Hermann Nitsch in Bayreuth

Literweise Farbe statt Blut und Gedärm

08:40 Minuten
Ein Malassistent (l) des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch schüttet während der Fotoprobe zur Richard Wagners "Walküre" rote Farbe auf einen Statisten der Festspiele. Das Bühnenbild wurde in diesem Jahr von "Blutkünstler" Hermann Nitsch gestaltet. Die Wagner-Oper feierte am 29.07.2021 Premiere bei den Bayreuther Festspielen 2021.
Wie viel Liter Farbe die Assistenten wohl verschüttet haben? © dpa / picture alliance / Festspiele Bayreuth / Enrico Nawrath
Jürgen Liebing im Gespräch mit Marietta Schwarz · 29.07.2021
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Das Debüt des Aktionskünstlers Hermann Nitsch als Bühnenbildner auf den Bayreuther Festspielen versprach extreme Bilder: Blut und Eingeweide. Stattdessen bekam das Publikum nur Farbe zu sehen. Davon aber jede Menge.
Richard Wagner und Hermann Nitsch – geht das zusammen? Der Wiener "Blutkünstler" hat sich das Bühnenbild für "Die Walküre" bei den Bayreuther Festspielen ausgedacht. Nun war Premiere.
Das Publikum erwartete das Debüt von Nitsch als Bühnenbildner mit großer Spannung. Es habe damit gerechnet, viel Blut zu sehen und vielleicht auch ein paar Eingeweide von geschlachteten Tieren, sagt unser Theaterkritiker Jürgen Liebing..
Denn genau dafür ist Hermann Nitsch bekannt: rituell anmutende Performances, bei denen sich Darsteller und Künstlerinnen in Blut wälzen oder als Jesusfiguren am Kreuz hängen, wie beim "Orgien-Mysterien-Theater".
In Bayreuth blieben solche Schockmomente aus. Stattdessen habe es viel Farbe und religiöse Symbolik gegeben, berichtet Liebing: "Tiere wurden nicht geschlachtet. Nitsch ist ja auch ein bisschen in die Jahre gekommen." Assistenten hätten hingegen literweise Farbe verschüttet – und das stundenlang.

Schwarz steht für Wotan und seine Fesseln

Die Farbschlacht habe "nicht wirklich Sinn" gemacht, meint Liebing. Ihm seien lediglich ein paar Assoziationen dazu eingefallen: Dass die Farbe Rot für die Liebe und vor allem die inzestuöse Verbindung zwischen Siegfried und Sieglinde stehe; oder dass Schwarz Wotans Fesseln symbolisiere.
Wirklich enttäuschend sei jedoch die Musik gewesen. "Eine so langsame Walküre habe ich selten gehört", sagt Liebing. Er habe befürchtet, einzuschlafen. Manchmal habe der Dirigent Pietari Inkinen* das Tempo angezogen, aber die langsamen Passagen hätten das Stück dann doch lange gedrosselt.
Das sei vor allem für die Sängerinnen und Sänger "ganz schön schwierig" gewesen, berichtet Liebing. So hätten die Walküren beim Walkürenritt gerne viel schneller gesungen, Inkinen sei nicht hinterhergekommen. "Es ist natürlich auch Debütant in diesem besonderen Graben, und damit hatte er schon so seine Mühe."
(sbd)
*Wir haben den Namen des Dirigenten der Bayreuther Aufführung korrigiert.
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