Hessen streiten um Schulpolitik

"Weil man uns die Bildung klaut"

Ein Demonstrant hält ein Plakat hoch, auf dem steht: "Klassenlehrer entlasten!"
Etwa 1.000 Menschen demonstrierten vergangenen Monat in Frankfurt am Main für mehr Bildungsausgaben. © Andreas Arnold/dpa
Von Ludger Fittkau · 24.10.2018
Hessens Schulgebäude sind marode und in ihnen unterrichten oft zu wenig Lehrer. Das bemängelt ein Bürgerbündnis und fordert die Politik auf, 500 Millionen Euro zu investieren. Ihnen schließen sich SPD und Linke an, CDU und Grüne bleiben stumm.
"Und jetzt nochmal herzlich Willkommen. Und hier ist jetzt auch: Bildung braucht bessere Bedingungen. Einmal alle nach oben!" Eine Moderatorin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Hessen (GEW). Sie bittet Mitglieder eines hessischen Bündnisses für bessere Bildungsbedingungen auf die Bühne vor der Alten Oper in Frankfurt am Main. Mehr als 1000 Lehrerinnen und Lehrer, Schüler und Eltern haben sich vor der Bühne versammelt. Sprechchöre werden geübt: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!"
Ein großes Transparent im Bühnenhintergrund trägt die Aufschrift: "500 Millionen für ein Sofortprogramm für bessere Bildung". Die Forderung richtet sich an alle Parteien, die am 28. Oktober zur Landtagswahl antreten. Als erste greift Landesschülersprecherin Emily Dilchert zum Mikrofon und spricht über bröckelnde Unterrichtsgebäude und zerschlissene Schulmöbel in vielen hessischen Schulen. Das sei ganz anders als in den Privatwohnungen, ruft Emily Dilchert in die Menge:
"Wir haben ein schönes Zuhause. Wir haben beispielsweise einen Raum, in dem wir uns entspannen können. Wir haben Tische, an denen wir gut arbeiten können. Wir haben Gemäuer, das nicht abbröckelt oder in das es nicht hineinregnet. All das haben unsere Schulen nicht. An all dem spart unsere Landesregierung. Und das ist ein Zustand, der ist nicht hinnehmbar."

SPD und Linke unterstützen die Forderungen der Bürger

Deswegen fordert das hessische Bündnis "Bildung braucht bessere Bedingungen" umgehend ein Sofortprogramm von 500 Millionen, um Schulbauten zu sanieren und weitere Lehrer einzustellen – vor allem für den inklusiven Unterricht. Tony Schwarz, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hessen:
"Das ist tatsächlich auch nur ein Sofortprogramm. Weil, das weiß man auch: es würde für die Sanierung der schulischen Gebäude alleine in Frankfurt überhaupt nicht ausreichen. Es ist ein Sofortprogramm, um die nötigsten Löcher erst mal zu stopfen."
Aus einem Lautsprecher ertönt eine Stimme: "Ich begrüße an dieser Stelle Chris Degen von der SPD und Janine Wissler von der Partei Die Linke." Christoph Degen und Janine Wissler, die bildungspolitischen Sprecher von SPD und Linken im hessischen Landtag sind zur Demo gekommen, um die Forderungen des Bündnisses zu unterstützen. Vertreter der Regierungsparteien CDU und Grüne sind nicht erschienen.

Betreuungsquote an Hochschulen verschlechtert sich

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier verteidigt dagegen bei einer der letzten Landtagsdebatten vor der Wahl am kommenden Wochenende die Schulpolitik der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen:
"Hessen hat bundesweit die niedrigste Schulabbrecher-Quote. Eine ganz wichtige Geschichte. Hessen hat die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Bildung aller Flächenländer. Niemand gibt pro Kopf mehr aus. Hessen hat bundesweit die höchste Lehrerversorgung. Und Hessen ist Spitzenreiter zum Beispiel in der Sprachförderung für Migranten, ein Punkt, der für unsere gemeinsame Zukunft so wichtig ist. Meine Damen und Herren, einige Beispiel aus dem Bereich der Bildung."
Die Meinung, dass Hessen im Bereich der Bildung Spitze sei, teilen nicht alle Verbände im Bundesland. So habe sich etwas das Betreuungsverhältnis an Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren von 16,6 auf 23,3 Studierende pro Lehrendem verschlechtert, kritisiert die GEW.

Bildung ist das wichtigste Thema

Und Bouffiers SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel hält im Bereich der frühkindlichen Erziehung mit einem Gesetzentwurf dagegen, in dem vollständige Gebührenfreiheit für Ganztagskitas gefordert wird. Bisher sind in Hessen lediglich sechs Stunden täglich gebührenfrei: "Die durchschnittliche Betreuungszeit in Hessen beträgt deutlich mehr, nämlich siebeneinhalb. Und deswegen ist das eine willkürliche Grenzziehung, die eine familienpolitische und gleichstellungspolitische Grenzziehung offenbart, die ausdrücklich nicht unsere ist. Und deswegen sind wir froh, dieses Gesetz vorgelegt zu haben."
Bildung ist nach Umfragen das wichtigste Thema für die Hessinnen und Hessen bei der anstehenden Landtagswahl – noch vor der Asylpolitik oder der Wohnungsnot, von der wiederum auch besonders Studierende in Mittel- und Südhessen betroffen sind. Das zeigt sich auch auf den Wahlplakaten, die die Parteien kleben. Und eben bei der Demo vor der Alten Oper in Frankfurt am Main. Dort schreit ein Sprechchor: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!"
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