, schrumpfte Eris in den Gremien der Astronomen zum Zwergplaneten – und Pluto ging uns als Planet gleich mit verloren.

Forscher werden noch viele Durchbrüche und Enttäuschungen erleben, prophezeien die Autoren. So ist auch ihre Astronomiegeschichte nur eine Momentaufnahme zwischen gestern und morgen.

Rezensiert von Susanne Billig

Heather Couper, Nigel Henbest: Geschichte der Astronomie
Übersetzt von Frank Auerbach, Werner Kügler, Verena Küstner und Walter Spiegl
Frederking & Thaler, München 2008
288 Seiten, ca. 250 Farbfotos und Illustrationen
Gebunden. EUR 39,90