Ohne jedes falsche Pathos

Regisseur David Alden inszeniert ein psychologisches Kammerspiel mit erschreckenden Dimensionen rund um den jungen, gutmütigen Matrosen "Billy Budd" - der als Mörder seine Unschuld verliert. Der Perfektion der Oper wird Alden souverän gerecht.
Zurecht hat die Deutsche Oper Berlin die "Billy Budd"-Produktion von der English National Opera übernommen, um nach "Peter Grimes" 2013 ihren Britten-Zyklus fortzusetzen. Regisseur David Alden betont die menschenverachtende, sadistische Seite der Oper; das Kriegsschiff ähnelt mehr einem Gefangenenlager, in dem militärischer Drill den Alltag beherrscht. Paul Steinberg hat ihm dazu ein Einheitsbühnenbild "gezimmert": Es gibt nur eine Rückwand, die Innenwand eines Schiffsbauches, vor der sich immer wieder eine eiserne Wand mit Umlauf von oben herabsenkt, so dass – Symbol der strengen Hierarchie an Bord – auch auf zwei Ebenen gesungen werden kann.
Das Problem bei "Billy Budd" ist die Perfektion dieser Oper, was die Konstruktion und Komposition betrifft. Sie lässt dem Regisseur nur wenig Spielraum, um der Geschichte ein wirklich eigenes, anderes Konzept überzustülpen. Jede Figur hat ihr eigenes Profil und ihre Funktion, jeder Handlungsfaden verknüpft sich mit dem Ganzen und hat Teil an der Katastrophe. Alden hält sich eng an die vorgegebene Geschichte, und es gelingt ihm, diese Fäden souverän zu bedienen, indem er die Daumenschrauben anzieht und aus der Oper ein psychologisches Kammerspiel mit erschreckenden Dimensionen macht.
Auffallend homogenes Sängerteam
Stimmlich hinterlässt der südafrikanische Bassbariton Gidon Saks als Waffenmeister Claggart mit seiner imposanten Stimme den gefährlichsten Eindruck. Er ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, die Inkarnation des Dunklen, die das Licht vernichten will. Um ihn herum hat die Deutsche Oper, wie schon in "Peter Grimes", ein auffallend homogenes Sängerteam aus dem hauseigenen Ensemble zusammengestellt. Ganz typisch, dass zwei Sänger wie Markus Brück und Albert Pesendorfer, die sonst mit großen Verdi- und Wagnerpartien zu hören sind, hier in den wichtigen, aber nicht allzu großen Rollen der Offiziere Mr. Flint und Mr. Redburn zum Einsatz kommen. Auch die Titelpartie ist ein junges Ensemblemitglied: John Chest singt und spielt den Billy Budd unaufgesetzt locker und ohne jedes falsche Pathos in seinem Schlussmonolog.
Generalmusikdirektor Donald Runnicles scheint dem Orchester der Deutschen Oper Berlin klar gemacht zu haben, dass ihm als Brite diese Oper ein Herzensanliegen ist; jeden Takt und jede musikalische Wendung nehmen er und die Musiker ernst. Anderseits hört man dem Dirigenten sein Faible für Wagner und Strauss auch hier an. Sogar an manchen eher kammermusikalischen Stellen der Oper macht er richtig Dampf unter dem Kessel, und das bekommt der zuweilen etwas zu kultivierten Musik Brittens nicht schlecht.