Zum Tod von Herbert Achternbusch

Ein Anarchist mit grenzenloser Fantasie

06:32 Minuten
Schwarzweißporträt von Herbert Achternbusch, der ernst ins Off des Bildes blickt.
Ließ in "Der Depp" seinen Lieblingsfeind Franz Josef Strauß vergiften: der Filmemacher Herbert Achternbusch 1985 auf der Berlinale. © Imago / teutopress
Andi Niessner im Gespräch mit Marietta Schwarz · 13.01.2022
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Herbert Achternbusch schrieb Theaterstücke, malte und drehte viele anarchische Filme. Der Regisseur Andi Niessner hat ihn als „liebevollen, zärtlichen und unendlich witzigen Menschen“ kennengelernt. Jetzt ist Achternbusch mit 83 Jahren in München gestorben.
Herbert Achternbusch war Maler, Schriftsteller und Filmemacher. Er gehörte wie Werner Herzog oder Volker Schlöndorff zu den bedeutenden Autoren des neuen deutschen Films. Doch das „Society-Gezwitschere von Schlöndorff und Margarethe von Trotta hat ihn nicht interessiert, er wollte nicht dazugehören“, sagt der Regisseur Andi Niessner, der mit Achternbusch zusammengearbeitet und auch einen Film über den Künstler gedreht hat.

Kreativität zum Anfassen

Achternbuschs Haus aus dem 13. Jahrhundert in der Münchner Altstadt sei ein Zeugnis dessen Kreativität gewesen, sagt Niessner. „Alles war bemalt von ihm: die Wände, die Decken, der Holzboden, teilweise die Tische. Er hat getöpfert oder Mobiles gemacht.“

Abschied von einem grantelnden Genie: Hören Sie hier auch einen Nachruf von Sven Ricklefs.

Achternbusch, der gerne provozierte, wollte komplett unabhängig sein, sagt Niessner. „Der erste Film hat einen kleinen Zuschuss bekommen und die letzten beiden Filme – alle 26 Filme dazwischen hat er selber finanziert, weil er nicht wollte, dass ihm jemand reinredet.“
Achternbuschs Werk ist umfangreich: Neben seinen Filmen existieren 20 Theaterstücke von ihm, 40 Buchpublikationen und Hunderte von großflächigen Bildern. Dem Publikum bleibt er allerdings weniger als Maler denn als Schöpfer skurril-subversiver Leinwandwerke in Erinnerung.

Vom Walchensee nach Amerika

Einer dieser Filme heißt "Die Atlantikschwimmer" und zeigt zwei ziemlich normal gebaute Männer, nur mit Badehose und lächerlichen Schwimmbrillen bekleidet, wie sie in den oberbayerischen Walchensee hüpfen, um von dort aus Amerika zu erreichen.
Motto: Du hast keine Chance, nutze sie! Ein echter Achternbusch. Nonsens mit Hintersinn und Bodenhaftung. Irgendwo zwischen Karl Valentin, Gerhard Polt und Thomas Bernhard. Mit dem österreichischen Dramatiker verband ihn vor allem seine Hassliebe zur Heimat. "In Bayern mag ich nicht mal gestorben sein", schrieb er 1977.

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Achternbusch kam als unehelicher Sohn einer Sportlehrerin und eines Zahntechnikers in München zur Welt und wuchs im Bayerischen Wald auf. Nach dem Abitur in Cham studierte er ein wenig an den Kunstakademien in München und Nürnberg und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bevor er mit dem Schreiben begann.

Gleich der erste Roman zündet

Schon mit seinem ersten Roman "Alexanderschlacht" sicherte er sich einen festen Platz in der Literatur-Avantgarde der siebziger und achtziger Jahre. Mit seinen in rascher Folge entstandenen Theaterstücken errang er zweimal den Mülheimer Dramatikerpreis.
Sein Zwei-Personen-Stück "Gust" (1986) mit Sepp Bierbichler als aus der Zeit gefallenem Bauern, der im Begriff ist, seine Frau zu verlieren, lief jahrelang erfolgreich an den Münchner Kammerspielen. 2017 wurde am Münchner Volkstheater "Dogtown Munich" uraufgeführt, ein Bekenntnis zu seiner Heimatstadt und vielleicht so etwas wie ein Vermächtnis.

Deutsche Filme, da gibt's keinen Hunger drauf. Und kein Sattwerden. Aber wie bei Achternbusch aus einer schrecklich schönen Szene plötzlich was schrecklich Erschreckendes wurde, das war Bombe!

Filmemacher Klaus Lemke zum Tod Achternbuschs

Bereits in den siebziger Jahren kam Achternbusch in Kontakt mit der Szene rund um die deutschen Autorenfilmer Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta. Seine oft mit geringem Aufwand gedrehten Filme nahmen regelmäßig die so unangepasst-subversive wie obrigkeitshörige und bigotte bayerische Volksseele aufs Korn.

Lieblingsfeind Franz Josef Strauß

In "Der Depp" (1983) ließ er seinen Lieblingsfeind Franz Josef Strauß vergiften, im halbdokumentarischen "Bierkampf" rechnete er mit einem bayerischen Heiligtum ab: dem Oktoberfest.
Doch als er dann in "Das Gespenst" Jesus Christus vom Kreuz herabsteigen ließ, um mit Maria eine Kneipe zu eröffnen, war für den damaligen CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann das Maß voll. Er verweigerte dem unbotmäßigen Regisseur die Auszahlung der letzten Förderrate, weil dieser angeblich das "religiöse Empfinden großer Teile der Bevölkerung" verletzt hatte.

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Längere Zeit bekam Achternbusch daraufhin im Fernsehen kein Bein mehr auf den Boden. Doch die Zeiten änderten sich wieder, Achternbusch zählte zum Inventar des bundesrepublikanisch-bayerischen Kuriositätenkabinetts. Zu seinem 80. Geburtstag widmete ihm das Münchner Filmmuseum eine Hommage.
Seinen Anarchismus habe Achternbusch auch dadurch gezeigt, dass er beim Drehen seiner Filme nicht nur mit Schauspielern zusammengearbeitet habe, sondern auch mit „Biergartenfreunden“, sagt Regisseur Andi Niessner. "Einfache Leute" bekamen auf diese Weise große Filmrollen.

Achternbusch zeige in seinem Werk Sympathie für Figuren, die sich nicht anpassen, schroff seien, pathetisch und manchmal albern, sagt der Filmwissenschaftler Tilman Schumacher . Die Filme würden auf den ersten Blick "stark amateurhaft" und "wie rudimentäres Kino" wirken. Das Ganze habe aber Methode. Es sei "eine Form von widerspenstigem Kino".

Liebevoll, zärtlich, witzig

Insgesamt sei Achternbusch einfach ein „wahnsinnig liebevoller, zärtlicher und einfach unendlich witziger Mensch“ gewesen, so Niessner. Am Ende eines jeden Filmdrehs habe Achternbusch gesagt, dass er sich freue, jetzt wieder malen zu können.
(lev/ahe/dpa)
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