Herzschäden durch Party-Drogen

Von Stephanie Kowalewski |
In die Krefelder Helios Klinik wurden innerhalb weniger Wochen drei junge Leute mit schwersten, irreparablen Schäden des Herzens eingeliefert. Der Grund: Designerdrogen.
Als die Kardiologin Brigitte Bathgate die MRT-Diagnosebilder der Herzen erstmals sieht, ist sie schockiert. So etwas, sagt die gestandene Oberärztin am Helios Klinikum Krefeld, habe sie noch nie vorher gesehen.

"Wenn Sie nur die Bilder sehen, dann denkt man, dass muss ja irgendein alter Mensch sein, der eine lange Krankheit hinter sich hat. Und ich sehe eben, das sind ganz junge Menschen. Die sind gerade erwachsen geworden. Einfach erschreckend."

Die drei Patienten sind erst Anfang zwanzig, hatten keinerlei Vorerkrankungen und doch ist ihr Herz plötzlich dauerhaft und irreparabel geschädigt.

"Und jetzt ist es eben nicht so, dass man sagen kann, sie haben jetzt einen Schaden und werden vielleicht in ein paar Jahrzehnten krank. Nein, sie sind jetzt krank, schwer krank. Die müssen Ruhe halten, wie alte Menschen. Das Leben hat sich total verändert. Die Belastungen sind fürchterlich eingeschränkt."

Für ihre jungen Patienten ist bereits ein kurzer Spaziergang eine enorme Kraftanstrengung. Auf der Suche nach der Ursache und eventuellen Gemeinsamkeiten führen die Ärzte immer wieder Gespräche mit den Jugendlichen. Irgendwann erzählen sie, dass sie seit mehr als einem Jahr regelmäßig "Party-Drogen" wie Ecstasy und Speed nehmen. Unter den Konsumenten gelten solche Amphetamine noch immer als eher harmlos. Doch Hans-Jürgen Hallmann, Leiter der Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung NRW, warnt eindringlich. Niemand wisse, welche chemischen Substanzen die bunten Pillen enthalten oder wie rein sie sind.

"Sie haben natürlich keinen Beipackzettel, sie kommen aus dem Ausland, aus teilweise unsauberen so genannten Laborküchen, Garagenküchen. Es gibt da auch keine guten oder schlechten Designerdrogen, sondern es sind Substanzen, deren Wirkstoffe immer wieder verändert werden. Und bei jeder Einnahme läuft man Gefahr, dass etwas passiert, was man nicht einschätzen kann."

Wenn dann auch noch Alkohol und koffeinhaltige Getränke dazu kommen, kann das fatale Folgen haben, erklärt Heinrich Klues, Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Krefeld.

"Die Amphetamine führen letztendlich zu einer massiven Stimulation im gesamten System. Das Ganze ist wie eine kontinuierliche Stresssituation. Die machen den Betroffenen hellwach, sehr aktiv, das Schlafbedürfnis geht drastisch zurück. Dieser konstante Stress für das Herz ist möglicherweise der Auslöser für die dann eintretende Schädigung. Und wir wissen zumindest in einem unserer Fälle, dass es darüber additiv, on top der ganzen Herzschädigung, zu einem Herzinfarkt gekommen ist."

Die Herzmuskel der drei Krefelder Patienten sind durch die Designerdrogen so schwer vergiftet, dass sie irreparable Schäden davongetragen haben. Derartig massive Nebenwirkungen sind neu, sagt der Suchtexperte Hans-Jürgen Hallmann.

"Wir haben eher an neurologische Schäden gedacht, die auch bekannt waren, dass die Jugendlichen Nierenprobleme kriegen, dass sie natürlich Kreislaufprobleme bekommen, aber was jetzt durch die Fälle in der Helios Klinik aufgetreten ist, dass ist nicht so bekannt gewesen."

Aufgeschreckt fragt der Krefelder Kardiologe Heinrich Klues seine Kollegen in ganz Deutschland, ob sie ähnliche Fälle kennen.

"Bei der Befragung von Universitätsklinika, Krankenhauskardiologen und allen niedergelassenen Kardiologen fanden sich dann in Summe 36 Fälle, die eindeutig und gradlinig auf den Genuss von Partydrogen zu beziehen waren. Aber von den über 1400 angeschriebenen Kollegen, haben sehr viele sehr offen und ehrlich gesagt, wir haben wahrscheinlich diese Fälle und wir haben sie nur nicht als solche erfasst."

Die Ärzte gehen also von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Auch die gestiegenen Konsumentenzahlen und Krankenhauseinweisungen von jungen Leuten lassen vermuten, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht. Um das zu erhärten, und vor allem, um andere zu schützen, sollten junge Patienten in Zukunft - wie in den USA üblich - routinemäßig nach einer eventuellen Drogenkarriere gefragt werden, fordert der Krefelder Herzspezialist.

"Das ist also zumindest für uns die Lektion, die wir gelernt haben. Wir fragen, wir bauen ein Vertrauensverhältnis zu diesen jungen Patienten auf, versichern ihnen auch, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis für uns heilig ist, und dass sie ohne Folgen fürchten zu müssen mit uns über diese Dinge reden können, um andere zu warnen, um die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen."

Aufklärung tut Not, meint auch Hans-Jürgen Hallmann von der Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung NRW. In Zukunft werden alle Präventionsfachkräfte Jugendlichen diese neuen Nebenwirkungen der Partydrogen deutlich vor Augen führen.

"Wir müssen den Jugendlichen noch einmal deutlich machen, dass sie möglicherweise nicht nur vorübergehende Schäden haben, sondern dass da Langzeitschäden vorhanden sind, für die sie im späteren Alter büßen müssen. Und da sind die kurzfristigen Räusche bestimmt nicht das wert, dass man diese Gefahr eingeht."

Die jungen Krefelder sollten eine Mahnung sein, meint er. Einer von ihnen lebt nur noch Dank eines Kunstherzens und das Herz eines anderen Patienten schlägt nur noch mit Hilfe eines implantierten Defibrillators im richtigen Takt. Diese beiden werden wohl in absehbarer Zeit ein Spenderherz benötigen. Der dritte Jugendliche hält sich zurzeit mit Medikamenten mühsam auf den Beinen. Eine Nacht durchtanzen, so wie früher, das geht nicht mehr. Vermutlich nie mehr.