Hiddenhausen wirbt um Neubürger

Alte Häuser für junge Familien

Das Bild vom 08.07.2015 zeigt das Ortseingangsschild von Hiddenhausen (Kreis Herford) an einer Strasse mit Wohnhäusern, die älter als zwanzig Jahre sind und zum Teil renoviert wurden.
Diese über 20 Jahre alten Häuser in Hiddenhausen wurden renoviert. © picture alliance / dpa / Oliver Krato
Von Stephanie Gebert · 24.01.2018
Ein lebendiges Dorfleben braucht junge Familien. Und die brauchen vor allem eines: Platz. Aber damit die Eltern mit ihren Kindern nicht auf die grüne Wiese ziehen, bietet Hiddenhausen ihnen mit dem Programm "Jung kauft Alt" Gebäude mitten im Dorf an.
"Sieht ja toll aus!"
"Ja, wir geben uns größte Mühen möglichst viel zu erhalten. Die Decke mussten wir abhängen. Also, wenn Sie sich hier einmal umschauen ... also da haben wir noch ordentlich was zu tun."
Elektrische Kabel ragen aus den unverputzten Wänden, Werkzeug liegt auf den Fensterbänken: Noch ist hier im Untergeschoss Baustelle. Bürgermeister Ulrich Rolfsmeyer lässt sich zeigen, wie die Sanierung des alten Stadthauses von 1904 vorankommt. Das frisch geschliffene Parkett im Eingangsbereich lässt erahnen, welchen Charme alle Zimmer bald wieder haben werden.
Das Haus gehört Mischa Pleukert und Frank Klocke. Sie sind mit ihren beiden kleinen Töchtern im Frühjahr nach Hiddenhausen gezogen. Die Vier wohnen erstmal nur im ersten Stock. Dort sind alle Wände tapeziert und die Möbel an ihrem Platz. Sechs Monate hat die junge Familie mithilfe von Eltern und Freunden renoviert und dabei so manche Überraschung erlebt. Ameisen als Mitbewohner zum Beispiel, erzählt die 32-jährige Mischa Pleukert:
"Das war da, wo das Wohnzimmer ist in dem Bereich. Das war leider feucht. Und das sah man leider erst, als wir den Teppich runtergenommen haben. Und da war noch was drunter, ne?"
"Ja, da waren viele Platten drunter."
"Und dann kamen die Dielen und die waren irgendwie morsch. Und da habe ich schon gedacht: Oh Gott, was haben wir gemacht? Aber es war dann halb so wild."

Leerstand gar nicht erst entstehen lassen

Für die Renovierung bekommt die Familie bis heute Geld von der Gemeinde Hiddenhausen und deren Programm "Jung kauft Alt". Die Idee: Junge Familien werden gefördert, wenn sie sich für den Kauf eines leerstehenden Hauses entscheiden. Außerdem greift die Gemeinde den Käufern unter die Arme, wenn das erste Gutachten zum Zustand des Gebäudes ansteht. So soll Leerstand frühzeitig vermieden werden, erklärt Bürgermeister Ulrich Rolfsmeyer:
"Wenn da erst mehrere Leerstände auftauchen, dann ist es schwer Häuser zu verkaufen. Denn, wer will in ein Gebiet ziehen, wo es schon verlassen ist? Und unsere Überlegung war, wir müssen frühzeitig was machen, damit wir in so eine Situation erst gar nicht reinkommen."
Die Zahlen geben dem SPD-Politiker recht. Zehn Jahre lang läuft das Projekt "Jung kauft Alt" in Hiddenhausen inzwischen und konnte insgesamt 500 Familien beim Hauskauf helfen. Jedes Jahr wurden rund 40.000 Euro dafür bereitgestellt. Eine kluge Investition, davon ist Bürgermeister Rolfsmeyer überzeugt. Denn der Überalterungsprozess konnte so gestoppt werden. Ganz konkret bedeuten die Zahlen für Familie Pleukert/Klocke: Sie bekommt insgesamt 6000 Euro über fünf Jahre verteilt. Die Summe setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag, den die Gemeinde Hiddenhausen für den Altbau-Kauf ausschüttet, und es gibt zusätzliches Geld für jedes Kind. Damit will die Gemeinde gezielt junge Familien fördern. Diese Finanzspritzen waren zwar nicht ausschlaggebend für den Kauf, sagt Familienvater Klocke, aber ein weiteres Argument für das Stadthaus. Er und seine Partnerin sind heute überzeugt vom Altbau-Kauf:
"Dieses Haus hat sehr, sehr viele Vorteile. Das war ein Glücksfall, wo viel gepasst hat und Potenzial drin ist."
"Und es war auch nicht so einfach ein Grundstück zu finden, das uns gefällt. Also ich hatte schon den Wunsch, dass es kein 300 Quadratmeter-Grundstück wird. Und wir wollten im Raum Hiddenhausen bleiben. Und da gibt es nicht so viele und wenn, dann sind die schon recht teuer."

Neubaugebiete kosten zu viel Geld

Der hohe Preis mag auch daran liegen, dass die Gemeinde Hiddenhausen möglichst wenig Neubauflächen ausweist, sagt Bürgermeister Rolfsmeyer. Auch diese Entscheidung ist Teil des Konzepts "Jung kauft Alt", erläutert der 58-Jährige:
"Der Altbestand, der dümpelt dahin. Aber wir nehmen neue Flächen, die wir versiegeln, die wir der Landwirtschaft entreißen, der Natur entreißen und bebauen die. Und später haben wir so einen hohen Baubestand, den keiner braucht. Und dann kommt noch eins dazu: Neubaugebiete kosten Geld. Ich muss einen Kanal reinlegen, ich muss Straße reinlegen und ich muss Straßenbeleuchtung reinlegen und ich muss das alles unterhalten. Wenn ich das dann parallel habe, das meine Altbaubestände leerstehen, dann habe ich den Leerstand und ich muss auf der anderen Seite den Neubau unterhalten. Das macht ja keinen Sinn."
Ein bestechendes Argument – so scheint es. Denn inzwischen haben sich andere Gemeinden in Deutschland die Reanimation des Dorflebens in Hiddenhausen abgeguckt und selbst das Programm "Jung kauft Alt" aufgelegt. Und so kann es weitere stolze Altbau-Besitzer geben wie Familie Pleukert/Klocke.
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