Herbstzeit ist Kürbiszeit

Von Udo Pollmer |
Nicht nur an Halloween haben Kürbisse Hochkonjunktur. Da sie kalorienarm sind, gelten sie auch als "gesundes Herbstgemüse". Doch nicht jeder Kürbis lässt sich mit ruhigem Gewissen verspeisen.
Seit wann essen wir eigentlich Kürbis? Warum so beliebt? Es heißt, der Kürbis wurde erstmals in Indien kultiviert und kam dann über die Griechen und Römer zu uns. Seine aktuelle Beliebtheit verdankt er allerdings weniger seinen kulinarischen Qualitäten, sondern eindeutig der Tatsache, dass man Teelichter reinstellen kann.

Das wundert mich. Kürbissuppe erfreut sich doch großer Beliebtheit. Zudem soll Kürbis harntreibend wirken. Woher kommt dieser Effekt? Offengestanden: Das ist bis heute unbekannt. Lediglich für die Wirkungen der Kürbiskerne auf die Prostata gibt es eine plausible Erklärung: Hier sollen bestimmte Sterole aus den Kernen für den klinischen Effekt verantwortlich sein. Sterole sind, wenn Sie so wollen, Verwandte des Cholesterins. Daneben wurden Kürbiskerne in der Volksmedizin auch zur Bekämpfung von Bandwürmern verwendet. Die Wirkung ließ sich experimentell bestätigen, ist aber unzuverlässig, weil die Wirkstoffgehalte stark schwanken.

Uns interessiert hier ja mehr das Gemüse, das Fruchtfleisch aus dem sich leckere Kürbissüppchen zubereiten lassen. Mit welchen Wirkstoffen können wir hier rechnen? Beispielsweise mit dem natürlichen Vorkommen von para-Hydroxybenzoesäure. Die gilt ansonsten als künstlicher Konservierungsstoff, als Allergen. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Allergien ausbleiben, wenn weder Arzt noch Patient vom Vorhandensein des PHB-Esters wissen. Viel interessanter ist eine andere Stoffgruppe, die Cucurbitacine, das sind natürliche Bitterstoffe. Die sind nämlich dafür verantwortlich, dass Kürbisse, aber auch Zucchini, Melonen oder Gurken gelegentlich bitter schmecken.

Kinder lehnen deshalb derartige Produkte sogar ab. Ja – und das ist auch gut so. Denn die bitteren Cucurbitacine sind giftig, so, dass es immer wieder zu Vergiftungen kommt – bei Kindern und alten Menschen gelegentlich sogar mit tödlichem Ausgang. Dafür genügten manchmal ein paar Löffel Suppe. In der Fachpresse sind Fälle durch Kürbiscremesuppen beschrieben, die nur "einen leicht bitteren Geschmack" hatten. Es geht also nicht darum, derartige Produkte tapfer zu essen, solange man sie noch runterkriegt. In solchen Fällen: Weg damit!

Wieso züchtet man diese riskanten Stoffe nicht einfach heraus? Das hat man bei den Speisekürbissen und Zucchinis längst getan. Nur: Die Zierkürbisse schützen sich bis heute damit vor Fraßfeinden. Und genau darin liegt das Problem: Dadurch, dass sich Speise- und Zierkürbisse gegenseitig befruchten, erhält man bei der Ernte ein Saatgut, in das womöglich die wilde Verwandtschaft eingekreuzt ist. Wenn man aus den Kernen wieder neue Pflanzen zieht, dann sehen die zwar so aus, wie ein Gemüsekürbis oder Gartenzucchini, sie können aber reichlich Cucurbitacine enthalten. Eine zweite Ursache für das unerwartete Auftreten der Gifte sind Rückmutationen in Richtung Wildpflanze.

Dann muss es ja öfters zu Problemen führen. Richtig. Dort wo giftige Kürbisgewächse wild wachsen, wie in Südafrika, kommt es bei Weidetieren immer wieder zu beträchtlichen Verlusten. Vergiftungen kennen wir aber auch durch Fehldosierung von Volksmedizin oder durch die Verwendung als Pfeilgift. Bei einer Vergiftung mit den hierzulande üblichen Cucurbitacinen klagen die Betroffenen zunächst über Schleimhautreizungen, dann kommt es zum Erbrechen gefolgt von schmerzhaften Durchfällen. Drei Gramm Zucchini haben schon einen Kreislaufkollaps verursacht.

Wie riskant sind dann die Samen, der Kürbiskerne? Überhaupt nicht, Kürbiskerne sind stets frei davon. Deshalb gibt es beim Kürbiskernöl oder dem Knabbern der Kerne, das ja in vielen Kulturen verbreitetet ist, keinerlei Probleme. Auch wenn das Saatgut die Veranlagung zur Giftbildung mitbringt, ist nur das Fruchtfleisch riskant. Und hier gibt es eine ganz einfache Methode, um auch beim Gemüse stets auf der sicheren Seite zu sein: Man probiert Kürbisse und Zucchini noch im Rohzustand ob sie bitter sind. Wenn ja, ab in den Kompost.

Literatur:
Bernhard MK et al: Cucurbitacin-Vergiftung durch Kürbisse – ein Fallbericht. Kinder- und Jugendmedizin 2003; 5: 199-200
Kirschman JC: Recent food poisonings from cucurbitacin in traditionally bred squash. Food and Chemical Toxicology 1989; 27: 555-556
Neuwinger HD: Afrikanische Arzneipflanzen und Jagdgifte. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1994
Blaschek W et al: Hagers Handbuch der Drogen und Arzneitstoffe. Springer, Heidelberg 2004
Lavie D, Glotter E: The cucurbitanes, a group of tetracyclic triterpenes. Fortschritte der Chemie organischer Naturstoffe 1971; 29: 307-362
Rymal KS et al: Squash containing toxic cucurbitacin compounds occurring in California and Alabama USA. Journal of Food Protection 1984; 47: 270-271