"Hier gibt es keinen Nachholbedarf"
Max Straubinger kritisiert die von den Sozialdemokraten geforderte Hartz-IV-Korrektur. Das Vorhaben bedeute weniger Arbeitsplätze und damit weniger soziale Sicherheit, sagte der CSU-Arbeitsmarktexperte.
Jan-Christoph Kitzler: Vor ziemlich genau sieben Jahren hat Bundeskanzler Schröder die Agenda 2010 verkündet. Der Teil der Reform, der unter dem Namen Hartz IV bekannt ist, liegt der SPD noch immer schwer im Magen. Damit sei die Partei zum Totengräber des Sozialstaates geworden, sagen Kritiker, und die SPD ist schon lange hin- und hergerissen zwischen denen, die meinen, man müsse die Reform abmildern, und denen, die sagen, man muss zu dem stehen, was man mal beschlossen hat, als man in der Regierung war.
Gestern haben die Sozialdemokraten den Befreiungsschlag versucht und Korrekturen an Hartz IV beschlossen. Die Sparvermögen sollen nach dem Willen der Sozialdemokraten künftig unangetastet bleiben, das Arbeitslosengeld I soll es gerade für Ältere länger geben und auch der Übergang zum Arbeitslosengeld II, zum gefürchteten Hartz IV, soll abgemildert werden.
Das sind die wichtigsten Punkte, die rechtzeitig zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen beschlossen wurden, und mal ganz abgesehen von der Landtagswahl spreche ich darüber jetzt mit Max Straubinger, dem familienpolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag und eben dort auch stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales.
Guten Morgen, Herr Straubinger!
Max Straubinger: Guten Morgen, Herr Kitzler!
Kitzler: Wenn Sie sich die arbeitsmarktpolitischen Vorschläge der SPD anschauen, haben Sie dann nicht Lust auf eine Neuauflage der Großen Koalition?
Straubinger: Nein, weil das letztendlich gegen die Menschen gerichtet ist. Die Menschen werden wenige Arbeitsplätze haben mit diesem Programm, das die SPD beschlossen hat, und damit weniger soziale Sicherheit.
Kitzler: Aber die CSU hatte sich ja auch immer wieder für eine mildere Form von Hartz IV ausgesprochen wie jetzt die SPD. Ihr jetziger Koalitionspartner, die FDP, tut sich da deutlich schwerer, oder?
Straubinger: Wir stehen zu Fördern und Fordern, und das, glaube ich, ist das entscheidende Element. Und vor allen Dingen stehen wir dafür, dass es viele Arbeitsplätze in Deutschland gibt, und deshalb haben wir auch zum 1. Januar das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen, das letztendlich Grundlage ist, dass viele Arbeitsplätze in Deutschland entstehen können.
Kitzler: Es geht ja gar nicht mehr darum, ob Hartz IV reformiert wird, das schreibt ja auch das Bundesverfassungsgericht vor, sondern nur noch, wie reformiert wird. Werden wir mal konkret: Ältere Arbeitslose sollen mehr Geld bekommen, sagt die SPD, wenn sie arbeitslos werden. Können Sie das unterschreiben?
Straubinger: Wir haben das jetzt schon vereinbart, dass ältere Arbeitslose längeren Arbeitslosengeldbezug bekommen können, bis zu 24 Monate. Also hier gibt es keinen Nachholbedarf, wie die SPD hier vorgaukelt. Und darüber hinaus haben wir auch gleitende Übergänge auch natürlich mit in die Rente gegeben. Wir haben jetzt als Koalition, christlich-liberale Koalition, beschlossen, im Sozialversicherungsstabilisierungsgesetz vergangene Sitzungswoche, dass das Schonvermögen der älteren Arbeitslosen von 250 Euro je Lebensjahr auf 750 Euro je Lebensjahr, also verdreifacht worden ist. Das zeigt sehr deutlich die soziale Komponente auch mit der CSU in dieser Koalition.
Kitzler: Die SPD geht da ja sogar noch weiter, die sagt, Sparvermögen soll gar nicht mehr angetastet werden. Ist das für Sie finanzierbar?
Straubinger: Nein, das ist in keinster Weise finanzierbar und ist natürlich dann auch kein Anreiz mehr, sich um eine Arbeitsstelle auch zu bemühen. Denn wer gut betucht ist, der kann weiterhin hier auf alle Fälle Arbeitslosengeld II beziehen und zusätzlich natürlich von seinem Vermögen dann einiges dann mit abknappern. Also das kann meines Erachtens nicht eine vernünftige Sozialpolitik sein.
Kitzler: Das Problem der Sparer sind ja, die Sparer sind ja natürlich vor allem ältere Menschen, die oft nur noch sehr schwer wieder auf den Arbeitsmarkt zurückfinden. Da muss man doch etwas tun, oder?
Straubinger: Wir haben in der Vergangenheit große Erfolge gehabt, insbesondere in der Eingliederung von älteren Arbeitslosen. Ältere Arbeitslose sind zum Teil sehr bestens qualifiziert und sind unerlässlich für die Betriebe. Neben ihren Erfahrungsschatz, den sie mit einbringen können über ein langes Arbeitsleben, das sie bereits hinter sich gebracht haben, sind sie wertvolle Facharbeiter in den Betrieben und bekanntlich ringen die Betriebe um Facharbeiter.
Kitzler: Gestern hat ja auch Ihr Koalitionspartner, die FDP, eine Hartz-IV-Reform beschlossen: Wer Hartz IV, also Arbeitslosengeld II, bekommt, soll künftig mehr hinzuverdienen können, das ist die Kernaussage. Besteht da nicht die Gefahr, dass ein riesiger Markt von Billigstjobs entsteht, von denen niemand mehr leben kann ohne Hilfe des Staates?
Straubinger: Nein, die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen ja sehr deutlich, dass ja die Vollzeitbeschäftigung nicht zurückgegangen ist, sondern dass die Vollzeitbeschäftigung stabil geblieben ist. Aber was wir erschlossen haben, sind viele Teilzeitbeschäftigungen. Teilzeitbeschäftigungen werden mittlerweile von der SPD negativ dargestellt.
In Wirklichkeit sind sie aber wichtige Erwerbseinkommensmöglichkeiten für Alleinerziehende oder Alleinstehende beziehungsweise natürlich auch für Menschen, die nur teilweise Möglichkeit haben, am Arbeitsmarkt sich auch zu beteiligen. Deshalb sind diese Teilzeitmöglichkeiten Arbeitsmöglichkeiten beziehungsweise auch die Geringfügigkeitsbeschäftigungsverhältnis ein wertvoller Bestandteil auch der Arbeitswelt. Das bedeutet nicht, dass die Menschen deshalb in Armut sind.
Kitzler: Heißt das, Sie fordern einen großen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung?
Straubinger: Das ist nicht bezahlbar und, vor allen Dingen, öffentliche Beschäftigungen sind ja nicht sehr produktiv. Deshalb ist es meines Erachtens weit wichtiger, hier insgesamt den Arbeitsmarkt zu beleben und den wirtschaftlichen Aufschwung zu stärken in Deutschland, weil das sind dann reguläre Arbeitsverhältnisse, die letztendlich den Bürgerinnen und Bürgern besonders zugutekommen.
Kitzler: Aber Guido Westerwelle, der FDP-Chef, wenn ich ihn richtig verstehe, fordert doch gerade das Gegenteil. Der fordert, Hartz-IV-Empfänger müssen auch ruhig mal die Schneeschaufel in die Hand nehmen und Dienst für die Kommune tun.
Straubinger: Das ist wieder ein anderes Feld, das ist aber heute schon auch unter gesetzlichen Bedingungen möglich, dass ALG-II-Empfänger auch für gemeinnützige Arbeiten eingesetzt werden können. Aber es geht natürlich darum, dass gemeinnützige Arbeiten nicht reguläre Arbeiten verdrängen. Und diesen Spagat muss man hier natürlich auch mit beherrschen, und ich bin überzeugt, dass wir hier die besseren Angebote haben.
Kitzler: Alle Konzepte zur Reform von Hartz IV bleiben bei einem Punkt noch ziemlich vage, nämlich bei der Höhe des Arbeitslosengeldes II. Was meinen Sie, müssen die Sätze insgesamt erhöht werden und wie hoch?
Straubinger: Wir haben zum September die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zu erwarten. Dies ist letztendlich die Grundlage über die Höhe dann von Hartz-IV-Leistungen in unserem Land. Ich glaube nicht, auch das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass sie nicht erkennen kann, dass der Satz derzeit zu niedrig wäre, und deshalb warten wir mal die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ab und dann sehen wir weiter.
Kitzler: Max Straubinger war das von der CSU, er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales. Vielen Dank für das Gespräch!
Straubinger: Ich bedanke mich ebenfalls, Herr Kitzler!
Links auf dradio.de:
Bundestag berät über Hartz IV
Westerwelle im Visier
Bundesverfassungsgericht kippt Hartz-IV-Sätze
Hartz-IV-Sätze auf dem Prüfstand
Gestern haben die Sozialdemokraten den Befreiungsschlag versucht und Korrekturen an Hartz IV beschlossen. Die Sparvermögen sollen nach dem Willen der Sozialdemokraten künftig unangetastet bleiben, das Arbeitslosengeld I soll es gerade für Ältere länger geben und auch der Übergang zum Arbeitslosengeld II, zum gefürchteten Hartz IV, soll abgemildert werden.
Das sind die wichtigsten Punkte, die rechtzeitig zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen beschlossen wurden, und mal ganz abgesehen von der Landtagswahl spreche ich darüber jetzt mit Max Straubinger, dem familienpolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag und eben dort auch stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales.
Guten Morgen, Herr Straubinger!
Max Straubinger: Guten Morgen, Herr Kitzler!
Kitzler: Wenn Sie sich die arbeitsmarktpolitischen Vorschläge der SPD anschauen, haben Sie dann nicht Lust auf eine Neuauflage der Großen Koalition?
Straubinger: Nein, weil das letztendlich gegen die Menschen gerichtet ist. Die Menschen werden wenige Arbeitsplätze haben mit diesem Programm, das die SPD beschlossen hat, und damit weniger soziale Sicherheit.
Kitzler: Aber die CSU hatte sich ja auch immer wieder für eine mildere Form von Hartz IV ausgesprochen wie jetzt die SPD. Ihr jetziger Koalitionspartner, die FDP, tut sich da deutlich schwerer, oder?
Straubinger: Wir stehen zu Fördern und Fordern, und das, glaube ich, ist das entscheidende Element. Und vor allen Dingen stehen wir dafür, dass es viele Arbeitsplätze in Deutschland gibt, und deshalb haben wir auch zum 1. Januar das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen, das letztendlich Grundlage ist, dass viele Arbeitsplätze in Deutschland entstehen können.
Kitzler: Es geht ja gar nicht mehr darum, ob Hartz IV reformiert wird, das schreibt ja auch das Bundesverfassungsgericht vor, sondern nur noch, wie reformiert wird. Werden wir mal konkret: Ältere Arbeitslose sollen mehr Geld bekommen, sagt die SPD, wenn sie arbeitslos werden. Können Sie das unterschreiben?
Straubinger: Wir haben das jetzt schon vereinbart, dass ältere Arbeitslose längeren Arbeitslosengeldbezug bekommen können, bis zu 24 Monate. Also hier gibt es keinen Nachholbedarf, wie die SPD hier vorgaukelt. Und darüber hinaus haben wir auch gleitende Übergänge auch natürlich mit in die Rente gegeben. Wir haben jetzt als Koalition, christlich-liberale Koalition, beschlossen, im Sozialversicherungsstabilisierungsgesetz vergangene Sitzungswoche, dass das Schonvermögen der älteren Arbeitslosen von 250 Euro je Lebensjahr auf 750 Euro je Lebensjahr, also verdreifacht worden ist. Das zeigt sehr deutlich die soziale Komponente auch mit der CSU in dieser Koalition.
Kitzler: Die SPD geht da ja sogar noch weiter, die sagt, Sparvermögen soll gar nicht mehr angetastet werden. Ist das für Sie finanzierbar?
Straubinger: Nein, das ist in keinster Weise finanzierbar und ist natürlich dann auch kein Anreiz mehr, sich um eine Arbeitsstelle auch zu bemühen. Denn wer gut betucht ist, der kann weiterhin hier auf alle Fälle Arbeitslosengeld II beziehen und zusätzlich natürlich von seinem Vermögen dann einiges dann mit abknappern. Also das kann meines Erachtens nicht eine vernünftige Sozialpolitik sein.
Kitzler: Das Problem der Sparer sind ja, die Sparer sind ja natürlich vor allem ältere Menschen, die oft nur noch sehr schwer wieder auf den Arbeitsmarkt zurückfinden. Da muss man doch etwas tun, oder?
Straubinger: Wir haben in der Vergangenheit große Erfolge gehabt, insbesondere in der Eingliederung von älteren Arbeitslosen. Ältere Arbeitslose sind zum Teil sehr bestens qualifiziert und sind unerlässlich für die Betriebe. Neben ihren Erfahrungsschatz, den sie mit einbringen können über ein langes Arbeitsleben, das sie bereits hinter sich gebracht haben, sind sie wertvolle Facharbeiter in den Betrieben und bekanntlich ringen die Betriebe um Facharbeiter.
Kitzler: Gestern hat ja auch Ihr Koalitionspartner, die FDP, eine Hartz-IV-Reform beschlossen: Wer Hartz IV, also Arbeitslosengeld II, bekommt, soll künftig mehr hinzuverdienen können, das ist die Kernaussage. Besteht da nicht die Gefahr, dass ein riesiger Markt von Billigstjobs entsteht, von denen niemand mehr leben kann ohne Hilfe des Staates?
Straubinger: Nein, die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen ja sehr deutlich, dass ja die Vollzeitbeschäftigung nicht zurückgegangen ist, sondern dass die Vollzeitbeschäftigung stabil geblieben ist. Aber was wir erschlossen haben, sind viele Teilzeitbeschäftigungen. Teilzeitbeschäftigungen werden mittlerweile von der SPD negativ dargestellt.
In Wirklichkeit sind sie aber wichtige Erwerbseinkommensmöglichkeiten für Alleinerziehende oder Alleinstehende beziehungsweise natürlich auch für Menschen, die nur teilweise Möglichkeit haben, am Arbeitsmarkt sich auch zu beteiligen. Deshalb sind diese Teilzeitmöglichkeiten Arbeitsmöglichkeiten beziehungsweise auch die Geringfügigkeitsbeschäftigungsverhältnis ein wertvoller Bestandteil auch der Arbeitswelt. Das bedeutet nicht, dass die Menschen deshalb in Armut sind.
Kitzler: Heißt das, Sie fordern einen großen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung?
Straubinger: Das ist nicht bezahlbar und, vor allen Dingen, öffentliche Beschäftigungen sind ja nicht sehr produktiv. Deshalb ist es meines Erachtens weit wichtiger, hier insgesamt den Arbeitsmarkt zu beleben und den wirtschaftlichen Aufschwung zu stärken in Deutschland, weil das sind dann reguläre Arbeitsverhältnisse, die letztendlich den Bürgerinnen und Bürgern besonders zugutekommen.
Kitzler: Aber Guido Westerwelle, der FDP-Chef, wenn ich ihn richtig verstehe, fordert doch gerade das Gegenteil. Der fordert, Hartz-IV-Empfänger müssen auch ruhig mal die Schneeschaufel in die Hand nehmen und Dienst für die Kommune tun.
Straubinger: Das ist wieder ein anderes Feld, das ist aber heute schon auch unter gesetzlichen Bedingungen möglich, dass ALG-II-Empfänger auch für gemeinnützige Arbeiten eingesetzt werden können. Aber es geht natürlich darum, dass gemeinnützige Arbeiten nicht reguläre Arbeiten verdrängen. Und diesen Spagat muss man hier natürlich auch mit beherrschen, und ich bin überzeugt, dass wir hier die besseren Angebote haben.
Kitzler: Alle Konzepte zur Reform von Hartz IV bleiben bei einem Punkt noch ziemlich vage, nämlich bei der Höhe des Arbeitslosengeldes II. Was meinen Sie, müssen die Sätze insgesamt erhöht werden und wie hoch?
Straubinger: Wir haben zum September die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zu erwarten. Dies ist letztendlich die Grundlage über die Höhe dann von Hartz-IV-Leistungen in unserem Land. Ich glaube nicht, auch das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass sie nicht erkennen kann, dass der Satz derzeit zu niedrig wäre, und deshalb warten wir mal die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ab und dann sehen wir weiter.
Kitzler: Max Straubinger war das von der CSU, er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales. Vielen Dank für das Gespräch!
Straubinger: Ich bedanke mich ebenfalls, Herr Kitzler!
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Bundestag berät über Hartz IV
Westerwelle im Visier
Bundesverfassungsgericht kippt Hartz-IV-Sätze
Hartz-IV-Sätze auf dem Prüfstand