Hessische Kleinstadt Büdingen

Wie Bürgermeister Spamer gegen die NPD kämpft

Erich Spamer, Bürgermeister von Büdingen und Mitglied der FWG (Freie Wähler Gemeinschaft) steht in Büdingen in der Wetterau (Hessen) in seinem Büro.
Erich Spamer, Bürgermeister von Büdingen, geht es um die Verteidigung des demokratischen Rechtsstaats. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Von Ludger Fittkau · 15.06.2017
Seit der Kommunalwahl im März 2016 sitzt im Stadtrat der hessische Kleinstadt Büdingen eine vier Mann starke NPD-Fraktion. Bürgermeister Erich Spamer tut alles dafür, um der Partei das Leben schwer zu machen.
Der Café-Bereich einer Lebensmittelkette in der hessischen Kleinstadt Büdingen. Diesen Ort hat Daniel Lachmann als Treffpunkt vorgeschlagen. Lachmann ist Bundesvorstandmitglied der NPD und so etwas wie der Vorzeige-Kommunalpolitiker der Rechtsextremen.

"Ich bin der Sprecher der Kommunalpolitik im Bundesvorstand. Und natürlich habe ich hier Erfahrungen gesammelt. Ich bin jetzt seit 1997 aktiv, seit 2006 auch kommunalpolitisch – im Kreistag und im Stadtparlament hier in Büdingen. Und dadurch habe ich natürlich Erfahrungen gesammelt, gerade im Umgang mit den Städten und Gemeinden und kann dadurch auch anderen Kommunalpolitikern auch Ratschläge erteilen."

Mit 10,2 Prozent erzielte die NPD im März 2016 einen bundesweit beachteten Erfolg bei den Kommunalwahlen in Büdingen. Erich Spamer ist der Bürgermeister der 21.000-Einwohner-Kommune 50 Kilometer nordöstlich von Frankfurt am Main. Der damalige Erfolg der NPD hat seiner Meinung nach viel damit zu tun, dass die Stadt damals beschlossen hatte, eine leerstehende Kaserne für die Unterbringung von bis zu 800 Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Erich Spamer, war früher CDU-Stadtverordneter und ist heute Kopf der Freien Wähler in Büdingen:

"Das hat zu sehr viel Unsicherheit in der Bevölkerung geführt. Die Bevölkerung wurde von uns kurzfristig nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung informiert. Da waren 650 Besucher da. Nach Öffnung der Einrichtung, ein gutes halbes Jahr später, da haben wir wieder eine Veranstaltung gemacht. Da waren es weniger als 100 Leute. Das heißt, die Ängste der Bürger, die haben sich nicht bestätigt. Die Bürger haben sich mit der Situation arrangiert. Und es läuft auch gut, wir haben so gut wie keine Vorkommnisse und ich glaube, das ist auf die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten zurückzuführen."

Zugang zu finanziellen Mitteln erschwert

Auch NPD-Mann Daniel Lachmann muss heute einräumen, dass sich manche Befürchtungen in den vergangenen zwei Jahren nicht bestätigt haben. Befürchtungen nämlich, dass die neue Asylunterkunft mehr Kriminalität mit sich bringen könnte:
"Das hat sich dahingegen entspannt, das nicht so viele Vorfälle waren, wie vorher befürchtet."

Doch die NPD gehört nun mit ihren 10 Prozent Wähleranteil zur Büdinger Stadtverordnetenversammlung. Bürgermeister Erich Spamer:

"Ja, die NPD sitzt im Büdinger Stadtparlament mit vier Vertretern. Stellt regelmäßig populistische Anträge. Meint damit die bürgerlichen, demokratischen Parteien zwingen zu können, mit ihr zu stimmen. Aber das Unterlassen wir tunlichst. Und entscheidend ist für die Stadt Büdingen im Moment die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, in dem es festgestellt hat, dass die NPD verfassungswidrig ist. Aber wegen ihrer Bedeutungslosigkeit wurde sie nicht verboten."

Die Mehrheit im Büdinger Stadtparlament versucht nun, der NPD möglichst wenig Spielraum für Aktivitäten zu geben. So hat man vor kurzem die sogenannte "Entschädigungssatzung" der Stadt für Parlamentsfraktionen geändert, um keiner verfassungsfeindlichen Fraktion öffentliche Gelder zahlen zu müssen. Die NPD wiederum klagt gerade gegen diesen Büdinger Beschluss – beim hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel bekamen die Rechtsradikalen recht. Das Büdinger NPD-Bundesvorstandmitglied Daniel Lachmann:

"Ja, es geht halt darum, dass die Stadt Büdingen uns die finanziellen Zuschüsse verwehren will. Das ist eigentlich nur ein symbolischer Akt, weil es geht da um die Summe von 310 Euro im Jahr, was ja auch kein Bürger hier in Büdingen versteht. Das Verfahren wird 22.000 Euro kosten, wenn die Stadt in der zweiten Instanz unterliegt. Und das ist ja gar nicht zu rechtfertigen, mit den 310 Euro im Jahr."

Doch der Parteienmehrheit im Büdinger Stadtparlament geht es - wie auch Bürgermeister Erich Spamer - ums Prinzip. Deswegen will er nun auch in Revision gehen, vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig:

"Ja, es sind Kosten. Hier geht es aber um eine grundsätzliche Angelegenheit und da hat das zurückzustehen. Es geht um den Schutz des demokratischen Rechtsstaates und da kann man auch ein bisschen Geld opfern."
"Büdingen braucht Sicherheit und Heimatliebe" steht am 07.03.2016 in Büdingen in der Wetterau (Hessen) auf einem Wahlplakat der NPD zur Kommunalwahl. Die rechtsextreme NPD kam hier bei den Kommunalwahlen auf 14 Prozent der Stimmen.
NPD-Wahlplakat im hessischen Büdingen© picture alliance / dpa / Boris Roessler
Der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte argumentiert, es müsse bei der Frage der Fraktionsgelder beachtet werden, dass es einen Unterschied zwischen einer Parlamentsfraktion und der Partei gebe, die hinter einer Fraktion stehe. Die Büdinger NPD-Stadtratsfraktion müsse den anderen Fraktionen im Ortsparlament gleichgestellt werden. Diese Rechtsauffassung teilt der Büdinger Bürgermeiste Erich Spamer nicht. Er sieht eine enge Verzahnung zwischen Partei und NPD-Fraktion:

"Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Wenn ein NPD-Vertreter aus dem Stadtparlament ausscheidet, rückt üblicherweise der nächste, noch nicht Berufene auf der Liste nach. Aber jetzt kommt der Haken. Er muss zum Zeitpunkt des Nachrückens noch NPD-Mitglied sein. Wenn er das nicht ist, wird er übergangen. Dann kommt das nächste Noch-NPD-Mitglied in das Stadtparlament."

Das bedeutet: Die NPD-Parteimitgliedschaft ist entscheidend für das Nachrücken in die Fraktion. Anders als der hessische Verwaltungsgerichtshof sieht der Büdinger Bürgermeister dies als rechtlichen Beleg dafür, dass Partei und Fraktion nicht komplett getrennt zu sehen sind:

"Und da sehen wir die enge Verzahnung zwischen Partei und Fraktion und deswegen gehen wir auch in die Revision."

AfD als Konkurrenz

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig wird nicht vor 2018 erwartet. Auch in einem zweiten Rechtsstreit unterlag die Stadt Büdingen aktuell in erster Instanz. Das Verwaltungsgericht Gießen verpflichtete die Stadt mittels einer einstweiligen Verfügung, der NPD die Stadthalle für eine Großveranstaltung zur Verfügung zu stellen. Bürgermeister Erich Spamer:

"Die NPD hat wiederholt versucht, hier die Willi Zinnkann-Halle in Büdingen anzumieten, um den Bundesparteitag abzuhalten. Wegen des Verfassungsverfahrens haben sie davon zunächst Abstand genommen. Aber jetzt wird offensichtlich wieder aktiv versucht, die Halle anzumieten. Kurioserweise haben wir jetzt ein Schreiben bekommen, indem für jedes Wochenende angefragt wird, ob verschiedene Hallen der Stadt Büdingen zur Anpachtung zur Verfügung stehen."

Die NPD will mit öffentlichen Veranstaltungen in Büdingen auch der AfD etwas entgegensetzen, die sie als Konkurrenz betrachtet. Die AfD war bei der Kommunalwahl 2016 noch nicht in der Stadt angetreten, lädt aber nun im Bundestagswahlkampf verstärkt Parteiprominenz wie Alexander Gauland nach Büdingen ein, um das hier vorhandene Protestpotential am rechten Rand anzusprechen. Das ärgert das Büdinger NPD-Bundesvorstandsmitglied Daniel Lachmann:

"Natürlich liegt da ein Fokus auf Büdingen, um hier die Wähler abzugraben. (…) Gerade die Medien tragen ihren Teil dazu bei, indem sie halt als Alternative hochgeschrieben wird, was sie gar nicht meiner Meinung nach ist. Auch vom Programm her unterscheiden wir uns ganz klar. Wie sind nicht für eine besser geregelte Einwanderung, wir wollen gar keine Einwanderung."
In Büdingen gibt es jedoch eine rege Initiative, die sich um die Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung kümmert. Auch deswegen, weil nach dem zweiten Weltkrieg viele sogenannte "Heimatvertriebene" in Büdingen heimisch wurden. Viele Familien haben ihre eigene Migrationsgeschichte nicht vergessen. Das erzählen ältere Mitglieder der Flüchtlingsinitiative bei einem Presse-Rundgang durch die Erstaufnahmeeinrichtung, in der aktuell statt der einmal erwarteten 800 Geflüchteten zurzeit lediglich rund 200 Asylsuchende leben:

"Die Mehrheit der Menschen hier sind ja Flüchtlinge. Entweder aus dem Osten oder aus Ungarn. Ich weiß, 1956 haben wie für die Flüchtlinge aus Ungarn gesammelt. Dann kam die Maueröffnung und so weiter. Wir haben uns mehr als verdoppelt an Einwohnerzahl gegenüber den Alteingesessenen."

"Ich finde das ganz, ganz toll, dass die Stadt Büdingen sich darum bemüht hat, hier ein Erstaufnahmelager zu machen. Besser kann es ja gar nicht für die Stadt sein, um sich auch zu präsentieren, dass wir eine weltoffene Stadt sind."
"Büdingen ist weltoffen - Auf gute Nachbarschaft" steht am 07.03.2016 in Büdingen in der Wetterau (Hessen) auf einem Transparent vor dem Rathaus. 
"Büdingen ist weltoffen - Auf gute Nachbarschaft" steht am 07.03.2016 in Büdingen in der Wetterau (Hessen) auf einem Transparent vor dem Rathaus. © picture alliance / dpa / Boris Roessler

Spamer: Wahlerfolg von 2016 nicht wiederholbar

Beim Rundgang durch die Erstaufnahmeeinrichtung ist auch des hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) dabei. Auch er hält Büdingen trotz der 10 Prozent NPD-Wähler nicht für eine Hochburg der Rechtsradikalen, obwohl die Rechtsextremen hier seit längerem ein Vereinslokal betreiben und offenbar gerade dabei sind, einen Sportverein zu unterwandern:
"Nein, das ist es mit Sicherheit nicht. Es hat sich hier ein Protest kanalisiert, der an anderen Stellen an andere Parteien gegangen ist."

An die AfD nämlich, die eben in Büdingen 2016 noch nicht angetreten war. Doch mit Bundesvorstandsmitglied Daniel Lachmann hat die NPD in Büdingen eben auch einen Frontmann, dessen Familie in der Stadt bekannt ist. Das merkt beim Rundgang in der Asylunterkunft ein Flüchtlingshelfer an, der selbst einmal CDU-Stadtverordneter war:

"Dessen Onkel war früher bei uns hier in der CDU-Fraktion gewesen, den Vater kenne ich auch, der wollte immer das Bundesverdienstkreuz haben, aber wir fanden keinen Grund dafür. Wieso er da gelandet ist, weiß ich auch nicht."

Bürgermeister Erich Spamer will nun verhindern, dass die NPD seine Stadt Büdingen als eine neue Hochburg im Westen betrachtet und etwa ihren Bundesparteitag hier durchführt. Langfristig glaubt er nicht, dass Daniel Lachmann seinen Wahlerfolg aus der Hochphase der Flüchtlingsdebatte in Büdingen wiederholen könnte:

"Die NPD sieht in dem Herrn Lachmann einen Wahlkämpfer, der Wahlerfolge vorweisen kann. Das ist bei anderen Parteien auch so, die werden dann durch die Vorstände nach oben gehievt. Ich persönlich halte ihn nicht für die große Leuchte, die die NPD nach vorne bringen kann. Das waren Stimmungswahlen, die Kommunalwahl und die Bürgermeisterwahl. Ansonsten hat die NPD in Büdingen immer nur einen Stimmenanteil – trotz des Herrn Lachmann – von eins bis zwei Prozent gehabt.

Und bei der nächsten Wahl, der Bundestagswahl, können die Büdinger dann auch erstmals die AfD auf dem Wahlzettel ankreuzen. NPD-Hoffnungsträger Daniel Lachmann ahnt nichts Gutes:

"Natürlich, die AfD ist eine Konkurrenz, sie wildert halt in unserem Bereich und gräbt uns Wähler ab."
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