Hier geht's um die Wurst

12.12.2006
Die Wurst gehört quasi zum deutschen Kulturgut. Grund genug für den Satiriker Wiglaf Droste, den Zeichner Nikolaus Heidelbach sowie den Koch Vincent Klink, die Wurst gebührend zu feiern. Ihr edel aufgemachter Band "Wurst" gewinnt der Speise ganz neue Seiten ab und bietet neben Rezepten auch amüsante Wurstgeschichten und -zeichnungen.
Wenn es um die Wurst geht, ist Schluss mit lustig. Wenn es um die Wurst geht, stehen schwere Entscheidungen an, und so war es höchste Zeit, die Nationalspeise "Wurst" nicht mehr allein den Kochbuchverlagen zu überlassen, sondern sie in einem kulturgeschichtlichen 1-a-Werk zu würdigen , das die Grenzen des Sachbuchs lässig überwindet und veritable belletristische Qualitäten zeigt, die man manchem Roman wünschen würde. Ja, die Wurst lässt sich nicht auf einen fetthaltigen, preiswerten Fußgängerzonen- oder Fußballplatzimbiss reduzieren. Sie blickt auf eine reiche Tradition zurück, die es dem in Holzhausen beheimateten "Freunde der Thüringer Bratwurst e. V." sogar erlaubte, vor kurzem ein Museum zu eröffnen, in dem es ausschließlich um diese Wurst geht.

Mit dem Satiriker Wiglaf Droste, dem Zeichner Nikolaus Heidelbach und dem Spitzenkoch Vincent Klink fand sich ein wurstaffiziertes Trio, das es - in einem auf feinste Art ausgestatteten Leinenband - meisterhaft versteht, dem nahrhaften Thema vertraute und unvertraute Seiten abzugewinnen. Denn mit der Wurst ist nicht zu spaßen. Als die Berliner "tageszeitung" den Rodelchampion Georg Hackl als "halb-debile, rasende Weißwurst" bezeichnete, beschäftigte das alsbald die Gerichte, und auch die Absicht des Fußballnationalspielers Fredi Bobic, einen ungeliebten Schiedsrichter als "Bratwurst" zu schmähen, blieb nicht folgenlos.

Viel gibt es in diesem Buch zu lernen und manches nachzukochen. Gewiss, nicht jeder Hobbyküchenchef wird die schwere Verantwortung auf sich nehmen, in seiner kleinen Einbaukombüse französische Merguez-Wurstmasse zu fabrizieren, diese in passende Schafsdärme abzufüllen und sich gleich danach einer Hirn- oder Lungenwurst zuwenden. Doch ein klassischer schwäbischer Wurstsalat gelingt mit Vincent Klinks Hilfestellung mühelos, und der Versuch des Rezensenten, den liebevoll beschriebenen Blutwurst-Kartoffel-Auflauf Realität werden zu lassen, zeitigte ein Ergebnis, das der Mitesserin Freude bereitete. (Für Nachauflagen sei lediglich festgehalten, dass dieses kaloriengeschwängerte Gericht durch Apfelzugabe - als Kompott zum Beispiel - noch gewinnt.)

Während Vincent Klink uns das Handwerklich-Kunstvolle der Wurstzubereitung nahe bringt, schweift Assistenzkoch Droste zu den Nebenschauplätzen von Schwartenmagen und Wienerle ab, mischt Wahres und Guterfundenes zu einer schmackhaften Masse.. Auf schrecklich anschauliche Weise berichtet er etwa davon, wie es war, im öden Hannover eine durch und durch unbekömmliche Bratwurst mit Senfbeigabe zu verzehren, oder wie er einschneidende Esserlebnisse in der damals existierenden DDR verkraftete:

"Das größte Geheimnis der SED aber war die Wurstförderung in den Tiefen sächsischer Stollen. Hier schufteten Arbeiter bis zum Umfallen, Wurst um Wurst wurde dem Erdreich abgerungen. Salz- und kalihaltig war die Rohwurst, in Bitterfeld und Wolfen wurde sie chemisch veredelt und hieß nach dieser Prozedur ungarische Salami oder Rostbratwurst - der Rost war wörtlich zu verstehen."

Und nicht zu vergessen die Geniestreiche des Kölner Zeichners Heidelbach! Liebreizend anzusehen, wie er in zarter Pinselführung ein "Chorizo-Rudel in der Extramadura" aufs Papier bringt, oder wie er selbst vor biblischen Wurstverknüpfungen nicht zurückschreckt: im verstörenden Blatt "Die Hl. Martha führt den Tod mit Blutwurst in Versuchung".

Hier muss die Besprechung enden. Der Rezensent verspürt mit einem Mal unbändigen Heißhunger ... auf eine höllisch scharfe Currywurst zum Beispiel, ohne Darm bitte.

Rezensiert von Rainer Moritz

Wiglaf Droste/Nikolaus Heidelbach/Vincent Klink: Wurst
DuMont Verlag
159 S., 24 Euro 90

Wiederholung vom 11.12.06