Herzensbotschaften
Nachdem im Sommer 2008 der Briefwechsel zwischen der Schrifstellerin Ingeborg Bachmann und dem Lyriker Paul Celan als Buch erschienen ist, gibt es „Herzzeit“ nun auch zum Hören. Gelesen werden die Liebesbotschaften von Johanna Wokalek und Jenz Harzer, zwei jungen, noch nicht ganz so bekannten Schauspielern.
Hörbuch-Auszug: „Weihnachten 1948. Lieber, lieber Paul! Ich habe gestern und heute viel an Dich, wenn Du willst, an uns gedacht. Ich schreibe Dir nicht, weil Du wieder schreiben sollst, sondern weil es mir jetzt Freude macht und weil ich will . . .Viel, viel Liebes! Deine Ingeborg.“
„Paris, am 31. Oktober 1957. . .Du warst, als ich Dir begegnete, beides für mich: das Sinnliche und das Geistige. Das kann nie auseinandertreten, Ingeborg.“
Die erste Begegnung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan findet 1948 in Wien statt. Während die in Klagenfurt geborene Bachmann dort Philosophie studiert, ist der aus einer jüdischen Familie stammende Celan ein Durchreisender.
Er ist von Bukarest nach Wien geflüchtet und wird schon wenige Monate später weiter nach Frankreich fahren. Das Trauma nationalfaschistischer Vergangenheit sitzt tief in ihm. Celans Eltern wurden in einem deutschen Vernichtungslager in der Ukraine ermordet.
Bereits 2008 ist der Briefwechsel zwischen Bachmann und Celan unter dem Titel „Herzzeit“ erschienen. Doch während im Buch auch die Korrespondenzen zwischen Celan und dem Schriftsteller Max Frisch sowie zwischen Bachmann und Celans Frau Gisèle enthalten sind, umfasst die Lesung nur die Briefe von Bachmann und Celan.
Johanna Wokalek und Jens Harzer, zwei noch unverbrauchte Stimmen, lesen die 181 Briefe quasi a cappella. Mit der Entscheidung, zwei junge Schauspieler auszuwählen, tritt ein interessanter Aspekt hervor. 1975 und 1972 geboren, sind sie Lesende im doppelten Sinn: des Briefwechsels und einer konfliktreichen Zeit. Denn es ist eine schwere postalische Fracht, die zwischen 1948 und 1967 aus Wien, Paris und München, Zürich, Neapel und Rom abgeschickt wird.
„Paris, am 20. Juni 49. Ingeborg, ‚ungenau‘ und spät komme ich in diesem Jahr. Doch vielleicht nur deshalb so, weil ich möchte, dass niemand außer Dir dabei sei, wenn ich Mohn, sehr viel Mohn, und Gedächtnis, ebensoviel Gedächtnis, zwei große leuchtende Sträuße auf Deinen Geburtstagstisch stelle. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Augenblick. Paul“
In der jungen, erfolgreichen Lyrikerin trifft Celan auf eine kluge Leserin und einfühlsame Kritikerin seiner Gedichte.
„Du bist der Lebensgrund, auch deshalb, weil Du die Rechtfertigung meines Sprechens bist und bleibst… Schreib mir. Paul“
Obwohl Celan seit 1952 mit der französischen Künstlerin Gisèle de Lestrange verheiratet ist, fühlt er sich in Paris isoliert. Bachmanns Briefe sind auch ein Dokument ihres Bemühens, Celans Gedichte an deutsche Verlage zu vermitteln, Lesungen und Treffen zu organisieren. Doch verzweifelt und von Ängsten geplagt, bleibt es nicht aus, dass auch sie zum Gegenstand seines Misstrauens wird.
„Du weißt auch – oder vielmehr: Du wusstest es einmal, was ich in der Todesfuge zu sagen versucht habe. Du weißt, nein, Du wusstest, und so muss ich Dich jetzt daran erinnern-, dass die Todesfuge auch dies für mich ist: eine Grabschrift und ein Grab.“
Jens Harzer begegnet den zermürbenden Passagen in Celans Briefen mit einem bedächtigen Sprechen. Bitten und Nachfragen werden dagegen dringlicher ausformuliert. Und er reagiert erstaunlich sicher mit verschiedenen Tempi auf Celans Hoffnungen und Ängste und vermag so Einblick in eine zerrissene Seele zu geben.
Johanna Wokalek nimmt Bachmanns heiteren oder nervös tastenden, aber auch energischen Schreibstil behutsam auf. Sie formt Klanggebilde, mit denen es gelingt, die oft verhüllten Botschaften in Bachmanns Briefen aufzuspüren. Dort, wo diese zögert, sich ihrem Brief-Du wirklich anzuvertrauen, legt Wokalek allerdings Sprechpausen ein, die oft unnötig erscheinen und irritieren.
Nach fünf Stunden „Herzzeit“ ist die Entscheidung, Johanna Wokalek und Jens Harzer als Lesende zu besetzen, nur zu begrüßen. Sensibel und ernsthaft nehmen sie die Herausforderung an, das Denken und Fühlen zweier Intellektueller in einer schwierigen Zeit präsent zu machen.
Rezensiert von Carola Wiemers
Ingeborg Bachmann/Paul Celan: Herzzeit
Briefwechsel, gelesen von Johanna Wokalek und Jens Harzer
speak low 2008,
Laufzeit 304 Minuten, 4 CDs, 26,80 Euro
„Paris, am 31. Oktober 1957. . .Du warst, als ich Dir begegnete, beides für mich: das Sinnliche und das Geistige. Das kann nie auseinandertreten, Ingeborg.“
Die erste Begegnung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan findet 1948 in Wien statt. Während die in Klagenfurt geborene Bachmann dort Philosophie studiert, ist der aus einer jüdischen Familie stammende Celan ein Durchreisender.
Er ist von Bukarest nach Wien geflüchtet und wird schon wenige Monate später weiter nach Frankreich fahren. Das Trauma nationalfaschistischer Vergangenheit sitzt tief in ihm. Celans Eltern wurden in einem deutschen Vernichtungslager in der Ukraine ermordet.
Bereits 2008 ist der Briefwechsel zwischen Bachmann und Celan unter dem Titel „Herzzeit“ erschienen. Doch während im Buch auch die Korrespondenzen zwischen Celan und dem Schriftsteller Max Frisch sowie zwischen Bachmann und Celans Frau Gisèle enthalten sind, umfasst die Lesung nur die Briefe von Bachmann und Celan.
Johanna Wokalek und Jens Harzer, zwei noch unverbrauchte Stimmen, lesen die 181 Briefe quasi a cappella. Mit der Entscheidung, zwei junge Schauspieler auszuwählen, tritt ein interessanter Aspekt hervor. 1975 und 1972 geboren, sind sie Lesende im doppelten Sinn: des Briefwechsels und einer konfliktreichen Zeit. Denn es ist eine schwere postalische Fracht, die zwischen 1948 und 1967 aus Wien, Paris und München, Zürich, Neapel und Rom abgeschickt wird.
„Paris, am 20. Juni 49. Ingeborg, ‚ungenau‘ und spät komme ich in diesem Jahr. Doch vielleicht nur deshalb so, weil ich möchte, dass niemand außer Dir dabei sei, wenn ich Mohn, sehr viel Mohn, und Gedächtnis, ebensoviel Gedächtnis, zwei große leuchtende Sträuße auf Deinen Geburtstagstisch stelle. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Augenblick. Paul“
In der jungen, erfolgreichen Lyrikerin trifft Celan auf eine kluge Leserin und einfühlsame Kritikerin seiner Gedichte.
„Du bist der Lebensgrund, auch deshalb, weil Du die Rechtfertigung meines Sprechens bist und bleibst… Schreib mir. Paul“
Obwohl Celan seit 1952 mit der französischen Künstlerin Gisèle de Lestrange verheiratet ist, fühlt er sich in Paris isoliert. Bachmanns Briefe sind auch ein Dokument ihres Bemühens, Celans Gedichte an deutsche Verlage zu vermitteln, Lesungen und Treffen zu organisieren. Doch verzweifelt und von Ängsten geplagt, bleibt es nicht aus, dass auch sie zum Gegenstand seines Misstrauens wird.
„Du weißt auch – oder vielmehr: Du wusstest es einmal, was ich in der Todesfuge zu sagen versucht habe. Du weißt, nein, Du wusstest, und so muss ich Dich jetzt daran erinnern-, dass die Todesfuge auch dies für mich ist: eine Grabschrift und ein Grab.“
Jens Harzer begegnet den zermürbenden Passagen in Celans Briefen mit einem bedächtigen Sprechen. Bitten und Nachfragen werden dagegen dringlicher ausformuliert. Und er reagiert erstaunlich sicher mit verschiedenen Tempi auf Celans Hoffnungen und Ängste und vermag so Einblick in eine zerrissene Seele zu geben.
Johanna Wokalek nimmt Bachmanns heiteren oder nervös tastenden, aber auch energischen Schreibstil behutsam auf. Sie formt Klanggebilde, mit denen es gelingt, die oft verhüllten Botschaften in Bachmanns Briefen aufzuspüren. Dort, wo diese zögert, sich ihrem Brief-Du wirklich anzuvertrauen, legt Wokalek allerdings Sprechpausen ein, die oft unnötig erscheinen und irritieren.
Nach fünf Stunden „Herzzeit“ ist die Entscheidung, Johanna Wokalek und Jens Harzer als Lesende zu besetzen, nur zu begrüßen. Sensibel und ernsthaft nehmen sie die Herausforderung an, das Denken und Fühlen zweier Intellektueller in einer schwierigen Zeit präsent zu machen.
Rezensiert von Carola Wiemers
Ingeborg Bachmann/Paul Celan: Herzzeit
Briefwechsel, gelesen von Johanna Wokalek und Jens Harzer
speak low 2008,
Laufzeit 304 Minuten, 4 CDs, 26,80 Euro