Herbert Blomstedt dirigiert die Berliner Philharmoniker

Erstaunlich unkonventionell

Der Dirigent Herbert Blomstedt in rotem Hemd während einer Probe in der Philharmonie in Köln im Jahr 2006.
Der Dirigent Herbert Blomstedt wird im kommenden Sommer 90 Jahre alt © picture-alliance / dpa / Hermann Wöstmann
04.01.2017
Erst kam Beethoven, dann Brahms. Und was kam dazwischen? Herbert Blomstedt plädiert für die originelle Musik des schwedischen Sinfonikers Franz Berwald.
Gute Dirigenten sind wie gute Weine: Sie reifen mit der Zeit und prägen besondere Merkmale aus. Viele ältere Dirigenten bevorzugen bei ihren raren Auftritten die Sinfonien Anton Bruckners – Herbert Blomstedt, der im kommenden Sommer 90 Jahre alt wird, gehört zu ihnen. Eher ungewöhnlich ist der Fall, der in diesem Konzert Blomstedts mit den Berliner Philharmonikern am 11. Februar 2016 eintrat: Der amerikanisch-schwedische Maestro widmete sich darin einem ganz und gar abseits stehenden Komponisten; einem Musiker, der seine Sinfonien in der Mitte des 19. Jahrhunderts und damit in einer Zeit schrieb, die heute – zwischen Beethoven und Brahms – eher als Orientierungsphase denn als goldene Ära der Musikgeschichte betrachtet wird.
Franz Berwald heißt dieser Komponist, geboren 1796 in Stockholm, gestorben 1868 ebendort – seine Lebenszeit ist der von Gioacchino Rossini (1792-1868) vergleichbar. Er hatte deutsche Vorfahren und lebte auch zeitweise in Berlin, wo er seine musikalische Erfolglosigkeit durch die Arbeit als Orthopäde kompensierte. Dass er sich als Komponist nie etablieren konnte, dass von seinen vier Sinfonien zu Lebzeiten nur eine gespielt wurde, hängt wohl vor allem mit der formal und harmonisch erstaunlich unkonventionellen Musik zusammen, die sich Berwald ausdachte. Nicht nur dem Untertitel nach ist etwa seine Dritte Sinfonie ein "singuläres" Werk – eines, das wohl niemand so gut kennt wie Herbert Blomstedt, der die Partitur herausgegeben hat.
Ergänzt wird das konzise Programm um die Siebente Sinfonie von Antonín Dvořák, ein weiteres großes "Nebenwerk" der Sinfonik des 19. Jahrhunderts. Dvořák, der als unermüdlicher Erfinder gesanglicher Melodien in die Geschichte einging, erweist sich hier als Schöpfer eines unerwartet dunklen Werks – und gibt dem seinerzeitigen philharmonischen Chefdirigenten Hans von Bülow recht, der Dvořák "den nächst Brahms gottbegnadetsten Tondichter der Gegenwart" nannte.
Mit dieser Sendung blicken wir auf einen Höhepunkt des Konzertjahres 2016 zurück und schauen zugleich nach vorne, denn in wenigen Wochen wird Herbert Blomstedt zu den Berliner Philharmonikern zurückkehren – dieses Mal mit einem "Hauptwerk" des 19. Jahrhunderts, der 1. Sinfonie von Johannes Brahms. Zu hören ist das am 26. Januar 2017 im Deutschlandradio Kultur.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 11. Februar 2016
Franz Berwald
Sinfonie Nr. 3 C-Dur "Symphonie singulière"
ca. 20.35 Konzertpause, darin: "Singulär – Franz Berwald als Sinfoniker", ein Beitrag von Jan Brachmann
Antonín Dvořák
Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70

Berliner Philharmoniker
Leitung: Herbert Blomstedt