Hilfe für syrische Flüchtlinge

Mit Kopftuch und Cowboyhut

Von Kerstin Zilm · 18.11.2013
Im Süden Kaliforniens leben rund 150.000 Menschen mit syrischer Abstammung. Zu ihnen gehört auch die Künstlerin Sama Wareh. Ihre Eltern kamen aus Damaskus nach Kalifornien. Sie selbst ist in den USA geboren, aber ihr wichtigstes Anliegen ist Frieden für Syrien.
Vor einem Jahr beschloss Sama Wareh, die Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien selbst in die Hand zu nehmen und flog in die Türkei. Es folgten Begegnungen, die sie und ihre Kunst geprägt haben.
"This is a typical syrian breakfast ..."
Im Schatten eines alten Baumes hat Sama Wareh bunte Schüsseln voller Delikatessen auf einem Holztisch ausgebreitet. „Ein typisches syrisches Frühstück“ erklärt sie. Dazu gehören Bohnensalat mit Tomaten, Yoghurt mit Minze, Salatgurken, in Essig marinierte Rübenstücke, mehrere Käsesorten und Pitabrot, alles gewürzt mit Zitronensaft, Olivenöl und Knoblauch
"The key ingredient is lemon juice, olive oil and garlic."
Die Künstlerin empfängt gern Besucher in ihrer Wohnung mit Mini-Kunststudio in einer Schlucht südlich von Los Angeles. Locker plaudert sie über ihre Kleidung, die ihr Markenzeichen geworden ist. Sie sieht darin mehr wie ein Cowgirl aus als eine Muslimin: ein dunkles über der Schulter geknotetes Palästinensertuch bedeckt ihr Haar. Darauf sitzt ein brauner Cowboyhut. Über engen lila Jeans trägt sie einen braunen Rock. Nie ist sie ohne ihre abgenutzten Lederstiefel unterwegs. Bis zur sechsten Klasse wuchs Sama weitgehend abgeschirmt von westlicher Kultur mit muslimischen Ritualen auf. Dann kam sie in die öffentliche Schule.
"Das war ein Kulturschock und sehr, sehr interessant, weil ich in meiner eigenen Welt gelebt hatte. Ich wurde neugierig, es war aufregend, die Kinder und Eltern waren so anders und cool! Erst war es seltsam. Ich war wie ein Kind, das Außerirdische bei der Schule abgegeben hatten."
Auf dem steilen Weg hinauf zum Studio vorbei an Hühnerstall, Obstbäumen und Holzwerkstatt wird Sama ernster. Sie erzählt von Tanten, Onkeln und Cousins, die in Syrien leben. Regelmäßig besuchte sie Verwandte in Damaskus. Nie habe sie Feindschaft zwischen Sekten und Religionen erlebt. Die 30 jährige hält Kontakt mit der Familie vor allem über soziale Medien. Alle haben im Krieg schreckliche Dinge gesehen und erlebt, Freunde und Verwandte verloren.
"Ich habe auf Facebook gepostet: Syrer, hört mich an! Bitte vergesst nie wer ihr wart, bevor all dies begann! Dieser Krieg wurde geschaffen, um Euch zu spalten. Und mein Cousin schrieb: Du hast mich zum Weinen gebracht. Danke!"

In ihrem lichtdurchfluteten Mini-Atelier breitet Sama Wareh ihre Kunst aus: erdfarbene Gemälde mit starken Farbakzenten, Glasanhänger und mit Baumrinden strukturierte Bilder. Schon vor dem Krieg in Syrien setzte sie sich mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten in Symbolen, Schriften und Bauwerken alter Kulturen auseinander, zum Beispiel denen von Indianern und Beduinen.

Jetzt integriert sie Botschaften für Verständigung und Frieden in ihre Werke. Sie hat Angst, Hass könne das Land für immer überschatten. Auf ihrem neusten Werk liegt neben Symbolen syrischer Kultur - Mosaikbox, Jasminblüte, Pistazien, Fes und Schal - eine Papierrolle mit Ratschlägen für die Zukunft:
"Sieben: Hilf deinem Nachbarn! Acht: Vergib! Neun: Liebe! Zehn: Entferne jeglichen Hass aus deinem Herzen! Elf: Reiche deine Hand einem Fremden, möglichst nicht von derselben Sekte wie du."
Sama Wareh weiß: es ist einfacher, diese Dinge in Kalifornien zu schreiben, als sie im Kriegsgebiet zu leben. Lange fühlte sie sich hilflos, sammelte Spenden, verkaufte Kunst und schickte das Geld ans UN-Flüchtlingshilfswerk. Im November vergangenen Jahres hielt sie es nicht mehr aus und machte sich selbständig auf den Weg an die türkisch-syrische Grenze mit 8.000 Dollar Spendengeldern im Rucksack und zwei Koffern voller Medikamente.

Sie fand syrische Flüchtlinge zusammengepfercht in schimmligen Kellern, sprach mit von Kriegsverletzungen für immer gezeichneten alten Frauen und weinte mit Vätern, die ihre Familien unter Trümmern bombardierter Häusern verloren hatten. Sama kaufte Decken, Möbel und Heizkörper und bezahlte Miete für mehrere Familien.

"In dem Moment war all das, was mir Leute gesagt haben - „Was du vorhast ist dumm! Was willst du da? Geh nicht!“ - Alle Zweifel, alle Angst waren weg. Ich war so glücklich, fast wie im Rausch. Meine Hoffnungen erfüllten sich vor meinen Augen. Du kannst nichts Schöneres erleben als zu sehen, wie es jemandem besser geht, nur weil du gekommen bist."
Seit der Rückkehr spendet Sama Wareh 30 Prozent ihres Einkommens für Flüchtlingsorganisationen. Sie bereitet ihre nächste Reise an die syrische Grenze vor. Diesmal wird sie in den Libanon reisen und dort in Flüchtlingslagern für Kinder aus Syrien ein Kunstprojekt initiieren. Spenden dafür wird die Künstlerin unter anderem bei einer Veranstaltung im Gemeindezentrum ihres Dorfes sammeln - bei einem syrischen Frühstück.
"An meinem Geburtstag habe ich auf Facebook geschrieben: ich wünsche mir nur Frieden für Syrien. Und zwar jetzt!"
Mehr zum Thema