"Hier geht noch etwas"

Von Burkhard Birke · 11.05.2013
Joachim Gauck hat bei seiner Kolumbienreise für weitere Anstrengungen im Friedensprozess in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land geworben. Er bot die Unterstützung Deutschlands beim Aufbau von sozialstaatlichen Strukturen an.
Ausgerechnet die einst von Kriminalität und Gewalt geprägten Comunas, die Armenviertel von Medellín besucht der Bundespräsident heute: Medellín, einst als Hauptstadt der Drogenkartelle und Mörder verschrien, hat sich gewandelt. Wie Kolumbien überhaupt. Joachim Gauck setzt mit seinem Besuch Zeichen. Die Kolumbianer wissen zu schätzen, dass der Bundespräsident seine erste Reise nach Lateinamerika in das bürgerkriegsgeplagte Land unternimmt.

"Nuestras relaciones Alemania Colombia pasan …"´

So gut wie noch nie seien wohl die Beziehungen zwischen Kolumbien und Deutschland: Präsident Santos war voll des Lobes und der Genugtuung, und das lag offensichtlich nicht nur an den drei signierten Fußballtrikots von Dortmund, Bayern und der Nationalmannschaft, die der Bundespräsident als Geschenk überreichte. Als Anerkennung der Fortschritte beim Friedens- und Aussöhnungsprozess versteht Gauck seinen Besuch, bei dem er für einen Mentalitätswandel, eine neue Form des Nation Buildings plädierte. Amnestie könne es nur geben im Gegenzug zu Wahrheit und Aufklärung: Diese Einsicht vermittelte der frühere Stasiunterlagenbeauftragte auch in einer Rede vor Studenten der Universität Los Andes.

"Ein Land, das um den inneren Frieden ringt, braucht eine Stabilität, die durch Bildung und Sozialpolitik gefördert wird genauso wie durch einen starken Staat mit einer aktionsfähigen Polizei und einem aktionsfähigen Militär. Dieser Respekt der Bevölkerung vor einem funktionierenden Staat, der das Vertrauen der Bürger genießt, ist ja übrigens die Voraussetzung für alles, was wir in diesem Land für einen gelingenden Friedensprozess erwarten."

Nach mehr als 200.000 Toten in 50 Jahren Bürgerkrieg und bei 4 Millionen Binnenflüchtlingen sehnt sich Kolumbien nach Frieden. Er scheint in greifbare Nähe gerückt. Mit den stark geschwächten FARC-Guerilleros laufen Verhandlungen. Die zweite Guerillagruppe ELN ist aber noch nicht voll auf Friedenskurs eingeschwenkt, und noch immer werden weite Teile des Landes von Banden und einstigen Paramilitärs kontrolliert, werden Gewerkschafter, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger ermordet. Joachim Gauck nach seiner Unterredung beim Pressestatement mit Präsident Santos:

"Wir konnten auch Gebiete anschauen, wo wir sagen: Na, hier geht noch etwas. Wir wünschen uns, dass Journalisten, Gewerkschafter, Menschenrechtsverteidiger im Zentrum auch Ihrer Aufmerksamkeit stehen. Die wollen auch von Ihnen, Herr Präsident, die Aufmerksamkeit genießen, die ihnen Schutz und Sicherheit bietet."

Gauck spielte auf die Menschenrechtsverletzungen auch durch die Sicherheitskräfte des Staates an. Kolumbiens Weg zum Frieden bleibt ein langer und steiniger: Der Bundespräsident wollte ausdrücklich keine Ratschläge erteilen, wohl aber Erfahrungen und Einsichten austauschen und Hilfe anbieten. Deutschland könne beim Aufbau entsprechender sozialstaatlicher Strukturen Unterstützung leisten. Das, was sich Kolumbien aber am meisten erhofft, sind Investitionen und – durch das Freihandelsabkommen mit der EU –intensivere Handelsströme. Schon jetzt ist der nach Brasilien und Mexiko drittgrößte Markt Lateinamerikas als Handelspartner extrem attraktiv.

"Wir haben Zuwächse von zehn Prozent jedes Jahr beim Außenhandel Deutschland/Kolumbien. Wir haben 2012 drei Milliarden Gesamtaustausch. Und das ist eine Verdoppelung ungefähr in den letzten fünf, sechs Jahren."

Thomas Voigt, Hauptgeschäftsführer der deutsch-kolumbianischen Handelskammer.

Auch da geht es noch einiges, um Gaucks Worte aufzugreifen, die auch bei den mitreisenden Unternehmern ein positives Echo fanden. Mit einem gemeinsamen Innovationsfonds, dem Alexander von Humboldt Fonds, soll da demnächst ein weiterer Grundstein gelegt werden.

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