"Hier ist immer Stress angesagt"

Von Andrea Hansen |
Es ist keine Ausnahme, es ist die Regel für Krankenpflegerin Katrin Kimmann am Uniklinikum in Münster: Um 20:20 Uhr beginnt ihr Dienst und endet um 6:30 Uhr am nächsten Morgen. Dazwischen liegen zehn Stunden, in denen sie die Verantwortung für 4 der 13 zum Teil schwerkranken Patienten hat.
22 Uhr. Station 11 A, das ist die Stroke Unit im Uniklinikum Münster, eine Spezialstation für Schlaganfallpatienten. 13 Menschen liegen hier zurzeit. Drei Fachpflegekräfte kümmern sich heute Nacht um sie. Eine von ihnen ist Katrin Kimmann, seit sechs Jahren examinierte Krankenschwester. Die Übergabe vom Tagdienst auf die Nachtschicht ist vorbei, Katrin Kimmann ist noch auf ihrer ersten Runde.

"Wir gehen durch die Zimmer, ich stelle mich den Patienten vor, gebe denen Medikamente eventuell noch, messe Blutdrücke, kontrolliere eigentlich alles, mache so meinen Check-up. Dann werde ich meine Leistungserfassung machen, wenn ich das schaffe."

Erst mal schafft sie es nicht. Ein Patient hat sich alle Elektroden abgezogen, der Monitor schlägt Alarm. Unterbrechungen der Routinearbeit sind für Katrin Kimmann keine Ausnahme, sondern die Regel.

"Die ganze Nacht das Gebimmel an den Ohren (...) Dann hat man gerade irgendwas angefangen, dann muss man schon wieder weiter. Man hat nie den normalen Ablauf. Hier ist immer Stress angesagt. Wenn Aufnahmen anstehen, dann haben wir Verlegungen, dann geht’s dem Patienten nicht gut. Dann hat man da wieder zu tun. Also hier ist es einfach viel unabsehbarer auf dieser Station, weil hier immer was dazwischen kommt."

Und wenn gerade nichts dazwischen kommt, kehrt Katrin Kimmann zu ihren Routinearbeiten zurück:

"Jetzt bereite ich ein Blutdruckmedikament vor für einen Patienten, den ich betreue (...) das wird gleich leerlaufen, dann kann ich das gleich wieder umhängen."

Routine hilft, den Überblick zu behalten. Die Pflegekräfte arbeiten eigenverantwortlich. Sie müssen allein aufpassen, dass sie nichts vergessen oder übersehen. An diese Verantwortung hat Katrin Kimmann sich aber gewöhnt, die macht ihr keinen Stress.

"Wir müssen jetzt auch etliche ärztliche Tätigkeiten übernehmen wie Blutabnehmen (...) Wir können auch schon viel eigenständiger arbeiten, was Medikamentengabe angeht. Das wird eigentlich immer mehr, was ich als Krankenschwester machen muss und eigentlich in meiner Ausbildung noch nicht gelernt habe."

Dabei hat sie schon jede Menge gelernt in den drei Jahren bis zum Examen:

"Das ist schon viel, was man lernen muss. Das hatte ich mir anfangs auch nicht so vorgestellt. Also Krankheitslehre, von Anatomie, man muss eigentlich alles lernen. Also im Grunde ist es schon ein kleines Medizinstudium ..."

Ob man das auch mit Hauptschulabschluss schaffen kann – Katrin Kimmann überlegt:

"Es kommt natürlich immer auf die Person an, man muss schon viel lernen können und auch behalten können, kommt natürlich darauf an, was man auch für einen Ehrgeiz hat. Wenn man das unbedingt lernen möchte, dann schafft man das auch schon."

Vieles von dem, was eine Pflegekraft können muss, steht nicht in Büchern: Kommunikations- und Teamfähigkeit, Organisationstalent, Geduld mit den Patienten, körperliche und seelische Fitness, um den Alltag mit Leid, Stress, Zeitmangel und daraus resultierendem Frust bewältigen zu können.

"Ich habe einfach keine Zeit, mich zu dem Patienten mal hinzusetzen, wenn er am Weinen ist oder so. Das geht einfach nicht. Da muss ich immer kurz und knapp, kurz angebunden sein. Das kommt einfach zu kurz ..."

Viel Zeit braucht Katrin Kimmann auch für die Verwaltung und Dokumentation ihrer eigentlichen Arbeit. Und immer wieder helfen sich die Pflegekräfte gegenseitig, zum Beispiel beim Wenden der Patienten.

Wieder raus aus dem Zimmer. Zurück an die eigene Arbeit.

"Jetzt nehme ich die Tabletten aus dem Schrank und stelle die in das Tablettenschälchen für morgen schon bereit ..."

Morgen ist eigentlich heute. Es ist nach Mitternacht während eines relativ ruhigen Nachtdienstes für Katrin Kimmann. Auf der Stroke Unit im Uniklinikum Münster.