Hessen-SPD-Vize: Schließen keine Koalitionskonstellation aus

Manfred Schaub im Gespräch mit Marcus Pindur |
Die hessische SPD will bei den geplanten Neuwahlen keine potenziellen Koalitionspartner mehr ausschließen. Seine Partei werde stattdessen nur noch mit dem eigenen Programm antreten, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der SPD in Hessen, Manfred Schaub.
Marcus Pindur: In Hessen gibt es Neuwahlen. Gestern Nachmittag sprach sich das hessische CDU-Präsidium dafür aus. FDP, Grüne und Linke hatten sich auch schon dafür ausgesprochen und auch der SPD-Landesvorstand will Neuwahlen. Die Frage, die sich jetzt für die SPD stellt, will sie mit der öffentlich-gedemütigten und durch ihren Wortbruch beschädigten Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti noch einmal in einen Wahlkampf ziehen?

Andrea Ypsilanti hat sich dazu noch nicht geäußert. Wir stellen diese Frage jetzt dem SPD-Bezirksvorsitzenden von Hessen-Nord Manfred Schaub. Guten Morgen, Herr Schaub.

Manfred Schaub: Guten Morgen.

Pindur: Herr Schaub, glauben Sie, es wäre klug, mit Andrea Ypsilanti wieder in die Neuwahlen zu gehen?

Schaub: Ich fand zunächst Ihre Frage natürlich nicht richtig gestellt, weil Sie schon mit so vielen Bewertungen eingestiegen sind, was Wortbruch, gedemütigt und Ähnliches hieß. Andrea Ypsilanti steht für den stärksten Zuwachs, den ein SPD-Landesverband in den letzten Jahre hatte.

Pindur: Und für das zweitschlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der hessischen SPD.

Schaub: Das stimmt zweifellos. Aber auf dem Fundament dessen, was wir in den letzten Jahren an grundsätzlichen Zustimmungen hatten, war das Ergebnis großartig. Und im Übrigen steht sie für ein Programm, das offenbar dazu geführt hat, den Menschen Alternativen aufzuzeigen, sonst hätte Koch nicht zwölf Prozent Minus eingefahren.

Pindur: Tatsache ist aber auch, dass sie an der Bürde ihres Wortbruches, nicht mit der Linken zu kooperieren, im Wahlkampf schwer tragen wird und ein leichtes Ziel auch für Angriffe anderer Parteien sein wird, besonders der CDU natürlich.

Schaub: Klar ist, das haben wir doch auch an mehreren Stellen schon gesagt, wir würden nicht noch einmal so ausschließlich sagen: nicht mit irgendeiner Partei. Das haben wir an mehreren Stellen schon als Fehler eingeräumt. Das wird es vor einer nächsten Wahl nicht geben.

Pindur: Kein Koalitionsausschluss, keine Koalitionsaussage?

Schaub: Man muss immer als eigene Partei mit einem eigenen Programm antreten und nach der Wahl einfach sehen, mit welcher anderen Partei man gemeinsam etwas umsetzen kann von diesem Programm. Von daher eine Ausschließlichkeit, wie wir das vor der letzten Wahl an einer Stelle gesagt haben, wird es sicher nicht geben.

Pindur: Wenn das so ist, dann müsste die hessische SPD aber einen Landesparteitagsbeschluss widerrufen, nämlich den nicht mit der CDU, unter Koch zu koalieren?

Schaub: Wenn wir in die nächste Wahl gehen am 18. Januar vermutlich ja, dann wird es einen Landesparteitag davor geben und dann wird auch die Zielrichtung sein, eben wie gesagt keinen Ausschluss in irgendeiner Art und Weise, Ausschluss irgendeiner Koalition auf den Weg zu bringen.

Pindur: Noch einmal zurück zu Frau Ypsilanti. Sie ist jetzt zweimal mit dem Kopf vor die gleiche Wand gelaufen, wie das Kurt Beck gesagt hat. Die hessische SPD, sollte die auch zweimal mit Andrea Ypsilanti in die Landtagswahlen gehen?

Schaub: Zunächst mal, am vergangenen Montag ist ja nicht Frau Ypsilanti vor die Wand gelaufen. Am vergangenen Montag haben wir wirklich tragisch hinnehmen müssen, dass vier Abweichler das ganze Projekt gestoppt haben. Das ist ja nicht, dass Frau Ypsilanti vor die Wand gelaufen ist, sondern das ist, dass vier etwas nicht mitgemacht haben, was auf dem Parteitag mit großer, großer Mehrheit beschlossen worden ist.

Pindur: Es wurde aber klar, schon seit Längerem, dass es schwierig wird, diesen Kurs durchzusetzen. Nur eine kleine Umfrage, hier Forsa, 64 Prozent der SPD-Anhänger sind der Ansicht, die Abweichler hätten richtig gehandelt.

Schaub: Das, was ich an den ganzen entsprechenden Umfragen jetzt gesehen habe, kann ich natürlich auch mit dem beurteilen, was aus den Ortsvereinen an mich herangetragen wird, was aus der Mitgliedschaft auch an mich herangetragen wird. Und da muss ich ganz ehrlich sagen, ist es ein so deutliches Zeichen, dass wir sogar Maßnahmen gegen die Abweichler ergreifen sollen, weil ganz viele der Auffassung sind, wenn ein Parteitag mit 95,3 Prozent einen Kurs für richtig hält und uns auf den Weg schickt, dann kann es nicht sein, dass Einzelne an der Stelle dann für sich reklamieren, die Partei aufhalten zu können.

Pindur: Ich nenne jetzt mal noch eine Umfragezahl. Die Zustimmungsrate von Andrea Ypsilanti liegt derzeit drei Prozent unter der von George Bush, nämlich bei 24 Prozent.

Schaub: Ich habe natürlich die Umfragewerte von gestern auch gesehen und habe auch feststellen können, dass die Umfrage genau in dieser Woche direkt nach den Ereignissen von Montag durchgeführt worden ist. Und Sie können ganz sicher sein, das geht mir so wie ganz vielen anderen. Das, was am Montag passiert ist, sorgt schon für tiefergehende Einwirkungen in einem selbst. Und das wird auch bei den Menschen nicht viel anders sein.

Pindur: Sie schließen Konsequenzen personeller Art nicht aus?

Schaub: Aus was heraus schließen jetzt diese Annahme? Die Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti ist unsere Landesvorsitzende, steht wie gesagt für ein richtig gutes Ergebnis.

Pindur: Wird sie auch Spitzenkandidatin?

Schaub: Und wird am morgigen Tage im Landesparteirat einen Vorschlag unterbreiten und das ist sozusagen der richtige Weg, auf dem bei uns auch solche Sachen beraten werden.

Pindur: Nehmen wir an, Frau Ypsilanti tritt nicht zur Spitzenkandidatur an. Würden Sie antreten? Sie werden auch als Kandidat gehandelt.

Schaub: Das höre ich auch an der einen oder anderen Stelle. Aber das ist genauso, wie ich es Ihnen beschrieben habe: Wir haben morgen einen Landesparteirat. Das ist der kleine Parteitag, den die hessische SPD dann morgen in Frankfurt durchführen wird. Und da wird Frau Ypsilanti einen Vorschlag unterbreiten.

Pindur: Kommen wir zu den vier Abweichlern noch mal, die nicht für eine Duldung durch die Linkspartei einstehen wollten. Da wurde der Ruf nach Parteiausschluss laut und mehrere Ortsvereine sollen das schon beantragt haben. Sind Sie auch dafür?

Schaub: Das ist tatsächlich so, dass mehrere Ortsvereine bereits Parteiausschlussverfahren beantragt haben, sodass auch die Gremien der SPD handeln müssen. Ich bin dafür, dass wir in einem sehr behutsamen Verfahren mit denjenigen, die es betrifft, das auch klären. Aber klar ist auch, das Verhalten muss Konsequenzen haben.

Wir haben deshalb als Bezirk Hessen-Nord, und zwar in einem zeitlich sehr sauber und abgestuften Verfahren auf den Weg gebracht, zunächst die Absichtserklärung Maßnahmen ergreifen zu wollen. In der nächsten Woche wird es darüber einen weiteren Teil der Beratung geben. Deshalb zeitlich abgestuft, weil ich der Auffassung bin, dass die vier auch selbst für sich überlegen müssen, ob sie nicht die kompletten Konsequenzen aus ihrem unverantwortlichen Handeln ziehen müssen.

Pindur: Im Zweifelsfall sind Sie auch für einen Parteiausschluss?

Schaub: Nein, das habe ich ja gerade eben beschrieben. Das soll abgestuft verlaufen.

Pindur: Das ist klar, das tut das Verfahren ja immer.

Schaub: Ja, na gut. Aber wir haben noch einige zusätzliche, auch zeitliche Hürden eingebaut, um den Vieren auch immer die Gelegenheit zu geben, bei uns ist es ja, Bezirk Hessen-Nord, dann nur eine, die in unserem Bezirk so angesiedelt ist, aber jeweils auch die Möglichkeit zu geben, an der einen oder anderen Stelle selbst Konsequenzen zu ziehen.

Pindur: Manfred Schaub, SPD-Bezirksvorsitzender Hessen-Nord. Herr Schaub, vielen Dank für das Gespräch.

Schaub: Danke sehr.