Hilfe für die zerstörten Buddhas von Bamiyan

Bert Praxenthaler im Gespräch mit Marcus Pindur · 29.09.2010
Der bayerische Bildhauer Bert Praxenthaler hält einen teilweisen Wiederaufbau der berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan für möglich. Er selbst arbeitet im Auftrag der UNESCO bei der Bergung und Sicherung der Fragmente.
Marcus Pindur: Das Bamiyan-Tal in Afghanistan ist zu trauriger Berühmtheit gelangt, weil hier einmal 3000 Jahre alte Buddha-Statuen standen, aus dem Fels geschlagen und unverrückbar, aber, wie sich herausstellte, nicht unzerstörbar, denn die Taliban in ihrer religiösen Verblendung sprengten die Statuen von Bamiyan trotz weltweiter Proteste in die Luft. Das war 2001.

Mittlerweile gehört das Bamiyan-Tal, 230 Kilometer westlich von Kabul, zu einer der ruhigsten afghanischen Provinzen. Dort können sich Ausländer fast völlig frei bewegen. Und die dort aktiven neuseeländischen Entwicklungshelfer haben eine Idee entwickelt, die sich zunächst in unseren Ohren weltfremd anhört. Sie wollen das Bamiyan-Tal zu einem Ort des sanften Tourismus machen. – Ich begrüße jetzt Bert Praxenthaler, er ist Bildhauer und Kunsthistoriker. Guten Morgen, Herr Praxenthaler.

Bert Praxenthaler: Guten Morgen!

Pindur: Sie sind regelmäßig dort unten, da aber für die UNESCO tätig. Was machen Sie dort?

Praxenthaler: Ja, ich bin seit 2004 dort, um die Fragmente der zerstörten Buddhas zu bergen. Wir hatten ja bei beiden Buddhas – und da muss ich Sie jetzt gleich mal korrigieren: Sie sind nicht 3000, sondern 1500 Jahre etwa alt. Diese beiden Buddha-Statuen, die 38 Meter und 56 Meter hoch waren, die haben natürlich dann nach der Sprengung durch die Taliban im März 2001 einen sehr großen Schutthaufen gegeben. Und wir haben aus dieser Schutthalde alle brauchbaren Felsfragmente und Lehmputz und sonstige Sachen geborgen, unter anderem auch Reliquien, die in den Buddhas drin waren, die wir auch bei unserer Bergung finden konnten. Ja, da bin ich jetzt dieses Jahr - war ich schon zwei Mal wieder unten, bin das siebente Jahr mittlerweile unten, also insgesamt über ein Jahr in Bamiyan.

Pindur: Was geschieht mit diesen Bruchstücken dann?

Praxenthaler: Wir haben diese Bruchstücke in Hallen gelagert, um sie für einen eventuellen Wiederaufbau zu sichern. Dieses Material, dieses Konglomeratgestein, ist ja nässeempfindlich und wenn man diese Sachen einfach der Witterung aussetzt – und in Bamiyan regnet es mitunter relativ stark, gerade im Frühjahr. Das hatte ich dieses Jahr erlebt; es gab richtige Überschwemmungen auch dort -, dann zerfällt dieses Gestein sehr schnell. Die Buddhas waren selbst ja geschützt in der Nische und auch durch den Lehmputzauftrag, den sie hatten. Und wenn der Schutt jetzt vor der Nische liegt, dann ist es natürlich voll der Witterung ausgesetzt.

Pindur: Also es besteht Hoffnung darauf, dass man irgendwann diese Statuen vielleicht auch rekonstruieren kann? Verstehe ich das richtig?

Praxenthaler: Ja, ich würde sagen, Rekonstruieren ist jetzt vielleicht das falsche Wort. Ein fragmentarischer Wiederaufbau, dass einfach Teile, die noch vorhanden sind, in einer entsprechenden Festigung wieder am Ort der Skulptur angebracht werden können. Aber das wird natürlich nur fragmentarisch, kann man sich ja vorstellen.

Pindur: Kommen wir noch mal zum Bamiyan-Tal als Ort für Tourismus zurück. Sie haben auch afghanische Studenten zu Fremdenführern ausgebildet beziehungsweise sich daran beteiligt. Können Sie uns einmal schildern, wie das geschehen ist, was Sie da getan haben?

Praxenthaler: Ja, ich hatte dort eine Gruppe von 20 bis 25 Studenten, die das Eco Touristbüro besuchten und dort Tourismusführer werden wollten. Und ich hatte denen einfach so ein bisschen über die historischen Hintergründe auch der Buddhas Informationen gegeben und auch so vom Technischen, was wir dort machen. Da hatte ich einfach letztes Jahr und dieses Jahr so einen kleinen Workshop gemacht und mit denen auch am Ort die Sachen besichtigt und alles erklärt, damit sie einfach den Touristen vernünftige Informationen geben können.

Pindur: An Massentourismus ist da unten ja sicherlich nicht gedacht. Was soll es denn dort geben? Was halten Sie für realistisch?

Praxenthaler: Ich halte das eigentlich für sehr realistisch, weil einfach die Region sich geradezu anbietet. Momentan ist die Gesamtlage, also die Anreise einfach noch schwierig, aber nur so als Beispiel: gerade zwei meiner persönlichen Freunde waren in den 70er-Jahren auch in Bamiyan. Das wurde damals sehr stark besucht, unter anderem auch wegen der Buddhas, nicht nur wegen der Buddhas, auch dieser buddhistischen Höhlenklöster, die es dort zu besichtigen gab, die ja nach wie vor auch da sind, also die Überreste dieser Klöster.

Und die ganze Landschaft mit Bergen bis zu 5.000 Meter Höhe ist praktisch eine grüne Oase im Hochgebirge auf zweieinhalbtausend Metern Höhe und nicht weit entfernt sind auch diese wunderbaren Seen von Band-e-Amir, glasklares Wasser, total blaue Seen auf 3.000 Meter Höhe, also fast schon ein surrealistisches Bild, wenn man dort ankommt, durch die Bergwüste fährt und dann plötzlich sich diese blauen Seen zeigen.

Pindur: Es gibt dort nur sehr wenige Soldaten, einige Neuseeländer sind dort stationiert. Wie kommt es, dass das Bamiyan-Tal so friedlich ist?

Praxenthaler: Ich würde sagen, die Taliban hatten ja damals nicht nur die Buddhas zerstört, sondern auch die Hazara sehr stark verfolgt, etliche Massaker angerichtet.

Pindur: Die Hazara sind eine Volksgruppe?

Praxenthaler: Das ist diese Volksgruppe, die hauptsächlich in Bamiyan lebt. Und diese Leute, die waren eigentlich von je her auch in ganz Afghanistan unterprivilegiert, hatten auch Bildungsverbot, durften also keine höherführenden Schulen oder überhaupt keine Schulen besuchen. Und diese Taliban wollten eben mit dieser Volksgruppe eine Art ethnische Säuberung durchführen.

Die hatten ja auch schon so eine nationalistische Attitüde, die Usbeken nach Usbekistan, die Tadschiken nach Tadschikistan und die Hazra nach Goristan, also praktisch ins Grab. Das war so ihr Ziel und deswegen haben sie dort auch überhaupt keinen Rückhalt natürlich. Wenn sich irgendwelche Taliban-Einheiten dorthin verirren sollten, dann würden die sehr schnell irgendwie geschnappt werden. Auch die Gouverneurin von Bamiyan, die Frau Dr. Sarabi, schaut natürlich, dass die Zugänge gut kontrolliert bleiben und dass quasi die Region sauber bleibt.

Pindur: Herr Praxenthaler, vielen Dank für diesen Einblick!

Praxenthaler: Danke!

Pindur: Bert Praxenthaler, Bildhauer und Kunsthistoriker. Er reist regelmäßig in das Tal von Bamiyan in Afghanistan.
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