Hilfe für potenzielle Täter

Von Philip Banse |
Die Polizei zählt in Deutschland jedes Jahr 20.000 Kinder, die Opfer sexueller Übergriffe wurden. Die Dunkelziffer jedoch - da sind sich Experten einig - liegt um ein Vielfaches höher. Wenn überhaupt, können Strafverfolger und Therapeuten also oft nur eingreifen, nachdem schon Kinder gelitten haben und traumatisiert sind.
Aber es muss doch möglich sein potentiellen Kinderschändern zu helfen, bevor aus der Fantasie eine Tat wird, dachten sich Ärzte an der Berliner Charité. Heute stellten sie ihr weltweit erstes Forschungsprojekt zur Prävention von Kindesmissbrauch vor.

Menschen, die fürchten, sich an Kindern zu vergreifen, haben bisher kaum Aussicht auf Hilfe. Es gibt schlicht zu wenig Sexualmediziner und Therapieplätze.

Die Opferschutzvereinigung geht von 400.000 pädophil veranlagten Menschen in Deutschland aus - viele von ihnen seien sich des Problems bewusst, sagt Projektleiter Beier.

Beier: "Und das Projekt versucht gerade diese Gruppe anzusprechen, um sie bei ihrem Ziel, nämlich, dass kein Kind Opfer wird, zu unterstützen."

Das Projekt zur Prävention von Kindesmissbrauch kostet gut 530.000 Euro. Das Geld stammt fast komplett von der Volkswagen Stiftung. Das Forschungsunternehmen hat mehrer Phasen. Zunächst werden ab sofort Zeitungsanzeigen und Fernsehspots geschaltet.

Ein Mann um die 40 sieht in der U-Bahn einen hübschen Jungen, sein Herz schlägt höher. Der Junge steigt aus, der Mann bleibt sitzen, sein Blick ist voller Scham.

"Lieben sie Kinder mehr, als Ihnen lieb ist? Es gibt Hilfe. www.kein-taeter-werden.de"

Männer, die sich angesprochen fühlen, können eine Telefon-Nummer wählen und ein Gespräch in der Charite vereinbaren. 180 Therapieplätze gibt es. Bisher haben sich 50 Männer gemeldet. Zehn Sexualmediziner und Therapeuten werden sich drei Jahre lang um die Patienten kümmern. Pädophile, die sich an dem Projekt beteiligen, können sich auf die ärztliche Schweigepflicht verlassen, sagt der Heinz Schöch, Strafrechtsprofessor der Uni München und Mitglied des Projekt-Beirats:

Schöch: "Für alle diese Schweigepflichtigen gibt es auch keine Anzeigepflicht von strafrechtlicher relevanter Berichte oder Verhaltensweisen. Eine Anzeigepflicht hat nach unserer Rechtsordnung nur Polizei und Staatsanwaltschaft. "

Nur wenn ein Patient während der Therapie ankündigen würde, ein Kind etwa zu ermorden, könne die Schweigepflicht nicht mehr gelten, sagte Projektleiter Beier. Das würde den Teilnehmern jedoch vorher gesagt. Beiratsmitglied Prof. Hartmut Bosinski, Leiter der sexualmedizinischen Beratungsstelle an der Uniklinik, rechnet wegen der sexualmedizinischen Unterversorgung in Deutschland mit einer hohen Resonanz auf das Präventionsprojekt:

Bosinski: "Ich will es offen sagen: Meine Sorgen ist, das dieses Projekt so viele potentielle oder reale Täter motiviert sich zumelden, dass die Berliner Charité gar nicht nachkommt."