Hightech statt Rückstand

Von Bettina Rühl · 03.12.2012
In Afrika findet derzeit eine High-Tech-Revolution statt. Noch vor Kurzem war der Kontinent in Bezug auf die Informationstechnologien von der Welt praktisch abgekoppelt. Jetzt nutzen immerhin 13 Prozent der Afrikaner das globale Netz. Die Wachstumsrate auf dem Kontinent ist enorm. Kenia ist einer der Staaten, in der die Informationstechnologie boomt. Die Regierung spricht deshalb stolz vom "Silicon Savannah".
Vier Stockwerke ging es hoch, in einem Gewerbegebäude in Nairobi, der kenianischen Hauptstadt. Von außen sieht das Gebäude völlig unscheinbar aus. Umso überraschender ist der Anblick, nachdem man die schwere Eisentür im letzten Stockwerk geöffnet hat: Sie führt in ein Großraumbüro, in dem Schreibtische in vielen Gruppen zusammen stehen.

An allen Tischen sitzen junge Leute, die konzentriert an ihren Laptops arbeiten. Andere sitzen in den durch Glasscheiben abgetrennten Besprechungsräumen und diskutieren. Nancy Wang arbeitet an einem der Tische.

"Wir sind hier bei ‚88 miles per hour’. Das ist ein Netzwerk von Mentoren, die junge Start-Up-Unternehmen fördern. Sie stellen jungen High-Tech-Unternehmen Kapital zur Verfügung, und einen Büroplatz in dem Raum, in dem wir jetzt stehen. In Nairobi gibt es drei oder vier solcher Arbeitsplätze für Start-Ups."

Der Name "88 miles per hour", spielt auf einen science-fiction Film an, der heißt " Zurück in die Zukunft". 88 Meilen pro Stunde sind da die Geschwindigkeit, bei der ein Auto zur Zeitmaschine wird. Nancy Wang ist 27 Jahre alt und Kanadierin mit chinesischen Wurzeln. Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Lino Carcoforo hat sie eine mobile Arbeitsvermittlung mit dem Namen "M-Kazi" gegründet.

Carcoforos kam ebenfalls aus dem Ausland nach Kenia: sein Vater ist Italiener, seine Mutter Somalierin. Die beiden jungen Unternehmer wollen erfolgreich sein, egal in welchem Geschäftsbereich, egal in welcher Gegend der Welt. Dass sie sich ausgerechnet für den IT-Bereich und Nairobi entschieden, ist bezeichnend für die Revolution, die derzeit in Kenia stattfindet.

"Als ich nach Kenia kam, sah ich so viele Möglichkeiten, so viel Wachstum, so viel Talent. Einen unglaublichen Reichtum an technisch ausgebildetem und talentiertem Nachwuchs. Das schien mir das unglaublich vielversprechend, und sehr aufregend."

Weil sie selbst keine Informatiker sind, beschäftigen Wang und Carcoforo ein Team von jungen Kenianern, das ihnen die Programme schreibt.

"Wir nutzen eine sehr einfache Technologie auf innovative Weise. Wir greifen auf die USSD-Technologie zurück, die im Westen als veraltet gilt. Der Vorteil ist aber, dass in Kenia jeder damit umgehen kann, weil die Konsumenten auf Basis dieser Technologie zum Beispiel überprüfen, wie viel Kredit sie noch auf ihren Prepaid-Telefonkarten haben.

Wir nutzen dieselben technischen Grundlagen, um sehr viel mehr Informationen zu vermitteln. Wir schreiben zum Beispiel: ‚Hier gibt es einen Job für Dich, schicke eine SMS an die und die Nummer, um dich zu bewerben.’"

In Kenia hat rund ein Drittel der Bevölkerung einen Zugang zum Internet. Und die Zahl der Nutzer steigt ständig weiter: Nach den letzten Zahlen um fünf Prozent im Quartal. Für Afrika ist das überdurchschnittlich viel, in dem Sahelstaat Niger oder der Demokratischen Republik Kongo liegt der Anteil bis heute bei unter einem Prozent. Einer der Unterschiede: Kenia liegt an der Küste.

Das ist wichtig, denn die technologische Revolution ist nur dank der modernen Glasfaserkabel möglich, die durch das Meer verlegt wurden, und Afrika heute mit Europa verbinden. Bis das moderne Netz auch ins Innere des Kontinents vordringt, dauert es länger. Aber in Kenia hat die Zukunft schon begonnen.

Und noch ein Großraumbüro in Nairobi, dieses befindet sich in einer Villa aus der britischen Kolonialzeit. Das Gebäude ist Sitz der Firma "Computer Revolution Africa". Das Unternehmen entwickelt Software für die Industrie und die kenianische Regierung, die ins e-government einsteigen will. Simon Kinuthia ist einer der drei Gründer der Firma:

"Seit das Glasfaserkabel in Nairobi angekommen ist, haben wir deutlich weniger Probleme mit dem Zugang ins Internet als früher. Nicht alles ist gelöst, aber es ist nicht mehr so schlimm wie noch vor fünf Jahren.

Wenn man damals auf einen link geklickt hat, ging man am besten irgendwo in einen Tee trinken während man darauf wartete, dass der Link sich öffnete. Oft kam man zurück und stellte fest, dass die Seite noch immer nicht geladen war."

Der ausgebildete Buchhalter arbeitete zwanzig Jahre lang für die kenianische Regierung bis er feststellte, dass Computer auch in Kenia seinen Job allmählich übernahmen. Er suchte Alternativen und stieg dort ein, wo er die Zukunft sieht: in der IT–Branche.

Inzwischen gilt sein Interesse nicht nur der Software, die Wirtschaftsunternehmen verlangen, sondern auch dem Bildungssektor. Kinuthia ist an einem Pilotprojekt der kenianischen Regierung beteiligt. Das Stichwort: e-learning.