Hightech-Kameras

Das große Geschäft mit Natur- und Tierfilmen

Serengeti
Löwen in der Serengeti-Savanne in Kenia © picture alliance/dpa/Foto: Stuart Price/Make It Kenya/Han
Von Hartwig Tegeler · 21.07.2016
Hochauflösende Nahaufnahmen von Löwen oder Pflanzenwachstum in Zeitraffer – mit neuester Technologie werden heutzutage Naturdokumentationen produziert. Die Filme gaukeln dem Zuschauer aber eine Realität vor, die es oft gar nicht mehr gibt.
Ein Gepard auf Jagd. Langsam schreitet er durchs hohe Gras der Serengeti-Savanne und schaut verblüfft. Als direkt neben ihm eine Libelle hochschießt. Und wir sehen das in der Naturdoku "Serengeti" in einer extremen Nahaufnahme und in Superzeitlupe, wie sich die Libelle vorm Geparden erhebt und nach links aus dem Bild fliegt. Während die Raubkatze gemächlich weiter schreitet.
Das Ganze gedreht mit einer Highspeed-HD-Spezialkamera, die 2000 Bilder pro Sekunde aufnimmt. 2000! Es ist eine hohe Messlatte, an der sich Naturdokumentation heute, nach den BBC-Mehrteilern "Unser Blauer Planet" oder " Plane Erde", messen lassen müssen. Um die spektakulären Bilder einzufangen, sind jahrelange Aufnahme- und Produktionszeiten nötig. An 200 Drehorten drehten 40 Kamerateams beim Mehrteiler "Planet Erde" in High Definition und nahmen 10.000 Stunden Filmmaterial auf. Die Kosten erreichen inzwischen zweistellige Millionensummen. Ohne Koproduktionen geht da nichts mehr. Nicht nur das erinnert an Hollywood, sondern auch das 3D-Equipment und das Personal aus der Spielfilm-Industrie, das mitunter eingesetzt wird. Neil Nightingale, Regisseur der BBC-Earth-Doku "Afrika – Das magische Königreich" – 2014 in 3D im Kino – über die Dreharbeiten:
Neil Nightinale: "Wir haben uns aller möglicher Techniken bedient. Zum Beispiel unterstützten uns Spezialisten aus Hollywood mit ihren ´spider-cams`. Dadurch konnten wir durch den Regenwald oder über die Victoria-Fälle fliegen. Und der Zuschauer bekommt das Gefühl, wirklich und leibhaftig an diesem Ort zu sein. Statt nur im Kino."

Das richtige Bild bekommen

Es gilt also nicht nur lange auszuharren, um das richtige Bild zu bekommen, sondern es braucht auch extremen technischen Aufwand:
Nightingale: "Eine der wichtigsten Aufnahmen im Regenwald war eine Kamerafahrt, die ein wenig an ´Alice im Wunderland` erinnert. Der Zuschauer wird förmlich von den Baumkronen auf den Waldboden gesogen. Um dies zu ermöglichen, mussten wir unser komplettes Equipment nach oben transportieren. Dabei unterstützte uns ein Team von professionellen Baumkletterern. Diese vertikale Kamerafahrt, die auf den Boden zurast, in der perfekten Geschwindigkeit hinzubekommen, in genau dem einen Moment, wenn die Sonne durch das Blätterdach bricht, das war mit die größte Herausforderung für uns."
Der Deutsche Jan Haft macht im Bonusmaterial der DVD seiner Naturdoku "Mythos Wald" klar, dass das schlichte Abbilden von Natur heute keinen mehr hinter dem Ofen hervorlockt:
Haft: "Damit man eben nicht in den Wald geht und einfach ein Standbild hat von mehreren Holzstämmen, die ein bisschen nebeneinander stehen. Da haben wir uns bemüht, uns etwas einfallen zu lassen."
Wie beispielsweise extreme Zeitlupen, die Vorgänge sichtbar machen, die unser Auge nie erkennen würde. Tagelang fuhr Jan Hafts Kamera um sprießende Pflanzen herum, um die dann im Zeitraffer inklusive Musikuntermalung zu präsentieren. Und auch die Geburt der Fuchsjungen in "Mythos Wald" ist nicht im Wald, sondern in einem künstlichen Bau in Jan Hafts Garten gefilmt worden.
Filmausschnitt: "Kurz nach Mitternacht ist es soweit. Das erste Füchslein kommt zur Welt."
Haft: "Auf den Moment der Fuchsgeburt haben wir natürlich hingearbeitet. Eigentlich zwei Jahre lang, weil wenn man den Bau nachbildet... der muss ja der Füchsin gefallen. Wenn der Moment schief gegangen wäre, dann hätte man ein Jahr warten müssen. Weil, die kann ja nicht beliebig Junge kriegen wie ein Hamster. Und das sind natürlich große Glücksmomente, wenn das dann klappt."

Inszenierung für den Zuschauer

Naturschönheit zu präsentieren, das geht heute im Kino, im Fernsehen oder auf DVD bzw. Blu-Ray nicht ohne eine auf Überwältigung zielende Inszenierung. BBC-Naturfilmer Nigel Nightingale will den Zuschauer mitreißen:
Nightingale. "Er soll hautnah erfahren und verstehen, dass die Natur noch viel außergewöhnlicher und magischer ist, als er bisher geglaubt hatte."
Was aber hat das noch mit Dokumentation zu tun? Erst im Bonusmaterial der DVD von "Serengeti" – 2010 herausgekommen – erfahren wir beispielsweise, welche Schwierigkeiten das Filmteam hatte, in einer keineswegs mehr menschenleeren Serengeti ihre Tieraufnahmen zu drehen. Die sind dann aber im Hauptfilm ohne Menschen zu sehen. Und tun vor allem unserem Wunsch nach intakter Natur Genüge, während wir gleichzeitig, in der Realität, ihrem Verschwinden beiwohnen. Im Grunde genommen erschaffen uns die Monumental-Natur-Filme mit enormem technischen Aufwand und ohne Frage faszinierenden Bilderwelten einen Traum-, aber keinen realen Ort.
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