Herbert Fritsch inszeniert "Die Jagdgesellschaft"

"Bernhards Dialoge sind wie Arien"

11:04 Minuten
Die Schauspielerinnen und Schgauspieler Sachiko Hara, Charlie Casanova, Jonas Hien, Angelika Richter, Michael Wittenborn, Bastian Reiber, Daniel Hoevels, Bettina Stucky auf der Bühne im Hamburger Schauspielhaus.
Herbert Fritsch inszeniert "Die Jagrgesellschaft" in Hamburg und schwärmt von der musikalischen Qualität der Dialoge von Thomas Bernhard. © Matthias Horn
Herbert Fritsch im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 02.04.2022
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Der Übertreibungskünstler Herbert Fritsch inszeniert in Hamburg "Die Jagdgesellschaft". Was genau in Thomas Bernhards Text steckt, weiß er noch nicht, die Applausordnung ist aber schon geplant. "Da gibt es noch einen Kick", sagt Fritsch.
"Die Jagdgesellschaft" – das ist auch aus Thomas Bernhards Sicht sein vielleicht dichtestes und gelungenstes Stück. Vor knapp 50 Jahren wurde es am Wiener Burgtheater uraufgeführt, nun inszeniert Herbert Fritsch am Hamburger Schauspielhaus den Stoff.
Die Geschichte: Ein gigantischer Wald, darin ein Jagdhaus – dort warten die Generalin und der Schriftsteller auf die Ankunft des Generals. Der ist Stalingrad-Veteran mit nur noch einem Arm; Jäger; Politiker, als solcher noch, so muss man sagen, auf der Höhe seiner Macht. Was der General nicht weiß: Sein geliebter Wald ist von Borkenkäfern zerfressen; er selbst ist todkrank. Außerdem erblindet er, seine scheinbar Getreuen sind alle Verräter und Intriganten.

Bernhard'sche Unbestimmtheit

Die Gattin versucht die Wahrheit vor dem General zu verbergen und hat eine „Mauer des Schweigens um ihn aufgebaut“ – der Schriftsteller aber öffnet ihm die Augen.
Aber was findet tatsächlich statt? Warten Gattin und Schriftsteller wirklich auf den General? Oder werden sie nicht vielmehr von ihm in ihrem „knisternden“ Verhältnis überrascht. 
„Das ist ja das Spannende an Thomas Bernhard“, sagt Herbert Fritsch, „dass man da nie genau sagen kann, was es wirklich ist.“ Oft habe die Sprache gar nicht eine so genaue Bedeutung, oft sei weniger wichtig, was erzählt wird – stattdessen gebe es eher ein „Gegen-die-Stille-Ansprechen“, ein „Sich-Erfreuen-an der Musikalität“.

Texte wie Arien

Fritsch liebt es, die Texte auf verschiedene Präsentationsmöglichkeiten, jenseits des Gewohnten, auf ihre Musikalität hin abzuklopfen; die Perspektiven zu dehnen und zu kneten, um herauszufinden, was einem das Stück sagen kann. 
So sieht er in Bernhards Dialogen eher Phänomene aus einem anderen Bühnengenre: „Das sind für mich lauter Arien, die da laufen“, das Ganze sei vielleicht sogar eine Oper: „Da ist irgendwas – aber ich kann nicht sagen was“, sagt der 71-Jährige.
Klar aber ist jetzt schon: Wie immer hat sich Herbert Fritsch für die Applausordnung eine besondere Überraschung ausgedacht denn: „Die Applausordnung ist für mich das Allerwichtigste – fast wichtiger als die Inszenierung selber. Da gibt es noch so einen Kick in eine besondere Richtung. Das macht mir immer eine diebische Freude.“

Unser Theaterkritiker Michael Laages war bei der Premiere in Hamburg und zieht ein positives Fazit : Ein Thomas-Bernhard-Abend sei immer dann gelungen, wenn er möglichst ungelungen sei. Die Inszenierung von Herbert Fritsch sei nicht so komisch, dass man sie als Bernhard-Parodie verstehen könnte, sie sei vielmehr „der Versuch, tatsächlich in den Kern, den ernsten und nicht den albernen Kern, dieser Thomas-Bernhard-Fantasien einzudringen. Das gelingt Fritsch in der Tat auch diesmal wieder.“

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